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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Personen, aber doch nicht ein Systemwechsel war. Das Märchen, daß der
Fall des Justizministers in der allerhöchsten Protection eines von hoher aus¬
ländischer Seite empfohlenen unfähigen Beamten seinen Grund habe, ist längst
widerlegt. Sein Entlassungsgesuch war vielmehr, wie wir bestimmt hören,
hauptsächlich durch die Fortdauer der absoluten Präponderanz der Cabinets-
regierung des Hofraths Pfistermeister veranlaßt.

Dieser einflußreiche Mann, unter der Negierung Maximilians des Zweiten
die Seele der bayrischen Politik, verstand es vortrefflich, sich dem neuen König
ebenso unentbehrlich zu machen, wie er es für dessen Vater gewesen war.
Um jedoch den Schein zu wahren und die öffentliche Meinung irrezuführen,
wurden sofort nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Zweiten tägliche un¬
mittelbare Vorträge der Minister angeordnet, die natürlich ihr Ende fanden,
sobald der König seine Badereise nach Kissingen antrat. Von da an gingen
alle Berichte der Minister wieder den altgewohnten Weg durch das Cabinet.
Daneben besteht auch von Alters her noch eine zweite Prüfungsinstanz, der
sie unterworfen wurden. Der verstorbene König, bis zur Aengstlichkeit gewissen¬
haft, hatte immer einen und den andern unverantwortlichen Rath neben seinen
verantwortlichen Ministern und gar oft errangen jene den Sieg über diese.
In Fragen der Gesetzgebung waren es besonders zwei Professoren, der con-
servativen Richtung zugethan, der eine ein unbedingter Ultramontaner, der
andere ein streng orthodoxer Protestant, Bayer und Dollmann, deren Gutachten
sehr häufig die Entscheidung des Königs gegen die Vorschläge seiner Minister
bestimmten. Auch diese constitutionelle Ungeheuerlichkeit sollte unter dem neuen
Regiment fortgesetzt werden, auch sie war ja eine Stütze der Cabinetsregierung,
denn kein anderer als Pfistermeister zog, wenn es ihm gelegen war, den Rath
dieser beiden Männer herbei. Gegen diese Zwischeninstanz soll der Justiz-
minister sehr ernstliche Einsprache erhoben haben, ihr vor allem mochte er zu¬
schreiben, daß in dem neuen Entwurf der Civilproceßordnung den Staats¬
anwälten nicht die freie Stellung eingeräumt werden sollte, die er für sie
wünschte. Er bot seine Entlassung an, sie wurde gern und rasch bewilligt.
Sein Nachfolger, Herr Bomhardt, hat sich besonders durch seine Thätigkeit in
dem Pfälzer Gesangbuchsstreit bekannt gemacht; als eifriger Anhänger der
unirten Kirche und einer gemäßigten Richtung hat sein Ansehen wesentlich zur
Herstellung des kirchlichen Friedens in der Rheinpfalz beigetragen. Seitdem
hat er als bayrischer Bevollmächtigter an den Berathungen über eine allgemeine
deutsche Civilproceßordnung in Hannover Theil genommen. Man kennt ihn
als entschiedenen Anhänger des französischen Systems, will jedoch hoffen, daß
er, der seine Carriöre als Staatsanwalt und zwar Jahre lang in der Pfalz,
gemacht hat, den Anschauungen seines Vorgängers über die Stellung der
Staatsanwälte treu bleiben und in dieser Richtung seine Vorliebe für das frau-


Personen, aber doch nicht ein Systemwechsel war. Das Märchen, daß der
Fall des Justizministers in der allerhöchsten Protection eines von hoher aus¬
ländischer Seite empfohlenen unfähigen Beamten seinen Grund habe, ist längst
widerlegt. Sein Entlassungsgesuch war vielmehr, wie wir bestimmt hören,
hauptsächlich durch die Fortdauer der absoluten Präponderanz der Cabinets-
regierung des Hofraths Pfistermeister veranlaßt.

