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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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indeß bemerkt werden muß, daß die mit diesen Panzerplatten angestellten Ver¬
suche nicht gründlich genug vorgenommen wurden, um völlig zu beruhigen.

Die Bauart der Schisse, die Construction ihrer Maschinen und die Brauch¬
barkeit der verschiedenen Ausrüstungsgegenstände lassen, wie schon angedeutet
wurde, mancherlei zu wünschen übrig. Im Allgemeinen gilt der Grundsatz,
daß mit der höheren Charge auch größeres Wissen und höhere Intelligenz ver¬
bunden sein müssen. Die Ansicht, daß die englische Marine allein musterhaft
und nachahmenswürdig sei, verhindert, daß die guten Ideen und Vorschläge
inländischer Techniker zur Anwendung kommen, während anderseits bisweilen
der Nationaldünkel das in der Fremde eingeführte wirklich Gute nur zögernd
und unvollständig nachahmt.

Am auffälligsten machen sich diese Erscheinungen bei dem Material der
Marineartillerie bemerkbar. Wie auf den meisten andern Flotten hatte man
auch auf der östreichischen früher fast alle möglichen Geschützkaliber und Gattun¬
gen im Gebrauche, bis man endlich für sämmtliche Hochbordschiffe das drcißig-
pfündige in fünf verschiedenen Geschützgattungcn vertretene Kaliber*) einführte,
neben welchem nur ausnahmsweise einige Spingardcn und Drehbasscn, leichte
Vier- und Achtvfünder. sowie Achtundvicrzigpfündcr und Sechzigpfünder (die
kleinen Geschütze als Mast- und Bootgeschütze, die großen als Pivotgeschütze
und für große Kanonenboote) geduldet wurden. Eine Neuerung, die in Frank¬
reich schon zwanzig Jahre früher eingeführt worden war.

Als später die gezogenen Geschütze aufkamen, sprach zwar der Erzherzog
für dieselben mit eben dem Eifer, mit welchem er die Einführung der Schieß'
wolle beantragt, und es gelang ihm wirklich, denselben bei der Marine Eingang
zu verschaffen und zwar noch früher, als sie bei der östreichischen Landartillerie
zur Geltung gelangten. Aber die allgemeine Einführung dieser Geschütze ließ
dafür desto länger auf sich warten, weil man entweder über das zu wählende
Geschützsystem nicht einig werden konnte, oder weil man die auch bei den Of¬
fizieren anderer Mariner noch festwurzelnde Ansicht hegte, daß die glatten Ge¬
schütze auf den Schiffe" nicht ganz entbehrt werden könnten und daß die ge¬
zogenen sich zur Armirung der unteren Verdecke nicht eigneten. Auch hat sich
die östreichische Marineartillerie noch weniger als die Landartillerie von dem
alten Zunftwesen und KonstablertKum freigemacht, ja es scheint, daß man sich
mit Absicht erst recht hineinarbeitete, wie schon die Wiedereinführung verschie¬
dener altmodischer Benennungen beweist. Daher kam es, daß die nach der
Nordsee abgesendeten östreichischen Schiffe mit einer auffallend geringen Anzahl
von gezogenen Kanonen armirt waren, und daß die glatten Geschütze von ihren



') Nämlich die Kanonen Ur. 1. 2, 3 und 4 sind dreißigpfündige Karonaden.

indeß bemerkt werden muß, daß die mit diesen Panzerplatten angestellten Ver¬
suche nicht gründlich genug vorgenommen wurden, um völlig zu beruhigen.

Die Bauart der Schisse, die Construction ihrer Maschinen und die Brauch¬
barkeit der verschiedenen Ausrüstungsgegenstände lassen, wie schon angedeutet
wurde, mancherlei zu wünschen übrig. Im Allgemeinen gilt der Grundsatz,
daß mit der höheren Charge auch größeres Wissen und höhere Intelligenz ver¬
bunden sein müssen. Die Ansicht, daß die englische Marine allein musterhaft
und nachahmenswürdig sei, verhindert, daß die guten Ideen und Vorschläge
inländischer Techniker zur Anwendung kommen, während anderseits bisweilen
der Nationaldünkel das in der Fremde eingeführte wirklich Gute nur zögernd
und unvollständig nachahmt.

Am auffälligsten machen sich diese Erscheinungen bei dem Material der
Marineartillerie bemerkbar. Wie auf den meisten andern Flotten hatte man
auch auf der östreichischen früher fast alle möglichen Geschützkaliber und Gattun¬
gen im Gebrauche, bis man endlich für sämmtliche Hochbordschiffe das drcißig-
pfündige in fünf verschiedenen Geschützgattungcn vertretene Kaliber*) einführte,
neben welchem nur ausnahmsweise einige Spingardcn und Drehbasscn, leichte
Vier- und Achtvfünder. sowie Achtundvicrzigpfündcr und Sechzigpfünder (die
kleinen Geschütze als Mast- und Bootgeschütze, die großen als Pivotgeschütze
und für große Kanonenboote) geduldet wurden. Eine Neuerung, die in Frank¬
reich schon zwanzig Jahre früher eingeführt worden war.

Als später die gezogenen Geschütze aufkamen, sprach zwar der Erzherzog
für dieselben mit eben dem Eifer, mit welchem er die Einführung der Schieß'
wolle beantragt, und es gelang ihm wirklich, denselben bei der Marine Eingang
zu verschaffen und zwar noch früher, als sie bei der östreichischen Landartillerie
zur Geltung gelangten. Aber die allgemeine Einführung dieser Geschütze ließ
dafür desto länger auf sich warten, weil man entweder über das zu wählende
Geschützsystem nicht einig werden konnte, oder weil man die auch bei den Of¬
fizieren anderer Mariner noch festwurzelnde Ansicht hegte, daß die glatten Ge¬
schütze auf den Schiffe» nicht ganz entbehrt werden könnten und daß die ge¬
zogenen sich zur Armirung der unteren Verdecke nicht eigneten. Auch hat sich
die östreichische Marineartillerie noch weniger als die Landartillerie von dem
alten Zunftwesen und KonstablertKum freigemacht, ja es scheint, daß man sich
mit Absicht erst recht hineinarbeitete, wie schon die Wiedereinführung verschie¬
dener altmodischer Benennungen beweist. Daher kam es, daß die nach der
Nordsee abgesendeten östreichischen Schiffe mit einer auffallend geringen Anzahl
von gezogenen Kanonen armirt waren, und daß die glatten Geschütze von ihren



') Nämlich die Kanonen Ur. 1. 2, 3 und 4 sind dreißigpfündige Karonaden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/333>, abgerufen am 28.09.2024.