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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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nach S. 6 im Sinn des Verfassers sagen zu dürfen meinen, der preußischen
Oberleitung anvertrauen.

Man siM sofort, daß die Forderungen des militärischen Interesses theil¬
weise wenigstens mit denen des Handelsinteresses in Widerspruch gerathen kön¬
nen. Ein vortrefflicher Kriegshafen an einem Endpunkte könnte für den Kanal
eine Richtung bedingen, welche dem Handelsverkehr weniger zusagt, als eine
andere. Oder eine dem Handel besonders nützliche Linie könnte auf Endpunkte
führen, welche die Kriegszwecke nicht erfüllen. Hier wird also bei der Wahl
der Richtung des Kanals dessen Hauptzweck entscheidend sein.

Bei den für beide Zwecke gleichen Forderungen dagegen muß die technische
Untersuchung maßgebend sein, welche sich theils auf die Endpunkte des Kanals,
theils aus das Terrain zu erstrecken hat, durch welches derselbe zu führen ist.

Ohne Zweifel wäre ein Kanal ohne Schleußen, ein reiner Durchstich zwi¬
schen den beiden Meeren das Erwünschteste, da einerseits bei ihm dem schnellen
Durchgang der Schiffe die wenigsten Hindernisse entgegenstehen und keine
Stockung eintreten würde und andrerseits die Schwierigkeit der Speisung von
Schleußen hinwegsiele. Indeß ein solcher bloßer Durchstich ist nach der Dar¬
stellung unserer Schrift unausführbar,

"Der periodische Wechsel des Wasserstandes bei Ebbe und Fluth an der
Nordseeküste bedingt jedenfalls eine Abzugsschleuße an der Westmündung des
Kanals, und selbst der nichtperiodische Wechsel der Wasserhöhe in der Ostsee,
durch die verschiedenen Windrichtungen veranlaßt und je nach der Lage der öst¬
lichen Kanalmündungen mehr oder minder erheblich, dürste bei einem Durch¬
stiche noch in der Nähe des östlichen Endes einen zweiten Schleußenabschluß
nothwendig machen.

Es ist ferner möglich, daß gerade die Kanalrichtung, in welcher ein Durch¬
stich nach der natürlichen Terrainbeschaffenheit am leichtesten ausführbar wäre,
den beabsichtigten Zwecken nicht entspräche. Dann wird sich die Frage erheben,
ob in einer erwünschteren Richtung ein Durchstich, wenn auch mit erheblich
größeren Kosten bewirkt werden kann, oder ob man sich mit der unvollkom¬
meneren Verbindung beider Meere durch einen Kanal mit mehr als einer oder
zwei Schleußen begnügen soll."

Endlich mag als selbstverständlich nur kurz erwähnt werden, daß bei einem
Unternehmen von so großer nationaler Bedeutung Localinteressen keinerlei An¬
spruch auf Berücksichtigung haben.

Nach diesen Gesichtspunkten prüft nun der Verfasser unsrer Schrift die bis
jetzt bekannt gewordenen älteren und neueren Projecte, wobei er zu folgenden
Resultaten kommt:

1> Die von Christian dem Dritten in der ersten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts beabsichtigte Linie Rip en-Kolding oder Rip en-Hadersleben


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nach S. 6 im Sinn des Verfassers sagen zu dürfen meinen, der preußischen
Oberleitung anvertrauen.

Man siM sofort, daß die Forderungen des militärischen Interesses theil¬
weise wenigstens mit denen des Handelsinteresses in Widerspruch gerathen kön¬
nen. Ein vortrefflicher Kriegshafen an einem Endpunkte könnte für den Kanal
eine Richtung bedingen, welche dem Handelsverkehr weniger zusagt, als eine
andere. Oder eine dem Handel besonders nützliche Linie könnte auf Endpunkte
führen, welche die Kriegszwecke nicht erfüllen. Hier wird also bei der Wahl
der Richtung des Kanals dessen Hauptzweck entscheidend sein.

Bei den für beide Zwecke gleichen Forderungen dagegen muß die technische
Untersuchung maßgebend sein, welche sich theils auf die Endpunkte des Kanals,
theils aus das Terrain zu erstrecken hat, durch welches derselbe zu führen ist.

Ohne Zweifel wäre ein Kanal ohne Schleußen, ein reiner Durchstich zwi¬
schen den beiden Meeren das Erwünschteste, da einerseits bei ihm dem schnellen
Durchgang der Schiffe die wenigsten Hindernisse entgegenstehen und keine
Stockung eintreten würde und andrerseits die Schwierigkeit der Speisung von
Schleußen hinwegsiele. Indeß ein solcher bloßer Durchstich ist nach der Dar¬
stellung unserer Schrift unausführbar,

„Der periodische Wechsel des Wasserstandes bei Ebbe und Fluth an der
Nordseeküste bedingt jedenfalls eine Abzugsschleuße an der Westmündung des
Kanals, und selbst der nichtperiodische Wechsel der Wasserhöhe in der Ostsee,
durch die verschiedenen Windrichtungen veranlaßt und je nach der Lage der öst¬
lichen Kanalmündungen mehr oder minder erheblich, dürste bei einem Durch¬
stiche noch in der Nähe des östlichen Endes einen zweiten Schleußenabschluß
nothwendig machen.

