Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

versehen, nach Wellaune zurück, um von Junker Günther seine Pferde zurück¬
zuverlangen. Dieser verwies ihn an den Richter, und der erklärte sich zur
Herausgabe der Gäule bereit, falls Kohlhase das Futtergeld für dieselben im
Betrag von fünf bis sechs Groschen erstatte. Letzterer wollte nicht darauf ein¬
gehen, und so mußte er ohne die Pferde nach Hause reisen. Hier vermochte
er infolge der ungünstigen Geschäfte in Leipzig seinen Verbindlichkeiten nicht
nachzukommen, sein Credit sank, und er sah sich schließlich genöthigt, seinen
sämmtlichen liegenden Besitz pfandweise an seine Gläubiger abzutreten.

Kohlhase erblickte in Junker Günther v. Zaschwitz den Urheber seines Unglücks.
Aber noch versuchte er auf friedlichem Wege zu seinem Rechte zu gelangen,
und das zeugt für seinen ruhigen, gesetzmäßigen Sinn, mit dem er damals
eher den Ausnahmen als der Regel angehörte. Er nahm die Hilfe seines Landes¬
herrn, des Kurfürsten von Brandenburg in Anspruch, und unter dessen Ver¬
mittelung kam, von Sachsen ausgeschrieben, am 13. Mai 1533 ein Nechtstag
zu Duden zu Stande. Kohlhase forderte hier Zurücknahme der Beschuldigung,
daß die Pferde gestohlen gewesen, Erstattung des doppelten Werthes derselben
und 130 Gülden für den Schaden, den er durch verspätetes Eintreffen auf der
leipziger Messe erlitten haben wollte. Zaschwitz verlangte ein Futtergeld von
12 Gulden und wies alle Ansprüche seines Gegners rundweg als ungerecht¬
fertigt zurück. Das Ende war, daß Kvhlhcise auf die Vorstellungen des sächsischen
Landvogts die im Dienste des Richters von Wellaune furchtbar abgetriebenen
und vor Hunger dem Tode nahen Thiere*) für die Taxe von 12 Gulden unter
dem Vorbehalt zurücknahm, in Gemäßheit des richterlichen Spruches seine wei¬
teren Forderungen demnächst im Amte Bitterfeld geltend zu machen, während
ein Freund von ihm sich verpflichtete, das verlangte Futtergeld an den Richter
des Junkers zu zahlen.

Nun ruhte die Sache, und erst am 23. Juli regte Kohlhase durch eine
Vorstellung beim sächsischen Kurfürsten (Johann Friedrich dem Großmüthigen)
die Rechtsfrage von Neuem an. Letzterer gab dem Landvogt in der That Auf¬
trag, auf eine Ausgleichung zwischen den Parteien hinzuwirken, aber wenn es
diesem gelang, Kohlhase zu einem Herabgehen mit seiner Entschädigungsforderung
bis aus vier Gulden zu vermögen, so blieben doch alle seine Versuche, den
Junker auf gütlichem Wege zu einem Aufgeben seines Standpunktes zu be¬
wegen, erfolglos, und den Herrn von Adel zu zwingen wagte der Beamte des
Kurfürsten nicht.

Am 15. Februar 1534 erschien Kohlhase noch einmal beim wittenberger
Landvogt, um sich nach dem Stande seiner Angelegenheit zu erkundigen, und



-) Das eine derselben starb schon am folgenden Tage.

versehen, nach Wellaune zurück, um von Junker Günther seine Pferde zurück¬
zuverlangen. Dieser verwies ihn an den Richter, und der erklärte sich zur
Herausgabe der Gäule bereit, falls Kohlhase das Futtergeld für dieselben im
Betrag von fünf bis sechs Groschen erstatte. Letzterer wollte nicht darauf ein¬
gehen, und so mußte er ohne die Pferde nach Hause reisen. Hier vermochte
er infolge der ungünstigen Geschäfte in Leipzig seinen Verbindlichkeiten nicht
nachzukommen, sein Credit sank, und er sah sich schließlich genöthigt, seinen
sämmtlichen liegenden Besitz pfandweise an seine Gläubiger abzutreten.

