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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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hauseblciben oder einen Kriegszug befehlen, die Sitte gebietet, daß er augen¬
blicklich gehorcht.

Bei der ersten Erscheinung des Neumondes in jedem Monat schließt sich
der König und ebenso die Königin einen oder zwei Tage ein, um sich der Be¬
trachtung seines Mapembe oder Zauberhorns zu widmen, dasselbe neu zu arran-
giren und mit neuem farbigen Pulver zu füllen. Man kann dies seinen Sonn-
tagsgottcsdienst nennen. An jedem dritten Neumond scheeren sich am Hofe alle
vom König bis zu dem letzten Pagen herab die Köpfe. Der König behält nur
seinen Hahnenkamm quer über die Mitte des Kopfes, die Pagen lassen sich nur
zwei kvkardenartige Haarflecke, die übrigen Beamten nur eine Haarkokarde ent¬
weder hinten oder zu einer der beiden Seiten, je nach ihrem Amt und Titel,
stehen.

Nach Betrachtung des Zauberhorns begiebt sich der König mit seinem
Harem zum Baden in einen der benachbarten Weiher, dann macht er gewöhnlich
einen weiten Spaziergang, wobei die Hofkapelle lärmend voraufzieht und die
Damen des Harems, durch die Pagen von der männlichen Begleitung getrennt,
den Schluß des Zuges bilden. Bei diesen Ausflügen darf kein gewöhnlicher
Unterthan sich unterstehen, nach der königlichen Procession hinzublicken, wenn
er nicht sofort von den Pagen niedergesetzt und alles seines Besitzes beraubt
sein will.

Bisweilen giebt es auch Wallfahrten, namentlich zum Nyanza, wo dann
die Insel besucht wird, auf welcher Mgussa, der Gott dieses Sees, wohnt. Ein
Bild und einen Tempel hat dieser Geist der Nilquellen nicht, wohl aber einen
Vertreter und Offenbarer seines Willens in Gestalt eines Priesters oder Zau¬
berers, der auf der Insel -in einer mit mystischen Symbolen geschmückten Hütte
haust und hier dem König Orakel ertheilt. Speke sah ihn hier und erzählt
über ihn Folgendes:

"Er war 1a Wichwezi (Zauberer) gekleidet, mit einer kleinen Ziegenfell-
schürze und zahlreichen Amuletten behängen und gebrauchte ein Ruder als
Scepter oder Spazierstock. Kein alter Mann, obwohl er es zu sein affectirte,
ging er sehr langsam und bedächtig, hüstelte asthmatisch, zwinkerte mit den
Augen und murmelte vor sich hin wie eine Hexe. Mit geheuchelter Anstrengung
ließ er sich am Ende der Hütte neben den dort angebrachten mystischen Zeichen
nieder und fuhr eine volle halbe Stunde zu husten fort, bis seine Frau in
gleicher Weise ohne ein Wort zu sagen kam und ihm düfteln half. Der König
sah mich lächelnd an, dann abwechselnd diese wunderlichen Geschöpfe, als
wollte er fragen : "Was denkst Du über sie?" Kein Laut war zu hören als die
Stimme der alten Frau, die wie ein Frosch nach Wasser krächzte, und als es
gebracht wurde, von Neuem krächzte, es müsse wieder fortgebracht werden,
weil es nicht vom reinsten des Sees wäre. Nachdem sie die Lippen mit einem


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hauseblciben oder einen Kriegszug befehlen, die Sitte gebietet, daß er augen¬
blicklich gehorcht.

Bei der ersten Erscheinung des Neumondes in jedem Monat schließt sich
der König und ebenso die Königin einen oder zwei Tage ein, um sich der Be¬
trachtung seines Mapembe oder Zauberhorns zu widmen, dasselbe neu zu arran-
giren und mit neuem farbigen Pulver zu füllen. Man kann dies seinen Sonn-
tagsgottcsdienst nennen. An jedem dritten Neumond scheeren sich am Hofe alle
vom König bis zu dem letzten Pagen herab die Köpfe. Der König behält nur
seinen Hahnenkamm quer über die Mitte des Kopfes, die Pagen lassen sich nur
zwei kvkardenartige Haarflecke, die übrigen Beamten nur eine Haarkokarde ent¬
weder hinten oder zu einer der beiden Seiten, je nach ihrem Amt und Titel,
stehen.

Nach Betrachtung des Zauberhorns begiebt sich der König mit seinem
Harem zum Baden in einen der benachbarten Weiher, dann macht er gewöhnlich
einen weiten Spaziergang, wobei die Hofkapelle lärmend voraufzieht und die
Damen des Harems, durch die Pagen von der männlichen Begleitung getrennt,
den Schluß des Zuges bilden. Bei diesen Ausflügen darf kein gewöhnlicher
Unterthan sich unterstehen, nach der königlichen Procession hinzublicken, wenn
er nicht sofort von den Pagen niedergesetzt und alles seines Besitzes beraubt
sein will.

