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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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sich zu bethätigen: Kirchenbauten, Privatauftrage. Schmückung öffentlicher Ge¬
bäude und eine seiner größten derartigen Unternehmungen, die Umwandlung
des versailler Schlosses in ein Museum der den französischen Nuhm verherr¬
lichenden Sculptur und Malerei. Bei der Ausführung dieses königlichen Plans
wurde freilich hastig und äußerlich genug verfahren, und eine Fluth von theils
oberflächlich decorativer. theils ganz schlechten, geistlosen und mittelmäßigen
Gemälden ergoß sich in die für sie geöffneten Säle. Aber es wurde doch auch
hier die Uebung an großen Gegenständen wach gehalten; das Handgeschick, die
Fähigkeit der malerischen Beherrschung großer Flächen, das Verständniß in der
Behandlung mächtiger Farbe- und Lichtwirkungen -- allen diesen hochwichtigen
Seiten der Malerei wurde gleichzeitig dadurch Raum und Gelegenheit zu im¬
mer reicherer Ausbildung gegeben, in welcher die Franzosen, unterstützt durch die
ihnen natürliche praktische Anlage hierfür, denn auch bald unter allen kunst¬
übenden modernen Völkern unbestritten die Ersten geworden sind.

Es wird heute von Seiten der französischen Kritik und der Künstlerschaft
selbst mit einer hochmüthigen und selbstgefälligen Geringachtung auf diese glän¬
zende Periode französischer Malerei hingesehen, zu der die. welche sie zur Schau
tragen, gewiß eine sehr geringe Berechtigung haben. Zumal die beiden damals
gefeiertsten Namen, Delaroche und Horace Vernet sollen nun jedes Anspruchs
auf die künstlerische Bedeutung, die ihre Zeitgenossen ihnen zusprachen, ledig
und unwerth sein. Sie können es ertragen; und wenn auch ihre Schöpfun¬
gen nicht mit dem Maßstab eines höchsten und idealen Kunstbegriffs gemessen
sein wollen, so wird ihnen das Tüchtige, Gesunde und Ernste, was in ihnen
steckt, wohl eine längere Lebensdauer, eine größere Wichtigkeit in der franzö¬
sischen Kunst und eine bedeutendere Stellung in deren Geschichte sichern, als
sie der Mehrzahl der Werke ihrer heutigen Verächter beschieden sind.

Horace Vernet war der rechte Mann nach dem Herzen Louis Philipps.
Dem hastigen Verlangen des Königs nach schleunigster Ausführung seiner künst¬
lerischen Wünsche entsprach seine außerordentliche schöpferische Kraft und die
unerhörte Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit seines Pinsels. Nie hat es
einen so fleißigen, noch einen so treuen malerischen Chronisten seiner eigenen
Zeit gegeben als ihn. Die ganze Schule derjenigen in Frankreich wie außer¬
halb, welche die Geschichte, die Ereignisse der Gegenwart zu ihrer malerischen
Aufgabe wählen, geht von ihm aus und zeigt in Allem, was sie Tüchtiges schafft,
noch immer die deutlichen Spuren seines Einflusses. Und außerdem dankt ihm die
französische Malerei die künstlerische Eröffnung des Orients, die Eroberung dieser
malerisch so reichen Welt als BUdstoff. Delaroche dagegen ist mit ernstem und
durchdringendem Blick vvrzugsweis auf die Geschichte der Vergangenheit gerichtet,
deren Menschen und Sitten, deren furchtbare Thaten und charakteristische Scenen
er oft genug zu einem so innerlich wahren und glaubhaften, dem Geist und


sich zu bethätigen: Kirchenbauten, Privatauftrage. Schmückung öffentlicher Ge¬
bäude und eine seiner größten derartigen Unternehmungen, die Umwandlung
des versailler Schlosses in ein Museum der den französischen Nuhm verherr¬
lichenden Sculptur und Malerei. Bei der Ausführung dieses königlichen Plans
wurde freilich hastig und äußerlich genug verfahren, und eine Fluth von theils
oberflächlich decorativer. theils ganz schlechten, geistlosen und mittelmäßigen
Gemälden ergoß sich in die für sie geöffneten Säle. Aber es wurde doch auch
hier die Uebung an großen Gegenständen wach gehalten; das Handgeschick, die
Fähigkeit der malerischen Beherrschung großer Flächen, das Verständniß in der
Behandlung mächtiger Farbe- und Lichtwirkungen — allen diesen hochwichtigen
Seiten der Malerei wurde gleichzeitig dadurch Raum und Gelegenheit zu im¬
mer reicherer Ausbildung gegeben, in welcher die Franzosen, unterstützt durch die
ihnen natürliche praktische Anlage hierfür, denn auch bald unter allen kunst¬
übenden modernen Völkern unbestritten die Ersten geworden sind.