Kohlhase erblickte in Junker Günther v. Zaschwitz den Urheber seines Unglücks.
Aber noch versuchte er auf friedlichem Wege zu seinem Rechte zu gelangen,
und das zeugt für seinen ruhigen, gesetzmäßigen Sinn, mit dem er damals
eher den Ausnahmen als der Regel angehörte. Er nahm die Hilfe seines Landes¬
herrn, des Kurfürsten von Brandenburg in Anspruch, und unter dessen Ver¬
mittelung kam, von Sachsen ausgeschrieben, am 13. Mai 1533 ein Nechtstag
zu Duden zu Stande. Kohlhase forderte hier Zurücknahme der Beschuldigung,
daß die Pferde gestohlen gewesen, Erstattung des doppelten Werthes derselben
und 130 Gülden für den Schaden, den er durch verspätetes Eintreffen auf der
leipziger Messe erlitten haben wollte. Zaschwitz verlangte ein Futtergeld von
12 Gulden und wies alle Ansprüche seines Gegners rundweg als ungerecht¬
fertigt zurück. Das Ende war, daß Kvhlhcise auf die Vorstellungen des sächsischen
Landvogts die im Dienste des Richters von Wellaune furchtbar abgetriebenen
und vor Hunger dem Tode nahen Thiere*) für die Taxe von 12 Gulden unter
dem Vorbehalt zurücknahm, in Gemäßheit des richterlichen Spruches seine wei¬
teren Forderungen demnächst im Amte Bitterfeld geltend zu machen, während
ein Freund von ihm sich verpflichtete, das verlangte Futtergeld an den Richter
des Junkers zu zahlen.

Nun ruhte die Sache, und erst am 23. Juli regte Kohlhase durch eine
Vorstellung beim sächsischen Kurfürsten (Johann Friedrich dem Großmüthigen)
die Rechtsfrage von Neuem an. Letzterer gab dem Landvogt in der That Auf¬
trag, auf eine Ausgleichung zwischen den Parteien hinzuwirken, aber wenn es
diesem gelang, Kohlhase zu einem Herabgehen mit seiner Entschädigungsforderung
bis aus vier Gulden zu vermögen, so blieben doch alle seine Versuche, den
Junker auf gütlichem Wege zu einem Aufgeben seines Standpunktes zu be¬
wegen, erfolglos, und den Herrn von Adel zu zwingen wagte der Beamte des
Kurfürsten nicht.

Am 15. Februar 1534 erschien Kohlhase noch einmal beim wittenberger
Landvogt, um sich nach dem Stande seiner Angelegenheit zu erkundigen, und



