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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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selben mit den Worten: "Krähe der Hahn, so krieg' ich en Mann, gackert die
Herr', so krieg' ich noch kenn'." Meidet sich nun zuerst der Hahn, so macht Rike
oder Rosine noch in diesem Jahre Hochzeit, meldet sich eine Henne, so bleibt sie
noch ledig. Wieder eine andere Art, den Andreasabend mit seiner Beziehung
zur Zukunft auszubeuten, kommt bei Mancnberg in Anwendung. Man geht
in der Mitternachtsstunde auf den Boden, rafft hier so viele Holzscheite zusam¬
men, als man fassen kann und sieht, wieder unten angelangt, nach, ob sie sich
paaren, d. h. ob es eine gerade Zahl Scheite ist. Ist dies der Fall, so ver-
heirathet man sich noch in diesem Jahre. In der Gegend von Annaberg zieht
man während des Siebenuhrläutens aus einem Holzhausen -- am liebsten nicht
aus einem eigenen, sondern einem fremden -- ein Scheit heraus, und je nach¬
dem dasselbe gerade oder krumm ist, wird der Zukünftige wohlgewachsen oder
buckelig sein.

Ferner läßt man sich am Andreasabend vielfach die Karte schlagen, wo¬
gegen das Wahrsagen aus den Kaffeesatz im Gebirge nicht mehr vorzukommen
scheint. Desgleichen wird das Bleigießcn noch sehr häusig geübt, und zwar
pflegt man das flüssige Metall in der Regel durch den Ring eines Erbschlüsscls
in eine mit Wasser gefüllte Schüssel zu gießen. Der Spruch, der dazu gesprochen
wird, lautet: "Ich gieß mei Zinn und mei Blei, was wird mei Handwerk sei?"
Aus den entstehenden Figuren deuten die Bursche ihren zukünftigen Stand, die
Mädchen den ihres einstigen Gatten. Andere Neugierige legen am Andreas¬
abend verschiedene Gegenstände, gewöhnlich ein Stück Brot, ein Messer, ein
Glas, einen Nagel und einen Riemen auf den Tisch. Hieraus werden einer
Magd die Augen verbunden und die genannten Gegenstände verschoben, und
dann hat die Magd nach einem derselben zu greifen- Faßt sie dabei das Brot,
so heirathet sie nächstes Jahr einen Bäcker, saßt sie das Messer, so wird sie
Frau eines Schmiedes u. s. w. Oder man nimmt, wie in der Umgebung von
Zwönitz, neun Tassen und thut in die erste klares, in die zweite trübes Wasser,
in die dritte ein Kränzchen, in die vierte ein größeres, in die fünfte ein klei-
neres Spähnchen, in die sechste ein Geldstück, in die siebente Brot, in die achte
endlich ein Stück schwarzes Band. während die neunte leer bleibt. Hierauf
werden einem von der Gesellschaft die Augen verbunden, und er hat nach einer
der Tassen zu greifen. Je nachdem er's trifft, wird sich sein Schicksal im näch¬
sten Jahr gestalten. Erfaßt er die Tasse mit klarem Wasser, so wird er Freude
erleben, fallt seine Hand auf die mit trübem, so hat er Verdruß oder Krank¬
heit zu erwarten. Das Kränzchen bedeutet Gevatterschaft, das größere Spähn-
chen einen Mann oder eine Frau, das kleinere ein Kind, das Geldstück Reich¬
thum, das Brot keinen Mangel, das schwarze Band Trauer. Bei Manenberg
und Schina endlich herrscht unter den Mädchen die Sitte, daß sie am Andreas¬
abend die Buchstaben des Alphabets auf einzelne Zettel schreiben und sie beim


Grenzboten III. 18-i4. SO

selben mit den Worten: „Krähe der Hahn, so krieg' ich en Mann, gackert die
Herr', so krieg' ich noch kenn'." Meidet sich nun zuerst der Hahn, so macht Rike
oder Rosine noch in diesem Jahre Hochzeit, meldet sich eine Henne, so bleibt sie
noch ledig. Wieder eine andere Art, den Andreasabend mit seiner Beziehung
zur Zukunft auszubeuten, kommt bei Mancnberg in Anwendung. Man geht
in der Mitternachtsstunde auf den Boden, rafft hier so viele Holzscheite zusam¬
men, als man fassen kann und sieht, wieder unten angelangt, nach, ob sie sich
paaren, d. h. ob es eine gerade Zahl Scheite ist. Ist dies der Fall, so ver-
heirathet man sich noch in diesem Jahre. In der Gegend von Annaberg zieht
man während des Siebenuhrläutens aus einem Holzhausen — am liebsten nicht
aus einem eigenen, sondern einem fremden — ein Scheit heraus, und je nach¬
dem dasselbe gerade oder krumm ist, wird der Zukünftige wohlgewachsen oder
buckelig sein.