Es wird heute von Seiten der französischen Kritik und der Künstlerschaft
selbst mit einer hochmüthigen und selbstgefälligen Geringachtung auf diese glän¬
zende Periode französischer Malerei hingesehen, zu der die. welche sie zur Schau
tragen, gewiß eine sehr geringe Berechtigung haben. Zumal die beiden damals
gefeiertsten Namen, Delaroche und Horace Vernet sollen nun jedes Anspruchs
auf die künstlerische Bedeutung, die ihre Zeitgenossen ihnen zusprachen, ledig
und unwerth sein. Sie können es ertragen; und wenn auch ihre Schöpfun¬
gen nicht mit dem Maßstab eines höchsten und idealen Kunstbegriffs gemessen
sein wollen, so wird ihnen das Tüchtige, Gesunde und Ernste, was in ihnen
steckt, wohl eine längere Lebensdauer, eine größere Wichtigkeit in der franzö¬
sischen Kunst und eine bedeutendere Stellung in deren Geschichte sichern, als
sie der Mehrzahl der Werke ihrer heutigen Verächter beschieden sind.

Horace Vernet war der rechte Mann nach dem Herzen Louis Philipps.
Dem hastigen Verlangen des Königs nach schleunigster Ausführung seiner künst¬
lerischen Wünsche entsprach seine außerordentliche schöpferische Kraft und die
unerhörte Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit seines Pinsels. Nie hat es
einen so fleißigen, noch einen so treuen malerischen Chronisten seiner eigenen
Zeit gegeben als ihn. Die ganze Schule derjenigen in Frankreich wie außer¬
halb, welche die Geschichte, die Ereignisse der Gegenwart zu ihrer malerischen
Aufgabe wählen, geht von ihm aus und zeigt in Allem, was sie Tüchtiges schafft,
noch immer die deutlichen Spuren seines Einflusses. Und außerdem dankt ihm die
französische Malerei die künstlerische Eröffnung des Orients, die Eroberung dieser
malerisch so reichen Welt als BUdstoff. Delaroche dagegen ist mit ernstem und
durchdringendem Blick vvrzugsweis auf die Geschichte der Vergangenheit gerichtet,
deren Menschen und Sitten, deren furchtbare Thaten und charakteristische Scenen
er oft genug zu einem so innerlich wahren und glaubhaften, dem Geist und


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[0373] sich zu bethätigen: Kirchenbauten, Privatauftrage. Schmückung öffentlicher Ge¬ bäude und eine seiner größten derartigen Unternehmungen, die Umwandlung des versailler Schlosses in ein Museum der den französischen Nuhm verherr¬ lichenden Sculptur und Malerei. Bei der Ausführung dieses königlichen Plans wurde freilich hastig und äußerlich genug verfahren, und eine Fluth von theils oberflächlich decorativer. theils ganz schlechten, geistlosen und mittelmäßigen Gemälden ergoß sich in die für sie geöffneten Säle. Aber es wurde doch auch hier die Uebung an großen Gegenständen wach gehalten; das Handgeschick, die Fähigkeit der malerischen Beherrschung großer Flächen, das Verständniß in der Behandlung mächtiger Farbe- und Lichtwirkungen — allen diesen hochwichtigen Seiten der Malerei wurde gleichzeitig dadurch Raum und Gelegenheit zu im¬ mer reicherer Ausbildung gegeben, in welcher die Franzosen, unterstützt durch die ihnen natürliche praktische Anlage hierfür, denn auch bald unter allen kunst¬ übenden modernen Völkern unbestritten die Ersten geworden sind. Es wird heute von Seiten der französischen Kritik und der Künstlerschaft selbst mit einer hochmüthigen und selbstgefälligen Geringachtung auf diese glän¬ zende Periode französischer Malerei hingesehen, zu der die. welche sie zur Schau tragen, gewiß eine sehr geringe Berechtigung haben. Zumal die beiden damals gefeiertsten Namen, Delaroche und Horace Vernet sollen nun jedes Anspruchs auf die künstlerische Bedeutung, die ihre Zeitgenossen ihnen zusprachen, ledig und unwerth sein. Sie können es ertragen; und wenn auch ihre Schöpfun¬ gen nicht mit dem Maßstab eines höchsten und idealen Kunstbegriffs gemessen sein wollen, so wird ihnen das Tüchtige, Gesunde und Ernste, was in ihnen steckt, wohl eine längere Lebensdauer, eine größere Wichtigkeit in der franzö¬ sischen Kunst und eine bedeutendere Stellung in deren Geschichte sichern, als sie der Mehrzahl der Werke ihrer heutigen Verächter beschieden sind. Horace Vernet war der rechte Mann nach dem Herzen Louis Philipps. Dem hastigen Verlangen des Königs nach schleunigster Ausführung seiner künst¬ lerischen Wünsche entsprach seine außerordentliche schöpferische Kraft und die unerhörte Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit seines Pinsels. Nie hat es einen so fleißigen, noch einen so treuen malerischen Chronisten seiner eigenen Zeit gegeben als ihn. Die ganze Schule derjenigen in Frankreich wie außer¬ halb, welche die Geschichte, die Ereignisse der Gegenwart zu ihrer malerischen Aufgabe wählen, geht von ihm aus und zeigt in Allem, was sie Tüchtiges schafft, noch immer die deutlichen Spuren seines Einflusses. Und außerdem dankt ihm die französische Malerei die künstlerische Eröffnung des Orients, die Eroberung dieser malerisch so reichen Welt als BUdstoff. Delaroche dagegen ist mit ernstem und durchdringendem Blick vvrzugsweis auf die Geschichte der Vergangenheit gerichtet, deren Menschen und Sitten, deren furchtbare Thaten und charakteristische Scenen er oft genug zu einem so innerlich wahren und glaubhaften, dem Geist und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/373>, abgerufen am 28.09.2024.