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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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der Geist der Freiheit, nachdem er lange zuvor seine Kräfte geübt, sich stark
genug fühlte, wieder einen Gang zu thun mit dem Geist der Autorität und
Tradition. Noch war er nicht stark genug, alle Fesseln zu brechen, die ihm
die tausendjährige Ueberlieferung angelegt hatte, und nach halhgethaner Arbeit
bequemte er sich abermals zu einem Kompromiß, in welchem er einen Theil
seines Rechts abtrat an den Gegner. Aber er ist hier nie mehr zur Ruhe ge-
bracht worden; vergebens bemühen sich die Hüter dieses Kompromisses, ihn fest¬
zubannen in dessen engen Grenzen; er ruht nicht und wird nicht ruhen bis
das Christenthum das geworden ist. was es im ahnenden Geist seines Schö¬
pfers sein sollte ; die Religion des Geistes, der Freiheit und der Humanität.


Wilhelm Lang.


Erinnerungen ans der leipziger Schlacht.
2.

Um die achte Morgenstunde des 19. Octobers traten die diesseitigen Trup¬
pen ihren Vormarsch gegen Leipzig an. wobei sich auch sogleich ein Tirailleur-
gcfccht zwischen den vor uns gelegenen Gebüschen und Häusern (den Straßen-
Häusern) entspann.

Das Gros des dritten Armeecorps folgte diesem Tirailleurgesecht, verweilte
jedoch längere Zeit an dem Knoten der beiden Straßen von Dresden und von
Taucha nach Leipzig, zwischen Sellerhauseu und Volkmarsdorf.

Von hier aus wurden sodann verschiedene Truppentheile des Armeecorps,
wie Verlautbarte behufs der Erstürmung der Stadt Leipzig, vorgesendet.

Von der Brigade Krafft war dies ein Bataillon -- wenn ich nicht sehr
irre das Füsilierbataillon vom Regiment Colberg -- von der Brigade Borstell
war das pommersche Grenadierbataillon und das erste pommersche Infanterie¬
regiment für den Sturmangriff bestimmt.

Ob gleichzeitig oder bereits früher einige Bataillone der Brigade Hessen-
Homburg ihren Vormarsch auf Leipzig angetreten, konnte ich wegen des durch
Gebüsch und Häuser coupirten Terrains nicht übersehen.

Bewegungen diesseitiger Truppen herrschten jedoch überall so weit mein
Auge reichte.

Nach Maßgabe des Terrains, welches die vorgescndetcn Truppen gewannen,
rückte das Gros des Armeecorps d. h. in abgesonderten Brigaden denselben


der Geist der Freiheit, nachdem er lange zuvor seine Kräfte geübt, sich stark
genug fühlte, wieder einen Gang zu thun mit dem Geist der Autorität und
Tradition. Noch war er nicht stark genug, alle Fesseln zu brechen, die ihm
die tausendjährige Ueberlieferung angelegt hatte, und nach halhgethaner Arbeit
bequemte er sich abermals zu einem Kompromiß, in welchem er einen Theil
seines Rechts abtrat an den Gegner. Aber er ist hier nie mehr zur Ruhe ge-
bracht worden; vergebens bemühen sich die Hüter dieses Kompromisses, ihn fest¬
zubannen in dessen engen Grenzen; er ruht nicht und wird nicht ruhen bis
das Christenthum das geworden ist. was es im ahnenden Geist seines Schö¬
pfers sein sollte ; die Religion des Geistes, der Freiheit und der Humanität.


Wilhelm Lang.


Erinnerungen ans der leipziger Schlacht.
2.

Um die achte Morgenstunde des 19. Octobers traten die diesseitigen Trup¬
pen ihren Vormarsch gegen Leipzig an. wobei sich auch sogleich ein Tirailleur-
gcfccht zwischen den vor uns gelegenen Gebüschen und Häusern (den Straßen-
Häusern) entspann.

Das Gros des dritten Armeecorps folgte diesem Tirailleurgesecht, verweilte
jedoch längere Zeit an dem Knoten der beiden Straßen von Dresden und von
Taucha nach Leipzig, zwischen Sellerhauseu und Volkmarsdorf.

Von hier aus wurden sodann verschiedene Truppentheile des Armeecorps,
wie Verlautbarte behufs der Erstürmung der Stadt Leipzig, vorgesendet.

Von der Brigade Krafft war dies ein Bataillon — wenn ich nicht sehr
irre das Füsilierbataillon vom Regiment Colberg — von der Brigade Borstell
war das pommersche Grenadierbataillon und das erste pommersche Infanterie¬
regiment für den Sturmangriff bestimmt.

Ob gleichzeitig oder bereits früher einige Bataillone der Brigade Hessen-
Homburg ihren Vormarsch auf Leipzig angetreten, konnte ich wegen des durch
Gebüsch und Häuser coupirten Terrains nicht übersehen.

Bewegungen diesseitiger Truppen herrschten jedoch überall so weit mein
Auge reichte.

Nach Maßgabe des Terrains, welches die vorgescndetcn Truppen gewannen,
rückte das Gros des Armeecorps d. h. in abgesonderten Brigaden denselben


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[0108] der Geist der Freiheit, nachdem er lange zuvor seine Kräfte geübt, sich stark genug fühlte, wieder einen Gang zu thun mit dem Geist der Autorität und Tradition. Noch war er nicht stark genug, alle Fesseln zu brechen, die ihm die tausendjährige Ueberlieferung angelegt hatte, und nach halhgethaner Arbeit bequemte er sich abermals zu einem Kompromiß, in welchem er einen Theil seines Rechts abtrat an den Gegner. Aber er ist hier nie mehr zur Ruhe ge- bracht worden; vergebens bemühen sich die Hüter dieses Kompromisses, ihn fest¬ zubannen in dessen engen Grenzen; er ruht nicht und wird nicht ruhen bis das Christenthum das geworden ist. was es im ahnenden Geist seines Schö¬ pfers sein sollte ; die Religion des Geistes, der Freiheit und der Humanität. Wilhelm Lang. Erinnerungen ans der leipziger Schlacht. 2. Um die achte Morgenstunde des 19. Octobers traten die diesseitigen Trup¬ pen ihren Vormarsch gegen Leipzig an. wobei sich auch sogleich ein Tirailleur- gcfccht zwischen den vor uns gelegenen Gebüschen und Häusern (den Straßen- Häusern) entspann. Das Gros des dritten Armeecorps folgte diesem Tirailleurgesecht, verweilte jedoch längere Zeit an dem Knoten der beiden Straßen von Dresden und von Taucha nach Leipzig, zwischen Sellerhauseu und Volkmarsdorf. Von hier aus wurden sodann verschiedene Truppentheile des Armeecorps, wie Verlautbarte behufs der Erstürmung der Stadt Leipzig, vorgesendet. Von der Brigade Krafft war dies ein Bataillon — wenn ich nicht sehr irre das Füsilierbataillon vom Regiment Colberg — von der Brigade Borstell war das pommersche Grenadierbataillon und das erste pommersche Infanterie¬ regiment für den Sturmangriff bestimmt. Ob gleichzeitig oder bereits früher einige Bataillone der Brigade Hessen- Homburg ihren Vormarsch auf Leipzig angetreten, konnte ich wegen des durch Gebüsch und Häuser coupirten Terrains nicht übersehen. Bewegungen diesseitiger Truppen herrschten jedoch überall so weit mein Auge reichte. Nach Maßgabe des Terrains, welches die vorgescndetcn Truppen gewannen, rückte das Gros des Armeecorps d. h. in abgesonderten Brigaden denselben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/108>, abgerufen am 03.07.2024.