Es ist ferner möglich, daß gerade die Kanalrichtung, in welcher ein Durch¬
stich nach der natürlichen Terrainbeschaffenheit am leichtesten ausführbar wäre,
den beabsichtigten Zwecken nicht entspräche. Dann wird sich die Frage erheben,
ob in einer erwünschteren Richtung ein Durchstich, wenn auch mit erheblich
größeren Kosten bewirkt werden kann, oder ob man sich mit der unvollkom¬
meneren Verbindung beider Meere durch einen Kanal mit mehr als einer oder
zwei Schleußen begnügen soll."

Endlich mag als selbstverständlich nur kurz erwähnt werden, daß bei einem
Unternehmen von so großer nationaler Bedeutung Localinteressen keinerlei An¬
spruch auf Berücksichtigung haben.

Nach diesen Gesichtspunkten prüft nun der Verfasser unsrer Schrift die bis
jetzt bekannt gewordenen älteren und neueren Projecte, wobei er zu folgenden
Resultaten kommt:

1> Die von Christian dem Dritten in der ersten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts beabsichtigte Linie Rip en-Kolding oder Rip en-Hadersleben


7*
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[0059] nach S. 6 im Sinn des Verfassers sagen zu dürfen meinen, der preußischen Oberleitung anvertrauen. Man siM sofort, daß die Forderungen des militärischen Interesses theil¬ weise wenigstens mit denen des Handelsinteresses in Widerspruch gerathen kön¬ nen. Ein vortrefflicher Kriegshafen an einem Endpunkte könnte für den Kanal eine Richtung bedingen, welche dem Handelsverkehr weniger zusagt, als eine andere. Oder eine dem Handel besonders nützliche Linie könnte auf Endpunkte führen, welche die Kriegszwecke nicht erfüllen. Hier wird also bei der Wahl der Richtung des Kanals dessen Hauptzweck entscheidend sein. Bei den für beide Zwecke gleichen Forderungen dagegen muß die technische Untersuchung maßgebend sein, welche sich theils auf die Endpunkte des Kanals, theils aus das Terrain zu erstrecken hat, durch welches derselbe zu führen ist. Ohne Zweifel wäre ein Kanal ohne Schleußen, ein reiner Durchstich zwi¬ schen den beiden Meeren das Erwünschteste, da einerseits bei ihm dem schnellen Durchgang der Schiffe die wenigsten Hindernisse entgegenstehen und keine Stockung eintreten würde und andrerseits die Schwierigkeit der Speisung von Schleußen hinwegsiele. Indeß ein solcher bloßer Durchstich ist nach der Dar¬ stellung unserer Schrift unausführbar, „Der periodische Wechsel des Wasserstandes bei Ebbe und Fluth an der Nordseeküste bedingt jedenfalls eine Abzugsschleuße an der Westmündung des Kanals, und selbst der nichtperiodische Wechsel der Wasserhöhe in der Ostsee, durch die verschiedenen Windrichtungen veranlaßt und je nach der Lage der öst¬ lichen Kanalmündungen mehr oder minder erheblich, dürste bei einem Durch¬ stiche noch in der Nähe des östlichen Endes einen zweiten Schleußenabschluß nothwendig machen. Es ist ferner möglich, daß gerade die Kanalrichtung, in welcher ein Durch¬ stich nach der natürlichen Terrainbeschaffenheit am leichtesten ausführbar wäre, den beabsichtigten Zwecken nicht entspräche. Dann wird sich die Frage erheben, ob in einer erwünschteren Richtung ein Durchstich, wenn auch mit erheblich größeren Kosten bewirkt werden kann, oder ob man sich mit der unvollkom¬ meneren Verbindung beider Meere durch einen Kanal mit mehr als einer oder zwei Schleußen begnügen soll." Endlich mag als selbstverständlich nur kurz erwähnt werden, daß bei einem Unternehmen von so großer nationaler Bedeutung Localinteressen keinerlei An¬ spruch auf Berücksichtigung haben. Nach diesen Gesichtspunkten prüft nun der Verfasser unsrer Schrift die bis jetzt bekannt gewordenen älteren und neueren Projecte, wobei er zu folgenden Resultaten kommt: 1> Die von Christian dem Dritten in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts beabsichtigte Linie Rip en-Kolding oder Rip en-Hadersleben 7*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/59>, abgerufen am 28.09.2024.