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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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auf meine vorstehend, wie ich hoffe, hinreichend entwickelte und begründete Be¬
hauptung zurückkommen: daß die Landwehrtruppen während der Schlacht bei
Großbeeren entweder ganz und gar nicht, oder doch nur in sehr geringer An¬
zahl mit dem Feinde handgemein geworden sind*). Einer jeden anderweit be¬
gründeten Behauptung will ich dagegen gern das Feld räumen; denn, wie be¬
merkt, der Wahrheit zu dienen, nicht ihr in den Weg zu treten und noch we¬
niger die Kriegsehre der Landwehrtruppen anzutasten, oder auch nur zu schmä¬
lern, ist meine Absicht. -- Ich sagte nur, was ich, so weit meine Sehkraft
reichte, mit eignen Augen gesehen, und was ich nebenher durch zahlreiche Mit¬
theilungen, und zwar aus frischer That, in Erfahrung gebracht habe.

Zu größerer Bekräftigung meiner Angaben muß ich aber noch bemerken,
daß ich seit dem Jahre 1840. also noch bei Lebzeiten sehr vieler Theilnehmer an
den Kriegsereignissen der Jahre 1813 und 1814 verschiedene Aufsätze nament¬
lich über die Schlacht von Großbeeren durch den Druck veröffentlicht habe.
Diese Artikel haben überall Anerkennung und von keiner Seite eine Wider¬
legung erfahren.

Schließlich kann ich etwaige Zweifler getrost auf die seit langen Jahren
bestehenden und weit verbreiteten Negimentsgeschichten der Truppentheile des
dritten Armeecorps verweisen. Findet man, wie ich voraussetzen darf, auch
hier die vollständige Bestätigung meiner Relation, so wird man nicht glauben
wollen, daß auch diese Negimentsgeschichten, welche aus actenmäßigen Schrift¬
stücken zusammengestellt worden, der Wahrheit entbehren.

Wenn nun die Landwehrtruppen des v. bülowschen Armeecorps während
der Schlacht bei Großbeeren mit dem Feinde auch nicht, oder wenigstens nicht
besonders zahlreich handgemein geworden sind, so haben sich dieselben doch
bei der hier erhaltenen Feuertaufe als unerschrockene Soldaten bewährt; denn
das zweite Treffen des Armeecorps war den Kanonenkugeln der sehr zahlreichen
feindlichen Artillerie bei Weitem mehr ausgesetzt, als die gegen hundert Schritt
weiter vor stehende Artillerielinie. -- Der Feind mußte die Distanz zwischen
sich und uns unterschätzen; denn ein großer Theil der vor dem Vorbrechen des
ersten Treffens uns zugesendeten feindlichen Kanonenkugeln schlug vor der dies¬
seitigen Artillerie auf den Boden und ging sodann in mehr oder minder hohen
Bogen in das erste oder auch zweite Treffen der Infanterie. Ich habe es
selbst mehrfach vernommen, wie die einschlagenden Kanonenkugeln in den Ge¬
wehren der Infanterie rasselten.



") Die noch bei Hauffer vorkommende Meinung, daß das bekannte "Et fluscht Vetter" auf
die bei Großbeeren dampfende Landwehr zurückzuführen sei. wäre sonach zu berichtigen. Ent¬
weder die ebenfalls plattdeutsch redenden Pommern vom Regiment Colberg brauchten dort den
Ausdruck, oder er stammt von Hagclberg. wo vier Tage später allerdings kurmärkische Land¬
wehr auf gewaltige Weise bewies, daß sie Bajonnet und Kolben zu brauchen verstand
.
D. Red.

auf meine vorstehend, wie ich hoffe, hinreichend entwickelte und begründete Be¬
hauptung zurückkommen: daß die Landwehrtruppen während der Schlacht bei
Großbeeren entweder ganz und gar nicht, oder doch nur in sehr geringer An¬
zahl mit dem Feinde handgemein geworden sind*). Einer jeden anderweit be¬
gründeten Behauptung will ich dagegen gern das Feld räumen; denn, wie be¬
merkt, der Wahrheit zu dienen, nicht ihr in den Weg zu treten und noch we¬
niger die Kriegsehre der Landwehrtruppen anzutasten, oder auch nur zu schmä¬
lern, ist meine Absicht. — Ich sagte nur, was ich, so weit meine Sehkraft
reichte, mit eignen Augen gesehen, und was ich nebenher durch zahlreiche Mit¬
theilungen, und zwar aus frischer That, in Erfahrung gebracht habe.

Zu größerer Bekräftigung meiner Angaben muß ich aber noch bemerken,
daß ich seit dem Jahre 1840. also noch bei Lebzeiten sehr vieler Theilnehmer an
den Kriegsereignissen der Jahre 1813 und 1814 verschiedene Aufsätze nament¬
lich über die Schlacht von Großbeeren durch den Druck veröffentlicht habe.
Diese Artikel haben überall Anerkennung und von keiner Seite eine Wider¬
legung erfahren.

Schließlich kann ich etwaige Zweifler getrost auf die seit langen Jahren
bestehenden und weit verbreiteten Negimentsgeschichten der Truppentheile des
dritten Armeecorps verweisen. Findet man, wie ich voraussetzen darf, auch
hier die vollständige Bestätigung meiner Relation, so wird man nicht glauben
wollen, daß auch diese Negimentsgeschichten, welche aus actenmäßigen Schrift¬
stücken zusammengestellt worden, der Wahrheit entbehren.

Wenn nun die Landwehrtruppen des v. bülowschen Armeecorps während
der Schlacht bei Großbeeren mit dem Feinde auch nicht, oder wenigstens nicht
besonders zahlreich handgemein geworden sind, so haben sich dieselben doch
bei der hier erhaltenen Feuertaufe als unerschrockene Soldaten bewährt; denn
das zweite Treffen des Armeecorps war den Kanonenkugeln der sehr zahlreichen
feindlichen Artillerie bei Weitem mehr ausgesetzt, als die gegen hundert Schritt
weiter vor stehende Artillerielinie. — Der Feind mußte die Distanz zwischen
sich und uns unterschätzen; denn ein großer Theil der vor dem Vorbrechen des
ersten Treffens uns zugesendeten feindlichen Kanonenkugeln schlug vor der dies¬
seitigen Artillerie auf den Boden und ging sodann in mehr oder minder hohen
Bogen in das erste oder auch zweite Treffen der Infanterie. Ich habe es
selbst mehrfach vernommen, wie die einschlagenden Kanonenkugeln in den Ge¬
wehren der Infanterie rasselten.



") Die noch bei Hauffer vorkommende Meinung, daß das bekannte „Et fluscht Vetter" auf
die bei Großbeeren dampfende Landwehr zurückzuführen sei. wäre sonach zu berichtigen. Ent¬
weder die ebenfalls plattdeutsch redenden Pommern vom Regiment Colberg brauchten dort den
Ausdruck, oder er stammt von Hagclberg. wo vier Tage später allerdings kurmärkische Land¬
wehr auf gewaltige Weise bewies, daß sie Bajonnet und Kolben zu brauchen verstand
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/320>, abgerufen am 28.09.2024.