Dieser einflußreiche Mann, unter der Negierung Maximilians des Zweiten
die Seele der bayrischen Politik, verstand es vortrefflich, sich dem neuen König
ebenso unentbehrlich zu machen, wie er es für dessen Vater gewesen war.
Um jedoch den Schein zu wahren und die öffentliche Meinung irrezuführen,
wurden sofort nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Zweiten tägliche un¬
mittelbare Vorträge der Minister angeordnet, die natürlich ihr Ende fanden,
sobald der König seine Badereise nach Kissingen antrat. Von da an gingen
alle Berichte der Minister wieder den altgewohnten Weg durch das Cabinet.
Daneben besteht auch von Alters her noch eine zweite Prüfungsinstanz, der
sie unterworfen wurden. Der verstorbene König, bis zur Aengstlichkeit gewissen¬
haft, hatte immer einen und den andern unverantwortlichen Rath neben seinen
verantwortlichen Ministern und gar oft errangen jene den Sieg über diese.
In Fragen der Gesetzgebung waren es besonders zwei Professoren, der con-
servativen Richtung zugethan, der eine ein unbedingter Ultramontaner, der
andere ein streng orthodoxer Protestant, Bayer und Dollmann, deren Gutachten
sehr häufig die Entscheidung des Königs gegen die Vorschläge seiner Minister
bestimmten. Auch diese constitutionelle Ungeheuerlichkeit sollte unter dem neuen
Regiment fortgesetzt werden, auch sie war ja eine Stütze der Cabinetsregierung,
denn kein anderer als Pfistermeister zog, wenn es ihm gelegen war, den Rath
dieser beiden Männer herbei. Gegen diese Zwischeninstanz soll der Justiz-
minister sehr ernstliche Einsprache erhoben haben, ihr vor allem mochte er zu¬
schreiben, daß in dem neuen Entwurf der Civilproceßordnung den Staats¬
anwälten nicht die freie Stellung eingeräumt werden sollte, die er für sie
wünschte. Er bot seine Entlassung an, sie wurde gern und rasch bewilligt.
Sein Nachfolger, Herr Bomhardt, hat sich besonders durch seine Thätigkeit in
dem Pfälzer Gesangbuchsstreit bekannt gemacht; als eifriger Anhänger der
unirten Kirche und einer gemäßigten Richtung hat sein Ansehen wesentlich zur
Herstellung des kirchlichen Friedens in der Rheinpfalz beigetragen. Seitdem
hat er als bayrischer Bevollmächtigter an den Berathungen über eine allgemeine
deutsche Civilproceßordnung in Hannover Theil genommen. Man kennt ihn
als entschiedenen Anhänger des französischen Systems, will jedoch hoffen, daß
er, der seine Carriöre als Staatsanwalt und zwar Jahre lang in der Pfalz,
gemacht hat, den Anschauungen seines Vorgängers über die Stellung der
Staatsanwälte treu bleiben und in dieser Richtung seine Vorliebe für das frau-


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[0450] Personen, aber doch nicht ein Systemwechsel war. Das Märchen, daß der Fall des Justizministers in der allerhöchsten Protection eines von hoher aus¬ ländischer Seite empfohlenen unfähigen Beamten seinen Grund habe, ist längst widerlegt. Sein Entlassungsgesuch war vielmehr, wie wir bestimmt hören, hauptsächlich durch die Fortdauer der absoluten Präponderanz der Cabinets- regierung des Hofraths Pfistermeister veranlaßt. Dieser einflußreiche Mann, unter der Negierung Maximilians des Zweiten die Seele der bayrischen Politik, verstand es vortrefflich, sich dem neuen König ebenso unentbehrlich zu machen, wie er es für dessen Vater gewesen war. Um jedoch den Schein zu wahren und die öffentliche Meinung irrezuführen, wurden sofort nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Zweiten tägliche un¬ mittelbare Vorträge der Minister angeordnet, die natürlich ihr Ende fanden, sobald der König seine Badereise nach Kissingen antrat. Von da an gingen alle Berichte der Minister wieder den altgewohnten Weg durch das Cabinet. Daneben besteht auch von Alters her noch eine zweite Prüfungsinstanz, der sie unterworfen wurden. Der verstorbene König, bis zur Aengstlichkeit gewissen¬ haft, hatte immer einen und den andern unverantwortlichen Rath neben seinen verantwortlichen Ministern und gar oft errangen jene den Sieg über diese. In Fragen der Gesetzgebung waren es besonders zwei Professoren, der con- servativen Richtung zugethan, der eine ein unbedingter Ultramontaner, der andere ein streng orthodoxer Protestant, Bayer und Dollmann, deren Gutachten sehr häufig die Entscheidung des Königs gegen die Vorschläge seiner Minister bestimmten. Auch diese constitutionelle Ungeheuerlichkeit sollte unter dem neuen Regiment fortgesetzt werden, auch sie war ja eine Stütze der Cabinetsregierung, denn kein anderer als Pfistermeister zog, wenn es ihm gelegen war, den Rath dieser beiden Männer herbei. Gegen diese Zwischeninstanz soll der Justiz- minister sehr ernstliche Einsprache erhoben haben, ihr vor allem mochte er zu¬ schreiben, daß in dem neuen Entwurf der Civilproceßordnung den Staats¬ anwälten nicht die freie Stellung eingeräumt werden sollte, die er für sie wünschte. Er bot seine Entlassung an, sie wurde gern und rasch bewilligt. Sein Nachfolger, Herr Bomhardt, hat sich besonders durch seine Thätigkeit in dem Pfälzer Gesangbuchsstreit bekannt gemacht; als eifriger Anhänger der unirten Kirche und einer gemäßigten Richtung hat sein Ansehen wesentlich zur Herstellung des kirchlichen Friedens in der Rheinpfalz beigetragen. Seitdem hat er als bayrischer Bevollmächtigter an den Berathungen über eine allgemeine deutsche Civilproceßordnung in Hannover Theil genommen. Man kennt ihn als entschiedenen Anhänger des französischen Systems, will jedoch hoffen, daß er, der seine Carriöre als Staatsanwalt und zwar Jahre lang in der Pfalz, gemacht hat, den Anschauungen seines Vorgängers über die Stellung der Staatsanwälte treu bleiben und in dieser Richtung seine Vorliebe für das frau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/450>, abgerufen am 28.09.2024.