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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Scheffer, eine feine und zarte, seelische Künstlernatur, edel in seinem Empfinden
wie in seiner Formengebung, von einer auf ziemlich eng umgrenzte Kreise
beschränkten Phantasie, elegisch, die Körper vergeistigend, oft bis zur fleisch- und
marklosen Transparenz und, damit in natürlichem nothwendigen Zusammen¬
hang, ein Maler, dessen Farbe mit der Realität der Dinge wenig gemein hat,
sondern erst eigentlich aus des Künstlers transccndirendem Geist geboren er¬
scheint. Die nahen persönlichen Beziehungen Scheffers zur königlichen Familie
trugen dazu bei, seinem Namen damals noch mehr Relief zu geben, als es sei¬
ner Art und Kunst nach, trotz ihrer Distinction, eigentlich zu erwarten war.
Wenn der eigenthümliche fast ideale Nimbus, welcher gerade diese Malergestalt
(nur von dem Maler und nicht von dem edlen reinen Menschen soll das gel¬
ten) eine Zeit lang umgab, schneller und gründlicher als der seiner Genossen
erblassen sollte, so wird man die Zeit deshalb nicht so ganz der Ungerechtigkeit
anklagen können. Fast allen hier Genannten in strenger Abgeschlossenheit, man¬
chem in entschiedenstem feindlichem Widerspruch gegenüber steht Ingres, den die
Seinigen mit hohem Stolz als den Vertreter des ewigen Ideals, der wahrhaft
classischen Formenreine, des Adels der Linie, als den Hüter der reinen heiligen
Flamme in einer langen Periode der Verwilderung feierten und heute noch
preisen. Die wüthenden Angriffe der immer mächtiger werdenden Gegenpartei
konnten ihm damals schon diesen Ruhm nicht verkleinern, und ihm ist das seltne
Glück geworden, nachdem sich diese wilden Wogen verlaufen, letzteren an seinem
späten Lebensabend noch zu immer allgemeinerer Anerkennung unter einem neuen
Geschlecht gelangen, seine Principien vielfach glänzend triumphiren zu sehn und
obenein in gesundem ehrenvollen Alter jene ganze Generation von zum Theil
feindlichen Kunstgenossen zu überleben. Letzteres Geschick theilen mit ihm zwei,
damals den hier genannten Größen ein wenig subordinirte, außerordentlich tüch¬
tige Meister Coignet und Couder. Ganz gegen das Ende jener Periode, 1847,
tritt dann noch ein jüngeres bedeutendes Talent mit vielem Pomp und Ge¬
räusch auf, Couturc, zu großer Ueberraschung auf neuen oder wenigstens lange
gemiedncn Wegen vordringend, der Romantik und dem Realismus des Tages
den antiken Stoff und die Malerei des schönen Nackten gegenüberstellend. Nen¬
nen wir zu diesen die Genre- und Landschaftsmaler, wie Jsabey, Roqueplan,
Biard, Baron Mutter, Rousseau, Francais :c. (womit die Reihe hervorragender
Meisternamen keineswegs erschöpft ist), so haben wir einen ungefähren Ueberblick
über den nationalen Besitz malerischer Kraft, welchen die Republik und das
Empire von der vorangegangenen Periode erbte. Sehen wir, zu welchen neuen
Bildungen diese sich in der damit beginnenden neuen Epoche Frankreichs seit¬
her entwickelt hat.




Scheffer, eine feine und zarte, seelische Künstlernatur, edel in seinem Empfinden
wie in seiner Formengebung, von einer auf ziemlich eng umgrenzte Kreise
beschränkten Phantasie, elegisch, die Körper vergeistigend, oft bis zur fleisch- und
marklosen Transparenz und, damit in natürlichem nothwendigen Zusammen¬
hang, ein Maler, dessen Farbe mit der Realität der Dinge wenig gemein hat,
sondern erst eigentlich aus des Künstlers transccndirendem Geist geboren er¬
scheint. Die nahen persönlichen Beziehungen Scheffers zur königlichen Familie
trugen dazu bei, seinem Namen damals noch mehr Relief zu geben, als es sei¬
ner Art und Kunst nach, trotz ihrer Distinction, eigentlich zu erwarten war.
Wenn der eigenthümliche fast ideale Nimbus, welcher gerade diese Malergestalt
(nur von dem Maler und nicht von dem edlen reinen Menschen soll das gel¬
ten) eine Zeit lang umgab, schneller und gründlicher als der seiner Genossen
erblassen sollte, so wird man die Zeit deshalb nicht so ganz der Ungerechtigkeit
anklagen können. Fast allen hier Genannten in strenger Abgeschlossenheit, man¬
chem in entschiedenstem feindlichem Widerspruch gegenüber steht Ingres, den die
Seinigen mit hohem Stolz als den Vertreter des ewigen Ideals, der wahrhaft
classischen Formenreine, des Adels der Linie, als den Hüter der reinen heiligen
Flamme in einer langen Periode der Verwilderung feierten und heute noch
preisen. Die wüthenden Angriffe der immer mächtiger werdenden Gegenpartei
konnten ihm damals schon diesen Ruhm nicht verkleinern, und ihm ist das seltne
Glück geworden, nachdem sich diese wilden Wogen verlaufen, letzteren an seinem
späten Lebensabend noch zu immer allgemeinerer Anerkennung unter einem neuen
Geschlecht gelangen, seine Principien vielfach glänzend triumphiren zu sehn und
obenein in gesundem ehrenvollen Alter jene ganze Generation von zum Theil
feindlichen Kunstgenossen zu überleben. Letzteres Geschick theilen mit ihm zwei,
damals den hier genannten Größen ein wenig subordinirte, außerordentlich tüch¬
tige Meister Coignet und Couder. Ganz gegen das Ende jener Periode, 1847,
tritt dann noch ein jüngeres bedeutendes Talent mit vielem Pomp und Ge¬
räusch auf, Couturc, zu großer Ueberraschung auf neuen oder wenigstens lange
gemiedncn Wegen vordringend, der Romantik und dem Realismus des Tages
den antiken Stoff und die Malerei des schönen Nackten gegenüberstellend. Nen¬
nen wir zu diesen die Genre- und Landschaftsmaler, wie Jsabey, Roqueplan,
Biard, Baron Mutter, Rousseau, Francais :c. (womit die Reihe hervorragender
Meisternamen keineswegs erschöpft ist), so haben wir einen ungefähren Ueberblick
über den nationalen Besitz malerischer Kraft, welchen die Republik und das
Empire von der vorangegangenen Periode erbte. Sehen wir, zu welchen neuen
Bildungen diese sich in der damit beginnenden neuen Epoche Frankreichs seit¬
her entwickelt hat.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/375>, abgerufen am 28.09.2024.