Ferner läßt man sich am Andreasabend vielfach die Karte schlagen, wo¬
gegen das Wahrsagen aus den Kaffeesatz im Gebirge nicht mehr vorzukommen
scheint. Desgleichen wird das Bleigießcn noch sehr häusig geübt, und zwar
pflegt man das flüssige Metall in der Regel durch den Ring eines Erbschlüsscls
in eine mit Wasser gefüllte Schüssel zu gießen. Der Spruch, der dazu gesprochen
wird, lautet: „Ich gieß mei Zinn und mei Blei, was wird mei Handwerk sei?"
Aus den entstehenden Figuren deuten die Bursche ihren zukünftigen Stand, die
Mädchen den ihres einstigen Gatten. Andere Neugierige legen am Andreas¬
abend verschiedene Gegenstände, gewöhnlich ein Stück Brot, ein Messer, ein
Glas, einen Nagel und einen Riemen auf den Tisch. Hieraus werden einer
Magd die Augen verbunden und die genannten Gegenstände verschoben, und
dann hat die Magd nach einem derselben zu greifen- Faßt sie dabei das Brot,
so heirathet sie nächstes Jahr einen Bäcker, saßt sie das Messer, so wird sie
Frau eines Schmiedes u. s. w. Oder man nimmt, wie in der Umgebung von
Zwönitz, neun Tassen und thut in die erste klares, in die zweite trübes Wasser,
in die dritte ein Kränzchen, in die vierte ein größeres, in die fünfte ein klei-
neres Spähnchen, in die sechste ein Geldstück, in die siebente Brot, in die achte
endlich ein Stück schwarzes Band. während die neunte leer bleibt. Hierauf
werden einem von der Gesellschaft die Augen verbunden, und er hat nach einer
der Tassen zu greifen. Je nachdem er's trifft, wird sich sein Schicksal im näch¬
sten Jahr gestalten. Erfaßt er die Tasse mit klarem Wasser, so wird er Freude
erleben, fallt seine Hand auf die mit trübem, so hat er Verdruß oder Krank¬
heit zu erwarten. Das Kränzchen bedeutet Gevatterschaft, das größere Spähn-
chen einen Mann oder eine Frau, das kleinere ein Kind, das Geldstück Reich¬
thum, das Brot keinen Mangel, das schwarze Band Trauer. Bei Manenberg
und Schina endlich herrscht unter den Mädchen die Sitte, daß sie am Andreas¬
abend die Buchstaben des Alphabets auf einzelne Zettel schreiben und sie beim


Grenzboten III. 18-i4. SO
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[0401] selben mit den Worten: „Krähe der Hahn, so krieg' ich en Mann, gackert die Herr', so krieg' ich noch kenn'." Meidet sich nun zuerst der Hahn, so macht Rike oder Rosine noch in diesem Jahre Hochzeit, meldet sich eine Henne, so bleibt sie noch ledig. Wieder eine andere Art, den Andreasabend mit seiner Beziehung zur Zukunft auszubeuten, kommt bei Mancnberg in Anwendung. Man geht in der Mitternachtsstunde auf den Boden, rafft hier so viele Holzscheite zusam¬ men, als man fassen kann und sieht, wieder unten angelangt, nach, ob sie sich paaren, d. h. ob es eine gerade Zahl Scheite ist. Ist dies der Fall, so ver- heirathet man sich noch in diesem Jahre. In der Gegend von Annaberg zieht man während des Siebenuhrläutens aus einem Holzhausen — am liebsten nicht aus einem eigenen, sondern einem fremden — ein Scheit heraus, und je nach¬ dem dasselbe gerade oder krumm ist, wird der Zukünftige wohlgewachsen oder buckelig sein. Ferner läßt man sich am Andreasabend vielfach die Karte schlagen, wo¬ gegen das Wahrsagen aus den Kaffeesatz im Gebirge nicht mehr vorzukommen scheint. Desgleichen wird das Bleigießcn noch sehr häusig geübt, und zwar pflegt man das flüssige Metall in der Regel durch den Ring eines Erbschlüsscls in eine mit Wasser gefüllte Schüssel zu gießen. Der Spruch, der dazu gesprochen wird, lautet: „Ich gieß mei Zinn und mei Blei, was wird mei Handwerk sei?" Aus den entstehenden Figuren deuten die Bursche ihren zukünftigen Stand, die Mädchen den ihres einstigen Gatten. Andere Neugierige legen am Andreas¬ abend verschiedene Gegenstände, gewöhnlich ein Stück Brot, ein Messer, ein Glas, einen Nagel und einen Riemen auf den Tisch. Hieraus werden einer Magd die Augen verbunden und die genannten Gegenstände verschoben, und dann hat die Magd nach einem derselben zu greifen- Faßt sie dabei das Brot, so heirathet sie nächstes Jahr einen Bäcker, saßt sie das Messer, so wird sie Frau eines Schmiedes u. s. w. Oder man nimmt, wie in der Umgebung von Zwönitz, neun Tassen und thut in die erste klares, in die zweite trübes Wasser, in die dritte ein Kränzchen, in die vierte ein größeres, in die fünfte ein klei- neres Spähnchen, in die sechste ein Geldstück, in die siebente Brot, in die achte endlich ein Stück schwarzes Band. während die neunte leer bleibt. Hierauf werden einem von der Gesellschaft die Augen verbunden, und er hat nach einer der Tassen zu greifen. Je nachdem er's trifft, wird sich sein Schicksal im näch¬ sten Jahr gestalten. Erfaßt er die Tasse mit klarem Wasser, so wird er Freude erleben, fallt seine Hand auf die mit trübem, so hat er Verdruß oder Krank¬ heit zu erwarten. Das Kränzchen bedeutet Gevatterschaft, das größere Spähn- chen einen Mann oder eine Frau, das kleinere ein Kind, das Geldstück Reich¬ thum, das Brot keinen Mangel, das schwarze Band Trauer. Bei Manenberg und Schina endlich herrscht unter den Mädchen die Sitte, daß sie am Andreas¬ abend die Buchstaben des Alphabets auf einzelne Zettel schreiben und sie beim Grenzboten III. 18-i4. SO

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/401>, abgerufen am 28.09.2024.