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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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d. i. O Friesen seid doch stolz auf das, was ihr in der Vorzeit gewesen, er¬
freute sich großer Popularität unter den Nachbar" in Nicbüll und Deetzbüll,
und wenn der Poet im zweiten Verse von seinen Srammgenvsscn rühmte:


"Euer hiel Europa fand sum el
sont Bore as jenn san"

d. i.: An ganz Europa finden sich solche Bauern nicht wie ihr seid, so schienen
jene daran nicht im mindesten zu zweifeln. Solches Selbstgefühl mag Lächeln
erwecken. Es ist aber nützlich gewesen als Schirm und Schanze gegen die
Bestrebungen der Dänen, in den Schleswigern das Gefühl der Zusammen¬
gehörigkeit mit dem Norden zu Pflegen. Deutsche Gesinnung wurde verpönt
und verfolgt, friesischer Particularismus galt für unschädlich; er richtete sich
aber immer mehr gegen die Juden und Dänen, die man als inferiore Bursche,
arme schmutzige Gesellen ansah, als gegen den Süden, dem man sich zwar
ebenfalls überlegen, aber doch verwandt wüßte, und mit dem die materiellen
Interessen sowohl das Festland als die Inseln verknüpften.

Ein besonders schöner Menschenschlag sind'die Friesen nicht, dagegen trifft
man unter ihnen viele auffallend große und kräftige Leute, und zwar nament¬
lich in den Marschtögen des Festlandes. Sagen von starken Männern giebt
es hier mehre. Als König Magnus einmal nach Joldelund kam, wo damals
noch alles friesisch war, gab ihm ein solcher eine Probe seiner Kraft, indem er
einen großen Fettstein, der als Markscheide diente und den jetzt zwölf Mann
nicht von der Stelle schaffen könnten, aufhob und über ein Haus warf. Ein
später lebender friesischer Niese trug auf jeder seiner Händ< eine Tonne Bier
davon, hielt Wagen, die mit ^vier Pferden bespannt waren, an den Hinterrädern
fest, so daß sie nicht fort konnten u. f. w. Der größte Mann der Deputation,
welche die Schleswig-Holsteiner in der Erhebungszeit an den König von Preu¬
ßen schickten, war ein Stavenbcsitzer aus der Gegend von Tondern, und auch
in der Gesandtschaft, welche im letzten Februar dein Herzog Friedrich die
Huldigung der Friesen überbrachte, befanden sich Gestalten, die durch ihre Länge
in Kiel, wo sonst an großen Figuren kein Mangel ist, Aufsehen erregten.

Eine eigne Tracht kommt unter den Festlandsfricsen nicht mehr vor, doch
mögen die enganschließenden Hauben erwähnt werden, welche man in der nörd¬
lichen Marsch bei dem weiblichen Geschlecht findet, und die bei den Frauen
schwarz, bei den Mädchen bunt sind und vor" und hinten einen kleinen Spitzen¬
besatz haben. Die Haube selbst wird "Hull", der Besatz "Stideke" genannt.
Auf Föhr setzen die Frauen auf den Kopf eine hellrothe Kappe, binden darüber
in der Form eines Turbans ein schwarzes Wollentuch, dessen Zipfel wie Hör¬
ner oder Knhohrcn emporstehen, und umhüllen Kinn. Mund und Wangen mit
einem zweiten schwarzen Tuche, so daß nur Augen, Stirn und Nase zu sehen
sind. Die Brust bedeckt eine schwarze oder dunkelblaue Jacke, der dunkle Rock


d. i. O Friesen seid doch stolz auf das, was ihr in der Vorzeit gewesen, er¬
freute sich großer Popularität unter den Nachbar» in Nicbüll und Deetzbüll,
und wenn der Poet im zweiten Verse von seinen Srammgenvsscn rühmte:


„Euer hiel Europa fand sum el
sont Bore as jenn san"

d. i.: An ganz Europa finden sich solche Bauern nicht wie ihr seid, so schienen
jene daran nicht im mindesten zu zweifeln. Solches Selbstgefühl mag Lächeln
erwecken. Es ist aber nützlich gewesen als Schirm und Schanze gegen die
Bestrebungen der Dänen, in den Schleswigern das Gefühl der Zusammen¬
gehörigkeit mit dem Norden zu Pflegen. Deutsche Gesinnung wurde verpönt
und verfolgt, friesischer Particularismus galt für unschädlich; er richtete sich
aber immer mehr gegen die Juden und Dänen, die man als inferiore Bursche,
arme schmutzige Gesellen ansah, als gegen den Süden, dem man sich zwar
ebenfalls überlegen, aber doch verwandt wüßte, und mit dem die materiellen
Interessen sowohl das Festland als die Inseln verknüpften.

Ein besonders schöner Menschenschlag sind'die Friesen nicht, dagegen trifft
man unter ihnen viele auffallend große und kräftige Leute, und zwar nament¬
lich in den Marschtögen des Festlandes. Sagen von starken Männern giebt
es hier mehre. Als König Magnus einmal nach Joldelund kam, wo damals
noch alles friesisch war, gab ihm ein solcher eine Probe seiner Kraft, indem er
einen großen Fettstein, der als Markscheide diente und den jetzt zwölf Mann
nicht von der Stelle schaffen könnten, aufhob und über ein Haus warf. Ein
später lebender friesischer Niese trug auf jeder seiner Händ< eine Tonne Bier
davon, hielt Wagen, die mit ^vier Pferden bespannt waren, an den Hinterrädern
fest, so daß sie nicht fort konnten u. f. w. Der größte Mann der Deputation,
welche die Schleswig-Holsteiner in der Erhebungszeit an den König von Preu¬
ßen schickten, war ein Stavenbcsitzer aus der Gegend von Tondern, und auch
in der Gesandtschaft, welche im letzten Februar dein Herzog Friedrich die
Huldigung der Friesen überbrachte, befanden sich Gestalten, die durch ihre Länge
in Kiel, wo sonst an großen Figuren kein Mangel ist, Aufsehen erregten.

Eine eigne Tracht kommt unter den Festlandsfricsen nicht mehr vor, doch
mögen die enganschließenden Hauben erwähnt werden, welche man in der nörd¬
lichen Marsch bei dem weiblichen Geschlecht findet, und die bei den Frauen
schwarz, bei den Mädchen bunt sind und vor» und hinten einen kleinen Spitzen¬
besatz haben. Die Haube selbst wird „Hull", der Besatz „Stideke" genannt.
Auf Föhr setzen die Frauen auf den Kopf eine hellrothe Kappe, binden darüber
in der Form eines Turbans ein schwarzes Wollentuch, dessen Zipfel wie Hör¬
ner oder Knhohrcn emporstehen, und umhüllen Kinn. Mund und Wangen mit
einem zweiten schwarzen Tuche, so daß nur Augen, Stirn und Nase zu sehen
sind. Die Brust bedeckt eine schwarze oder dunkelblaue Jacke, der dunkle Rock


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/32>, abgerufen am 28.09.2024.