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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ich mich unmöglich getäuscht haben. So lange ich irgend noch um mich sehen
konnte, stand der größte Theil unseres zweiten Treffens: das erste neumärkische
Landwehrregiment mit seinen damaligen vier Bataillonen fortwährend hinter
der Batterie. Ist nun dieses zweite vorwiegend, wenigstens zu sechs Bataillonen,
aus Landwehr bestehende Treffen des Armeecorps nach dem Eintritt der Dun¬
kelheit noch gegen den Feind geführt worden, und hat es hierbei die Kriegs¬
thaten vollbracht, welche der hier betheiligten Landwehr nacherzählt werden,
hat es namentlich den ummauerten Kirchhof des Dorfes Großbcc^i erobert,
so läßt sich dies allerdings mit meiner Mittheilung vereinen; denn bekanntlich
entbehrt man in der Finsterniß der Umsicht.

An dieser von mir vorläufig angenommenen Möglichkeit wird man mir
indeß einigermaßen zu zweifeln erlauben müssen, wobei man mich nicht mi߬
verstehen und nicht annehmen wolle, daß ich bezweifle, die Landwehr werde sich
gut geschlagen haben. Ich will vielmehr nur als Soldat urtheilen.

Als solcher aber kann ich mirs kaum als wahrscheinlich denken, daß der
commandirende General von Bülow, nachdem das erste Treffen des Armee¬
corps im Einzelnkampf mit dem Feinde begriffen und die Bataillone dieses
Treffens hierbei nothwendiger Weise mehr oder weniger auscinandergekommen
und in Verwirrung gerathen waren, auch das zweite Treffen, welches ihm, und
zwar in Ermangelung jeglicher anderer Neservetruppen, als Reserve diente,
auch in einen solchen verwirrten und nicht zu übersehenden, also unberechen¬
baren Kampf verwickelt haben wird. Dies hätte um so leichter bittere Früchte
tragen können, als der Herzog von Padua gegen das Ende der Schlacht mit
einer bedeutenden Truppenmacht auf dem Kampfplatze erschien*).

Was ich vorstehend erzählt, beruht durchweg auf meinen eignen Wahr¬
nehmungen während der Schlacht von Großbeeren, welche ich, wenig durch
andere Dinge in Anspruch genommen und in geringer Entfernung von den be¬
treffenden Vorgängen, unmittelbar dem genannten Dorfe gegenüber mit aller
Sicherheit anzustellen Gelegenheit hatte.

Die Brigade Borstell, welche mit ihren beiden Landwchrbatcullonen erst
im Laufe der Schlacht, wie bereits erwähnt, von Zosscn aus, auf dem Schlacht¬
felde eintraf, und hier den linken Flügel des Armeecorps bildend gegen das
Schäfereivorwerk Kleinbeeren dirigirt wurde, hat erst beim Eintritt der Dunkel¬
heit das Dorf Großbeeren erreicht.

Was die Brigade Borstell hier geleistet, kann ich. als nicht Augenzeuge,
nicht mit Sicherheit berichten; unmittelbar nach der Schlacht wußten die, bei
denen ich mich darnach erkundigte, nichts davon zu erzähle", und so muß ich



Der Verfasser meint Arrighis Ncitcrcorps und Gnillcminots Infanteriedivision, die be¬
kanntlich zu spät kamen, um der Schlacht noch eine günstige Wendung für die Franzosen zu
D. N. geben.

ich mich unmöglich getäuscht haben. So lange ich irgend noch um mich sehen
konnte, stand der größte Theil unseres zweiten Treffens: das erste neumärkische
Landwehrregiment mit seinen damaligen vier Bataillonen fortwährend hinter
der Batterie. Ist nun dieses zweite vorwiegend, wenigstens zu sechs Bataillonen,
aus Landwehr bestehende Treffen des Armeecorps nach dem Eintritt der Dun¬
kelheit noch gegen den Feind geführt worden, und hat es hierbei die Kriegs¬
thaten vollbracht, welche der hier betheiligten Landwehr nacherzählt werden,
hat es namentlich den ummauerten Kirchhof des Dorfes Großbcc^i erobert,
so läßt sich dies allerdings mit meiner Mittheilung vereinen; denn bekanntlich
entbehrt man in der Finsterniß der Umsicht.

An dieser von mir vorläufig angenommenen Möglichkeit wird man mir
indeß einigermaßen zu zweifeln erlauben müssen, wobei man mich nicht mi߬
verstehen und nicht annehmen wolle, daß ich bezweifle, die Landwehr werde sich
gut geschlagen haben. Ich will vielmehr nur als Soldat urtheilen.

Als solcher aber kann ich mirs kaum als wahrscheinlich denken, daß der
commandirende General von Bülow, nachdem das erste Treffen des Armee¬
corps im Einzelnkampf mit dem Feinde begriffen und die Bataillone dieses
Treffens hierbei nothwendiger Weise mehr oder weniger auscinandergekommen
und in Verwirrung gerathen waren, auch das zweite Treffen, welches ihm, und
zwar in Ermangelung jeglicher anderer Neservetruppen, als Reserve diente,
auch in einen solchen verwirrten und nicht zu übersehenden, also unberechen¬
baren Kampf verwickelt haben wird. Dies hätte um so leichter bittere Früchte
tragen können, als der Herzog von Padua gegen das Ende der Schlacht mit
einer bedeutenden Truppenmacht auf dem Kampfplatze erschien*).

Was ich vorstehend erzählt, beruht durchweg auf meinen eignen Wahr¬
nehmungen während der Schlacht von Großbeeren, welche ich, wenig durch
andere Dinge in Anspruch genommen und in geringer Entfernung von den be¬
treffenden Vorgängen, unmittelbar dem genannten Dorfe gegenüber mit aller
Sicherheit anzustellen Gelegenheit hatte.

Die Brigade Borstell, welche mit ihren beiden Landwchrbatcullonen erst
im Laufe der Schlacht, wie bereits erwähnt, von Zosscn aus, auf dem Schlacht¬
felde eintraf, und hier den linken Flügel des Armeecorps bildend gegen das
Schäfereivorwerk Kleinbeeren dirigirt wurde, hat erst beim Eintritt der Dunkel¬
heit das Dorf Großbeeren erreicht.

Was die Brigade Borstell hier geleistet, kann ich. als nicht Augenzeuge,
nicht mit Sicherheit berichten; unmittelbar nach der Schlacht wußten die, bei
denen ich mich darnach erkundigte, nichts davon zu erzähle», und so muß ich



Der Verfasser meint Arrighis Ncitcrcorps und Gnillcminots Infanteriedivision, die be¬
kanntlich zu spät kamen, um der Schlacht noch eine günstige Wendung für die Franzosen zu
D. N. geben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/319>, abgerufen am 28.09.2024.