Bisweilen giebt es auch Wallfahrten, namentlich zum Nyanza, wo dann
die Insel besucht wird, auf welcher Mgussa, der Gott dieses Sees, wohnt. Ein
Bild und einen Tempel hat dieser Geist der Nilquellen nicht, wohl aber einen
Vertreter und Offenbarer seines Willens in Gestalt eines Priesters oder Zau¬
berers, der auf der Insel -in einer mit mystischen Symbolen geschmückten Hütte
haust und hier dem König Orakel ertheilt. Speke sah ihn hier und erzählt
über ihn Folgendes:

„Er war 1a Wichwezi (Zauberer) gekleidet, mit einer kleinen Ziegenfell-
schürze und zahlreichen Amuletten behängen und gebrauchte ein Ruder als
Scepter oder Spazierstock. Kein alter Mann, obwohl er es zu sein affectirte,
ging er sehr langsam und bedächtig, hüstelte asthmatisch, zwinkerte mit den
Augen und murmelte vor sich hin wie eine Hexe. Mit geheuchelter Anstrengung
ließ er sich am Ende der Hütte neben den dort angebrachten mystischen Zeichen
nieder und fuhr eine volle halbe Stunde zu husten fort, bis seine Frau in
gleicher Weise ohne ein Wort zu sagen kam und ihm düfteln half. Der König
sah mich lächelnd an, dann abwechselnd diese wunderlichen Geschöpfe, als
wollte er fragen : „Was denkst Du über sie?" Kein Laut war zu hören als die
Stimme der alten Frau, die wie ein Frosch nach Wasser krächzte, und als es
gebracht wurde, von Neuem krächzte, es müsse wieder fortgebracht werden,
weil es nicht vom reinsten des Sees wäre. Nachdem sie die Lippen mit einem


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[0395] hauseblciben oder einen Kriegszug befehlen, die Sitte gebietet, daß er augen¬ blicklich gehorcht. Bei der ersten Erscheinung des Neumondes in jedem Monat schließt sich der König und ebenso die Königin einen oder zwei Tage ein, um sich der Be¬ trachtung seines Mapembe oder Zauberhorns zu widmen, dasselbe neu zu arran- giren und mit neuem farbigen Pulver zu füllen. Man kann dies seinen Sonn- tagsgottcsdienst nennen. An jedem dritten Neumond scheeren sich am Hofe alle vom König bis zu dem letzten Pagen herab die Köpfe. Der König behält nur seinen Hahnenkamm quer über die Mitte des Kopfes, die Pagen lassen sich nur zwei kvkardenartige Haarflecke, die übrigen Beamten nur eine Haarkokarde ent¬ weder hinten oder zu einer der beiden Seiten, je nach ihrem Amt und Titel, stehen. Nach Betrachtung des Zauberhorns begiebt sich der König mit seinem Harem zum Baden in einen der benachbarten Weiher, dann macht er gewöhnlich einen weiten Spaziergang, wobei die Hofkapelle lärmend voraufzieht und die Damen des Harems, durch die Pagen von der männlichen Begleitung getrennt, den Schluß des Zuges bilden. Bei diesen Ausflügen darf kein gewöhnlicher Unterthan sich unterstehen, nach der königlichen Procession hinzublicken, wenn er nicht sofort von den Pagen niedergesetzt und alles seines Besitzes beraubt sein will. Bisweilen giebt es auch Wallfahrten, namentlich zum Nyanza, wo dann die Insel besucht wird, auf welcher Mgussa, der Gott dieses Sees, wohnt. Ein Bild und einen Tempel hat dieser Geist der Nilquellen nicht, wohl aber einen Vertreter und Offenbarer seines Willens in Gestalt eines Priesters oder Zau¬ berers, der auf der Insel -in einer mit mystischen Symbolen geschmückten Hütte haust und hier dem König Orakel ertheilt. Speke sah ihn hier und erzählt über ihn Folgendes: „Er war 1a Wichwezi (Zauberer) gekleidet, mit einer kleinen Ziegenfell- schürze und zahlreichen Amuletten behängen und gebrauchte ein Ruder als Scepter oder Spazierstock. Kein alter Mann, obwohl er es zu sein affectirte, ging er sehr langsam und bedächtig, hüstelte asthmatisch, zwinkerte mit den Augen und murmelte vor sich hin wie eine Hexe. Mit geheuchelter Anstrengung ließ er sich am Ende der Hütte neben den dort angebrachten mystischen Zeichen nieder und fuhr eine volle halbe Stunde zu husten fort, bis seine Frau in gleicher Weise ohne ein Wort zu sagen kam und ihm düfteln half. Der König sah mich lächelnd an, dann abwechselnd diese wunderlichen Geschöpfe, als wollte er fragen : „Was denkst Du über sie?" Kein Laut war zu hören als die Stimme der alten Frau, die wie ein Frosch nach Wasser krächzte, und als es gebracht wurde, von Neuem krächzte, es müsse wieder fortgebracht werden, weil es nicht vom reinsten des Sees wäre. Nachdem sie die Lippen mit einem 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/395>, abgerufen am 28.09.2024.