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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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unbewegliches Material nach der günstigsten Schätzung gegenwärtig nur einen
Werth von etwa sechsundzwanzig Millionen Gulden besitzt, und die jährlich
nur dreizehn Millionen in Anspruch nimmt, bei allen andern Gelegenheiten,
z. B. 1854 bei der Costa-Affaire in Smyrna, 1889 im adriatischen Meere und
auf dem Lagomaggiore, nur Fiasco gemacht oder sich bei Zeiten aus dem
Spiele gezogen hat!

Sehr zweifelhaft ist. ob, selbst wenn sich die Mittel dazu vorfinden sollten,
das bereits erwähnte Programm der Vergrößerung der östreichischen Marine
auch nur annähernd eingehalten werden wird, da man jetzt nur nach einer
Vermehrung der Panzerschiffe strebt und alle Anstrengungen und alle verfüg¬
baren Mittel lediglich diesem einen Ziele zuwendet. Es ist dieser Wechsel in der
leitenden Ansicht überhaupt die Ursache der verkümmerten Entwicklung und
des stets unbefriedigender Zustandes der östreichischen Flotte. Zuerst wollte man
eine starke Segelflottc, hierauf recht viele schnellfahrende Dampfer, dann lauter
Propeller und jetzt wieder nur Panzerschiffe, dabei aber ging man immer zu
dem Andern über, bevor man noch das Erste gut ausgebildet und von den
dafür mit großen Kosten ins Leben gerufenen und nun dem Verfalle gewid¬
meten Einrichtungen auch nur den mindesten Nutzen gezogen hatte. Man wollte
alles und erreichte darum fast nichts.

Das Personal der östreichischen Marine ist, obgleich der Kopfzahl nach
sehr ansehnlich, eben nur für die Bemannung der Hälfte-der seetüchtigen Schiffe
ausreichend, und es nehmen auch hier, sowie bei der Landarmee die Ausgaben
für die Nichtstreitenden einen unverhältnißmäßig großen Theil des Gesammt-
budgets in Anspruch.

Die eigentlichen Marinetruppen und Marineoffiziere, welche aus dem
Maunestab oder den Schiffsosfizieren, dem Matrosencvrps, dem Marine-In¬
fanterieregiment, dem Manne-Zeugcorps oder der Schiffsartillerie und den
Maschinisten besteht, zählen hochgerechnet kaum 5000 Mann, während der ge-
sammte Personalstand der Marine mindestens aus 8000 Individuen besteht.
Dabei ist jedoch noch zu bemerken, daß von dem angeführten Truppenstande
gewöhnlich mindestens der vierte Theil beurlaubt ist und nur im Falle eines
Krieges oder größerer Seeexveditioncn einberufen wird, während das Admini¬
strationspersonal zu jeder Zeit vollzählig erhalten wird. Da nun aber auch
unter den zum eigentlichen Schiffsdienste Bestimmter viele nicht Streitbare oder
aus verschiedenen Gründen selten zur Verwendung Kommende sich befinden,
so erscheint die Behauptung, daß in der östreichischen Marine unter gewöhn¬
lichen Umständen auf jeden wirklichen Seemann ein Beamter oder ein Undienst¬
barer komme, nicht übertrieben.

Und die Dienste, welche dieses unerhört starke und selbstverständlich höchst
kostspielige Personal leistet, sind zweifelhafter Natur. Die Rechnungs- und


unbewegliches Material nach der günstigsten Schätzung gegenwärtig nur einen
Werth von etwa sechsundzwanzig Millionen Gulden besitzt, und die jährlich
nur dreizehn Millionen in Anspruch nimmt, bei allen andern Gelegenheiten,
z. B. 1854 bei der Costa-Affaire in Smyrna, 1889 im adriatischen Meere und
auf dem Lagomaggiore, nur Fiasco gemacht oder sich bei Zeiten aus dem
Spiele gezogen hat!

Sehr zweifelhaft ist. ob, selbst wenn sich die Mittel dazu vorfinden sollten,
das bereits erwähnte Programm der Vergrößerung der östreichischen Marine
auch nur annähernd eingehalten werden wird, da man jetzt nur nach einer
Vermehrung der Panzerschiffe strebt und alle Anstrengungen und alle verfüg¬
baren Mittel lediglich diesem einen Ziele zuwendet. Es ist dieser Wechsel in der
leitenden Ansicht überhaupt die Ursache der verkümmerten Entwicklung und
des stets unbefriedigender Zustandes der östreichischen Flotte. Zuerst wollte man
eine starke Segelflottc, hierauf recht viele schnellfahrende Dampfer, dann lauter
Propeller und jetzt wieder nur Panzerschiffe, dabei aber ging man immer zu
dem Andern über, bevor man noch das Erste gut ausgebildet und von den
dafür mit großen Kosten ins Leben gerufenen und nun dem Verfalle gewid¬
meten Einrichtungen auch nur den mindesten Nutzen gezogen hatte. Man wollte
alles und erreichte darum fast nichts.

Das Personal der östreichischen Marine ist, obgleich der Kopfzahl nach
sehr ansehnlich, eben nur für die Bemannung der Hälfte-der seetüchtigen Schiffe
ausreichend, und es nehmen auch hier, sowie bei der Landarmee die Ausgaben
für die Nichtstreitenden einen unverhältnißmäßig großen Theil des Gesammt-
budgets in Anspruch.

Die eigentlichen Marinetruppen und Marineoffiziere, welche aus dem
Maunestab oder den Schiffsosfizieren, dem Matrosencvrps, dem Marine-In¬
fanterieregiment, dem Manne-Zeugcorps oder der Schiffsartillerie und den
Maschinisten besteht, zählen hochgerechnet kaum 5000 Mann, während der ge-
sammte Personalstand der Marine mindestens aus 8000 Individuen besteht.
Dabei ist jedoch noch zu bemerken, daß von dem angeführten Truppenstande
gewöhnlich mindestens der vierte Theil beurlaubt ist und nur im Falle eines
Krieges oder größerer Seeexveditioncn einberufen wird, während das Admini¬
strationspersonal zu jeder Zeit vollzählig erhalten wird. Da nun aber auch
unter den zum eigentlichen Schiffsdienste Bestimmter viele nicht Streitbare oder
aus verschiedenen Gründen selten zur Verwendung Kommende sich befinden,
so erscheint die Behauptung, daß in der östreichischen Marine unter gewöhn¬
lichen Umständen auf jeden wirklichen Seemann ein Beamter oder ein Undienst¬
barer komme, nicht übertrieben.

Und die Dienste, welche dieses unerhört starke und selbstverständlich höchst
kostspielige Personal leistet, sind zweifelhafter Natur. Die Rechnungs- und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/341>, abgerufen am 28.09.2024.