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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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mal zeigte, wie übel die Frauen des Königs gestellt waren. Man wandelte
vergnügt unter den schönen Bäumen der Insel und pflückte sich Früchte, bis
durch einen unglücklichen Zufall ein trauriges Intermezzo herbeigeführt wurde.
Eine der Haremsfrauen, ein reizendes junges Geschöpf, bot dem König eine
von ihr gepflückte Frucht an. ohne Zweifel, um ihm zu gefallen. Er aber
gerieth sofort in Wuth, schrie, das sei das erste Mal, daß man ihm Derartiges
zumuthe und befahl den Pagen, die Dame zu packen, zu binden und zur
Hinrichtung zu führen. Augenblicklich sielen die kleinen Kerle wie eine
Schaar gierige Geier über sie her, sie suchte sich ihrer zu erwehren, rief
Speke und den Premierminister um Schutz an, wurde aber überwältigt.
Lubuga, die Favoritin Mtesas. und alle übrigen Frauen baten knieend um
Verzeihung für ihre Schwester. Der König aber wurde nur noch rasender, er¬
griff einen schweren Knittel und begann damit den Kops des armen Opfers
zu bearbeiten. Speke hatte bis dahin niemals in die Gewaltacte Mtesaö ein¬
zugreifen gewagt. Dies war ihm indeß zuviel, er sprang auf den Wüthrich zu.
ergriff seinen Arm und bat um das Leben der Frau. Natürlich lief er dabei
Gefahr, sein eignes zu verlieren, indeß die Laune Mtesas war ihm günstig.
Die Neuheit der Einmischung machte diesen lachen, und die Frau wurde be¬
gnadigt.

Wie diese grauenvolle Despotie sich ausbildete, wird im ersten Bande
erzählt. Bor achtzehn Generationen kam aus dem Lande Unyorv ein Mann
Namens Uganda an den See, um an dessen Ufern zu jagen. Er war arm,
aber auf der Jagd so glücklich, daß ihm eine Menge der Wiru, des dortigen
Volksstammes, welcher bis dahin dem König von Unyoro zinsbar gewesen, des
Fleisches wegen zulief. Bald gewannen ihn diese so lieb, daß sie ihn baten,
ihr König zu sein; "denn," sagten sie, "was nützt uns unser jetziger König,
der so weit wegwvhnt, daß die Kuh, die wir ihm als Tribut schicken, unterwegs
kalbt, das Kalb zur Kuh wird und es ein zweites Kalb giebt, bevor das Ge¬
schenk seine Bestimmung erreicht?" Erst zögerte Uganda, endlich willigte er ein,
und das Land der Wiru hieß fortan nach ihm Uganda, während er als dessen
König den Namen Kimera annahm. Kimera ist, wie man sieht, ein fabelhafter
Heros des Landes. Noch jetzt zeigt man den Stein, auf welchem er in der
Nacht nach seiner Erwählung mit seinem Speer, seiner Frau und seinem Hunde
stand, und wo er den Eindruck seines Speerschafts und der Füße der Frau
und des Hundes zurückließ. Er wurde bald, so erzählt die Sage weiter, stolz
und übermüthig. Er baute sich einen großen Palast mit einem Thron von
Gras, welches fortan niemand als er und seine Nachfolger zum Sitzen benutzen
durfte, schaffte sich einen zahlreichen Harem an, umgab sich mit vielen Beamten,
bildete eine Armee und eine Flotte und gab strenge Gesetze, auf deren Verletzung
Todesstrafe stand. Auch die peinliche Hvfctiquette soll von ihm stammen. Seine


mal zeigte, wie übel die Frauen des Königs gestellt waren. Man wandelte
vergnügt unter den schönen Bäumen der Insel und pflückte sich Früchte, bis
durch einen unglücklichen Zufall ein trauriges Intermezzo herbeigeführt wurde.
Eine der Haremsfrauen, ein reizendes junges Geschöpf, bot dem König eine
von ihr gepflückte Frucht an. ohne Zweifel, um ihm zu gefallen. Er aber
gerieth sofort in Wuth, schrie, das sei das erste Mal, daß man ihm Derartiges
zumuthe und befahl den Pagen, die Dame zu packen, zu binden und zur
Hinrichtung zu führen. Augenblicklich sielen die kleinen Kerle wie eine
Schaar gierige Geier über sie her, sie suchte sich ihrer zu erwehren, rief
Speke und den Premierminister um Schutz an, wurde aber überwältigt.
Lubuga, die Favoritin Mtesas. und alle übrigen Frauen baten knieend um
Verzeihung für ihre Schwester. Der König aber wurde nur noch rasender, er¬
griff einen schweren Knittel und begann damit den Kops des armen Opfers
zu bearbeiten. Speke hatte bis dahin niemals in die Gewaltacte Mtesaö ein¬
zugreifen gewagt. Dies war ihm indeß zuviel, er sprang auf den Wüthrich zu.
ergriff seinen Arm und bat um das Leben der Frau. Natürlich lief er dabei
Gefahr, sein eignes zu verlieren, indeß die Laune Mtesas war ihm günstig.
Die Neuheit der Einmischung machte diesen lachen, und die Frau wurde be¬
gnadigt.

Wie diese grauenvolle Despotie sich ausbildete, wird im ersten Bande
erzählt. Bor achtzehn Generationen kam aus dem Lande Unyorv ein Mann
Namens Uganda an den See, um an dessen Ufern zu jagen. Er war arm,
aber auf der Jagd so glücklich, daß ihm eine Menge der Wiru, des dortigen
Volksstammes, welcher bis dahin dem König von Unyoro zinsbar gewesen, des
Fleisches wegen zulief. Bald gewannen ihn diese so lieb, daß sie ihn baten,
ihr König zu sein; „denn," sagten sie, „was nützt uns unser jetziger König,
der so weit wegwvhnt, daß die Kuh, die wir ihm als Tribut schicken, unterwegs
kalbt, das Kalb zur Kuh wird und es ein zweites Kalb giebt, bevor das Ge¬
schenk seine Bestimmung erreicht?" Erst zögerte Uganda, endlich willigte er ein,
und das Land der Wiru hieß fortan nach ihm Uganda, während er als dessen
König den Namen Kimera annahm. Kimera ist, wie man sieht, ein fabelhafter
Heros des Landes. Noch jetzt zeigt man den Stein, auf welchem er in der
Nacht nach seiner Erwählung mit seinem Speer, seiner Frau und seinem Hunde
stand, und wo er den Eindruck seines Speerschafts und der Füße der Frau
und des Hundes zurückließ. Er wurde bald, so erzählt die Sage weiter, stolz
und übermüthig. Er baute sich einen großen Palast mit einem Thron von
Gras, welches fortan niemand als er und seine Nachfolger zum Sitzen benutzen
durfte, schaffte sich einen zahlreichen Harem an, umgab sich mit vielen Beamten,
bildete eine Armee und eine Flotte und gab strenge Gesetze, auf deren Verletzung
Todesstrafe stand. Auch die peinliche Hvfctiquette soll von ihm stammen. Seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/389>, abgerufen am 28.09.2024.