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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ein Unverheirateter die Butter nicht zuerst anschreiben, weil er sonst sieben
Jahre nicht heirathet. Setzt sich aber eine Ledige an eine Tischecke, so bekommt
sie überhaupt keinen Mann. Brennt man sich die Pfeife oder Cigarre an einer
Lampe an. so kriegt man, wie sie in Raschau meinen, eine schwarze Frau.
In Lauter müssen Braut und Bräutigam vor der Trauung einmal zusammen
aus einer Schüssel essen; denn das befördert für die zukünftige Ehe die Einig¬
keit. Vor dem Hochzeitstage erscheinen die Freundinnen der Braut im Hause
vor deren Eltern zur Brautschau, d. h. zur Besichtigung der angeschafften und
geschenkten Hausgeräthe, und lärmen dabei die sie begleitenden Kinder, so
giebts künftig unter den beiden Leuten Unfrieden. Am Tage vor der Hochzeit
wird -- gewöhnlich von Jungfern, weil das Glück bringt -- unter mancherlei
Sprüchen das Brautbett zugerüstet, ein mächtiger Bau von Betten. Das Stroh,
welches dabei in die Kammer fällt, muß mit einem neuen Besen zusammen¬
gekehrt und letzterer dann unter das Bett geworfen werden. In Lößnitz wird
zum Schluß dieser Ceremonie bisweilen der Vers: "Was Gott thut, das ist
wohlgethan" mit Musikbegleitung gesungen. Das Betttuch darf bei Herrichtung
des Brautbettes nur glatt gestrichen, nicht geklopft werden, sonst bekommt die
junge Frau von ihrem Manne bald Schläge oder geräth wenigstens zu sehr
unter dessen Herrschaft. Je mehr zerbrochene Töpfe und Tiegel am Polterabend
-- das lärmende Zerschlagen derselben an der Thür des Hochzeitshauses soll
wohl die bösen Geister verscheuchen -- desto glücklicher wird das neue Paar.

Zum Gang in die Kirche, der nicht stattfinden darf, wenn auf dem Got¬
tesacker ein offenes Grab ist. legen sich die Brautleute jedes einen Groschen in
die Schuhe, dann fehlt es ihrer Ehe niemals an Geld. Mit Schimmeln (Wo¬
dans Pferden) zur Trauung zu fahren, heißt in der Gegend von Marienberg,
sich Unglück zuziehen. Begegnen dem Brautzüge Verwandte, so hat das üble,
begegnet ihm ein beladener Wagen, sei es auch blos ein Düngerwagen, so hat
das gute Vorbedeutung. Tritt die Braut zuerst in die Kirche, so bekommt sie den
Mann unter den Pantoffel, und zwar nicht blos, wie Spieß anzunehmen scheint,
in Zschvpau, sondern überall, wo man im Gebirge Pantoffeln trägt.

^ Bei den Ceremonien der Trauung selbst darf kein Verstoß vorkommen, sonst
lößt sich die Ehe bald wieder. Ferner müssen sich Braut und Bräutigam mög¬
lich dicht neben einander halten, wenn sie am Altar sind, sonst kann der böse
Feind hindurch, und dann kommt es entweder bald zur Scheidung, oder eines
der Beiden stirbt nächstens. Während anderwärts, z. B. in Schlesien die Braut
bei der Trauung zu weinen hat, weil sie sonst in der Ehe viele Thränen ver-
gießen wird. untersagt ihr der alte Glaube in der Gegend von Lauter das
Weinen am Altar, da sie dann als Frau doppelt so viel zu weinen haben soll.
Beide Verlobte müssen in Markneukirchen nach vollendeter Vermählungsceremonie
zugleich aufstehen, denn wer sich zuerst vom Knien erhebt, stirbt auch zuerst.


ein Unverheirateter die Butter nicht zuerst anschreiben, weil er sonst sieben
Jahre nicht heirathet. Setzt sich aber eine Ledige an eine Tischecke, so bekommt
sie überhaupt keinen Mann. Brennt man sich die Pfeife oder Cigarre an einer
Lampe an. so kriegt man, wie sie in Raschau meinen, eine schwarze Frau.
In Lauter müssen Braut und Bräutigam vor der Trauung einmal zusammen
aus einer Schüssel essen; denn das befördert für die zukünftige Ehe die Einig¬
keit. Vor dem Hochzeitstage erscheinen die Freundinnen der Braut im Hause
vor deren Eltern zur Brautschau, d. h. zur Besichtigung der angeschafften und
geschenkten Hausgeräthe, und lärmen dabei die sie begleitenden Kinder, so
giebts künftig unter den beiden Leuten Unfrieden. Am Tage vor der Hochzeit
wird — gewöhnlich von Jungfern, weil das Glück bringt — unter mancherlei
Sprüchen das Brautbett zugerüstet, ein mächtiger Bau von Betten. Das Stroh,
welches dabei in die Kammer fällt, muß mit einem neuen Besen zusammen¬
gekehrt und letzterer dann unter das Bett geworfen werden. In Lößnitz wird
zum Schluß dieser Ceremonie bisweilen der Vers: „Was Gott thut, das ist
wohlgethan" mit Musikbegleitung gesungen. Das Betttuch darf bei Herrichtung
des Brautbettes nur glatt gestrichen, nicht geklopft werden, sonst bekommt die
junge Frau von ihrem Manne bald Schläge oder geräth wenigstens zu sehr
unter dessen Herrschaft. Je mehr zerbrochene Töpfe und Tiegel am Polterabend
— das lärmende Zerschlagen derselben an der Thür des Hochzeitshauses soll
wohl die bösen Geister verscheuchen — desto glücklicher wird das neue Paar.

Zum Gang in die Kirche, der nicht stattfinden darf, wenn auf dem Got¬
tesacker ein offenes Grab ist. legen sich die Brautleute jedes einen Groschen in
die Schuhe, dann fehlt es ihrer Ehe niemals an Geld. Mit Schimmeln (Wo¬
dans Pferden) zur Trauung zu fahren, heißt in der Gegend von Marienberg,
sich Unglück zuziehen. Begegnen dem Brautzüge Verwandte, so hat das üble,
begegnet ihm ein beladener Wagen, sei es auch blos ein Düngerwagen, so hat
das gute Vorbedeutung. Tritt die Braut zuerst in die Kirche, so bekommt sie den
Mann unter den Pantoffel, und zwar nicht blos, wie Spieß anzunehmen scheint,
in Zschvpau, sondern überall, wo man im Gebirge Pantoffeln trägt.

^ Bei den Ceremonien der Trauung selbst darf kein Verstoß vorkommen, sonst
lößt sich die Ehe bald wieder. Ferner müssen sich Braut und Bräutigam mög¬
lich dicht neben einander halten, wenn sie am Altar sind, sonst kann der böse
Feind hindurch, und dann kommt es entweder bald zur Scheidung, oder eines
der Beiden stirbt nächstens. Während anderwärts, z. B. in Schlesien die Braut
bei der Trauung zu weinen hat, weil sie sonst in der Ehe viele Thränen ver-
gießen wird. untersagt ihr der alte Glaube in der Gegend von Lauter das
Weinen am Altar, da sie dann als Frau doppelt so viel zu weinen haben soll.
Beide Verlobte müssen in Markneukirchen nach vollendeter Vermählungsceremonie
zugleich aufstehen, denn wer sich zuerst vom Knien erhebt, stirbt auch zuerst.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/446>, abgerufen am 28.09.2024.