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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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allmähliche gewesen, und es giebt Leute, die zu denken wagen -- ohne den un-
läugbaren Verdiensten der gegenwärtigen Administrationen irgendwie zu nahe
treten zu wollen -- man würde früher das jetzige Ziel erreicht haben, wäre
nicht die Post eben Staatssache geworden.

Um nicht in die gleiche Unentschiedenheit zu verfallen, welche wir in dem
Decrete gefunden zu haben glauben, hinsichtlich der Frage nämlich, was denn
der Staat in Bezug aus das Eisenbahnwesen thun solle, wollen wir schließlich
eine positive Antwort daraus nicht zurückhalten. Wir antworten ohne Bedenken:
Nichts, gar nichts als das, was ihm, als der Ober aufsichtsbehörde,
zusteht und obliegt; er prüfe die ihm vorzulegenden Anträge, ob ihnen,
gegenüber den allgemeinen Interessen -- namentlich in Bezug auf die etwa
erforderlichen Expropriationen des Eigenthums Dritter -- etwas entgegensteht,
stelle die in dieser, in wohlfahrtspolizeilicher und anderer Hinsicht erforderlichen
Bedingungen fest, wache über deren Ausführung, über die Sicherheit und Regel¬
mäßigkeit des Betriebes und folge im Uebrigen der Devise, die wir an die
Spitze dieser Schrift stellen. Ist irgendwo das Selfgovernement, von dem in
unsern Tagen so viel die Rede ist, an seiner Stelle,, so ist es hier.

Nachdem wir hier unsere Ansicht, daß der Staat sich jeder weiteren Ein¬
mischung in Eisenbahnanlagen enthalten sollte, so entschieden ausgesprochen
haben, dürfte es überflüssig sein, dies auch noch hinsichtlich der in dem Decrete
berührten drei Systeme eventueller Unterstützung von Privatunternehmungen zu
thun, und zwar um so mehr, als in dem^Decrete selbst eigentlich keines bevor-
wertet wird und als den dort dagegen angeführten Gründen noch andere, nicht
minder berücksichtigenswerthe hinzutreten. Nur in einzelnen, ganz be¬
sonders dringenden und wichtigen Fällen dürste eine Ausnahme
hiervon in Erwägung zu ziehen sein.

Im Begriffe diese Betrachtungen zu schließen, wird uns von mehren Seiten
die überraschende Mittheilung, daß in der Finanzdeputation der zweiten
Kammer der Ständeversammlung, welcher das oft erwähnte Decret zur
Begutachtung vorliegt, sich eine überwiegende Majorität dafür erkläre, den
Eisenbahnbau entschieden zur Staatssache zu machen. Wir können begreifen,
daß der Negierung ein dahingehender Beschluß nicht unwillkommen sein würde,
obwohl aus den Darlegungen des Decretes wenigstens sich für jetzt eher auf
das Gegentheil schließen läßt. Aber begreisen können wir in der That
nicht, wie die Ständeversammlung sich sollte veranlaßt finden
können, die Betretung eines Weges zu empfehlen, dessen Ver"
solgung mit den äußersten Gefahren für das Finanzwesen des
Staates verknüpft ist, da er unausbleiblich zu einer enormen
Vergrößerung der Staatsschuld führen muß. Die Zeiten, in welchen
der Staat, wie das Decret mit einigem und begründetem Selbstgefühl ausspricht.


allmähliche gewesen, und es giebt Leute, die zu denken wagen — ohne den un-
läugbaren Verdiensten der gegenwärtigen Administrationen irgendwie zu nahe
treten zu wollen — man würde früher das jetzige Ziel erreicht haben, wäre
nicht die Post eben Staatssache geworden.

Um nicht in die gleiche Unentschiedenheit zu verfallen, welche wir in dem
Decrete gefunden zu haben glauben, hinsichtlich der Frage nämlich, was denn
der Staat in Bezug aus das Eisenbahnwesen thun solle, wollen wir schließlich
eine positive Antwort daraus nicht zurückhalten. Wir antworten ohne Bedenken:
Nichts, gar nichts als das, was ihm, als der Ober aufsichtsbehörde,
zusteht und obliegt; er prüfe die ihm vorzulegenden Anträge, ob ihnen,
gegenüber den allgemeinen Interessen — namentlich in Bezug auf die etwa
erforderlichen Expropriationen des Eigenthums Dritter — etwas entgegensteht,
stelle die in dieser, in wohlfahrtspolizeilicher und anderer Hinsicht erforderlichen
Bedingungen fest, wache über deren Ausführung, über die Sicherheit und Regel¬
mäßigkeit des Betriebes und folge im Uebrigen der Devise, die wir an die
Spitze dieser Schrift stellen. Ist irgendwo das Selfgovernement, von dem in
unsern Tagen so viel die Rede ist, an seiner Stelle,, so ist es hier.

Nachdem wir hier unsere Ansicht, daß der Staat sich jeder weiteren Ein¬
mischung in Eisenbahnanlagen enthalten sollte, so entschieden ausgesprochen
haben, dürfte es überflüssig sein, dies auch noch hinsichtlich der in dem Decrete
berührten drei Systeme eventueller Unterstützung von Privatunternehmungen zu
thun, und zwar um so mehr, als in dem^Decrete selbst eigentlich keines bevor-
wertet wird und als den dort dagegen angeführten Gründen noch andere, nicht
minder berücksichtigenswerthe hinzutreten. Nur in einzelnen, ganz be¬
sonders dringenden und wichtigen Fällen dürste eine Ausnahme
hiervon in Erwägung zu ziehen sein.

Im Begriffe diese Betrachtungen zu schließen, wird uns von mehren Seiten
die überraschende Mittheilung, daß in der Finanzdeputation der zweiten
Kammer der Ständeversammlung, welcher das oft erwähnte Decret zur
Begutachtung vorliegt, sich eine überwiegende Majorität dafür erkläre, den
Eisenbahnbau entschieden zur Staatssache zu machen. Wir können begreifen,
daß der Negierung ein dahingehender Beschluß nicht unwillkommen sein würde,
obwohl aus den Darlegungen des Decretes wenigstens sich für jetzt eher auf
das Gegentheil schließen läßt. Aber begreisen können wir in der That
nicht, wie die Ständeversammlung sich sollte veranlaßt finden
können, die Betretung eines Weges zu empfehlen, dessen Ver»
solgung mit den äußersten Gefahren für das Finanzwesen des
Staates verknüpft ist, da er unausbleiblich zu einer enormen
Vergrößerung der Staatsschuld führen muß. Die Zeiten, in welchen
der Staat, wie das Decret mit einigem und begründetem Selbstgefühl ausspricht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/56>, abgerufen am 28.09.2024.