-) Das eine derselben starb schon am folgenden Tage.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189187"/>
          <p xml:id="ID_268" prev="#ID_267"> versehen, nach Wellaune zurück, um von Junker Günther seine Pferde zurück¬<lb/>
zuverlangen. Dieser verwies ihn an den Richter, und der erklärte sich zur<lb/>
Herausgabe der Gäule bereit, falls Kohlhase das Futtergeld für dieselben im<lb/>
Betrag von fünf bis sechs Groschen erstatte. Letzterer wollte nicht darauf ein¬<lb/>
gehen, und so mußte er ohne die Pferde nach Hause reisen. Hier vermochte<lb/>
er infolge der ungünstigen Geschäfte in Leipzig seinen Verbindlichkeiten nicht<lb/>
nachzukommen, sein Credit sank, und er sah sich schließlich genöthigt, seinen<lb/>
sämmtlichen liegenden Besitz pfandweise an seine Gläubiger abzutreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_269"> Kohlhase erblickte in Junker Günther v. Zaschwitz den Urheber seines Unglücks.<lb/>
Aber noch versuchte er auf friedlichem Wege zu seinem Rechte zu gelangen,<lb/>
und das zeugt für seinen ruhigen, gesetzmäßigen Sinn, mit dem er damals<lb/>
eher den Ausnahmen als der Regel angehörte. Er nahm die Hilfe seines Landes¬<lb/>
herrn, des Kurfürsten von Brandenburg in Anspruch, und unter dessen Ver¬<lb/>
mittelung kam, von Sachsen ausgeschrieben, am 13. Mai 1533 ein Nechtstag<lb/>
zu Duden zu Stande. Kohlhase forderte hier Zurücknahme der Beschuldigung,<lb/>
daß die Pferde gestohlen gewesen, Erstattung des doppelten Werthes derselben<lb/>
und 130 Gülden für den Schaden, den er durch verspätetes Eintreffen auf der<lb/>
leipziger Messe erlitten haben wollte. Zaschwitz verlangte ein Futtergeld von<lb/>
12 Gulden und wies alle Ansprüche seines Gegners rundweg als ungerecht¬<lb/>
fertigt zurück. Das Ende war, daß Kvhlhcise auf die Vorstellungen des sächsischen<lb/>
Landvogts die im Dienste des Richters von Wellaune furchtbar abgetriebenen<lb/>
und vor Hunger dem Tode nahen Thiere*) für die Taxe von 12 Gulden unter<lb/>
dem Vorbehalt zurücknahm, in Gemäßheit des richterlichen Spruches seine wei¬<lb/>
teren Forderungen demnächst im Amte Bitterfeld geltend zu machen, während<lb/>
ein Freund von ihm sich verpflichtete, das verlangte Futtergeld an den Richter<lb/>
des Junkers zu zahlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_270"> Nun ruhte die Sache, und erst am 23. Juli regte Kohlhase durch eine<lb/>
Vorstellung beim sächsischen Kurfürsten (Johann Friedrich dem Großmüthigen)<lb/>
die Rechtsfrage von Neuem an. Letzterer gab dem Landvogt in der That Auf¬<lb/>
trag, auf eine Ausgleichung zwischen den Parteien hinzuwirken, aber wenn es<lb/>
diesem gelang, Kohlhase zu einem Herabgehen mit seiner Entschädigungsforderung<lb/>
bis aus vier Gulden zu vermögen, so blieben doch alle seine Versuche, den<lb/>
Junker auf gütlichem Wege zu einem Aufgeben seines Standpunktes zu be¬<lb/>
wegen, erfolglos, und den Herrn von Adel zu zwingen wagte der Beamte des<lb/>
Kurfürsten nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> Am 15. Februar 1534 erschien Kohlhase noch einmal beim wittenberger<lb/>
Landvogt, um sich nach dem Stande seiner Angelegenheit zu erkundigen, und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_7" place="foot"> -) Das eine derselben starb schon am folgenden Tage.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] versehen, nach Wellaune zurück, um von Junker Günther seine Pferde zurück¬ zuverlangen. Dieser verwies ihn an den Richter, und der erklärte sich zur Herausgabe der Gäule bereit, falls Kohlhase das Futtergeld für dieselben im Betrag von fünf bis sechs Groschen erstatte. Letzterer wollte nicht darauf ein¬ gehen, und so mußte er ohne die Pferde nach Hause reisen. Hier vermochte er infolge der ungünstigen Geschäfte in Leipzig seinen Verbindlichkeiten nicht nachzukommen, sein Credit sank, und er sah sich schließlich genöthigt, seinen sämmtlichen liegenden Besitz pfandweise an seine Gläubiger abzutreten. Kohlhase erblickte in Junker Günther v. Zaschwitz den Urheber seines Unglücks. Aber noch versuchte er auf friedlichem Wege zu seinem Rechte zu gelangen, und das zeugt für seinen ruhigen, gesetzmäßigen Sinn, mit dem er damals eher den Ausnahmen als der Regel angehörte. Er nahm die Hilfe seines Landes¬ herrn, des Kurfürsten von Brandenburg in Anspruch, und unter dessen Ver¬ mittelung kam, von Sachsen ausgeschrieben, am 13. Mai 1533 ein Nechtstag zu Duden zu Stande. Kohlhase forderte hier Zurücknahme der Beschuldigung, daß die Pferde gestohlen gewesen, Erstattung des doppelten Werthes derselben und 130 Gülden für den Schaden, den er durch verspätetes Eintreffen auf der leipziger Messe erlitten haben wollte. Zaschwitz verlangte ein Futtergeld von 12 Gulden und wies alle Ansprüche seines Gegners rundweg als ungerecht¬ fertigt zurück. Das Ende war, daß Kvhlhcise auf die Vorstellungen des sächsischen Landvogts die im Dienste des Richters von Wellaune furchtbar abgetriebenen und vor Hunger dem Tode nahen Thiere*) für die Taxe von 12 Gulden unter dem Vorbehalt zurücknahm, in Gemäßheit des richterlichen Spruches seine wei¬ teren Forderungen demnächst im Amte Bitterfeld geltend zu machen, während ein Freund von ihm sich verpflichtete, das verlangte Futtergeld an den Richter des Junkers zu zahlen. Nun ruhte die Sache, und erst am 23. Juli regte Kohlhase durch eine Vorstellung beim sächsischen Kurfürsten (Johann Friedrich dem Großmüthigen) die Rechtsfrage von Neuem an. Letzterer gab dem Landvogt in der That Auf¬ trag, auf eine Ausgleichung zwischen den Parteien hinzuwirken, aber wenn es diesem gelang, Kohlhase zu einem Herabgehen mit seiner Entschädigungsforderung bis aus vier Gulden zu vermögen, so blieben doch alle seine Versuche, den Junker auf gütlichem Wege zu einem Aufgeben seines Standpunktes zu be¬ wegen, erfolglos, und den Herrn von Adel zu zwingen wagte der Beamte des Kurfürsten nicht. Am 15. Februar 1534 erschien Kohlhase noch einmal beim wittenberger Landvogt, um sich nach dem Stande seiner Angelegenheit zu erkundigen, und -) Das eine derselben starb schon am folgenden Tage.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/92>, abgerufen am 28.09.2024.