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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Ermöglichung eines solennen Auftretens der Aemter bei den Festlichkeiten, theils
zu Vergütungen an die einzelnen Amtsgenossen verwandt. In letzterer Be¬
ziehung trat nur der Unterschied hervor, daß einige Zünfte ihre sämmtlichen
Mitglieder, auch die zu Hause bleibenden, mit einem Geldgeschenk erfreuten, wäh¬
rend in anderen Kreisen nur diejenigen dadurch ausgezeichnet wurden, welche
sich durch persönliche Betheiligung an dem großen Festzuge einer solchen Gabe
würdig erwiesen. Mit einzelnen Gesellenbrüderschaften, z. B. den Barbieres
ward wegen der Höhe der ihnen aus der Amtskasse zu bewilligenden Summe
ein förmlicher Handel gepflogen.

Der von dem Räth und der Bürgervertretung angeschlagene Ton fand in
einer Menge verschiedenartiger Interessen seinen Widerhall. Zunächst leisteten
alle diejenigen, welchen aus politischen Rücksichten daran gelegen war, bei dem
Großherzog eine günstige Ansicht über die Stimmung der Bevölkerung zu er¬
wecken, jenen Bestrebungen eifrige Beihilfe. Zu diesen gehörten hauptsächlich
die Mitglieder der großherzoglichen Gerichte, die Professoren der Universität
und alles, was sonst den Anhang der in der Staats- und Kirchenleitung do-
minirenden Richtung bildet, sodann die zahlreiche Partei der Zünftler, welche
seit dem frankfurter Fürstentage sich gewöhnt haben, in dem Großherzog einen
Freund des Zunftwesens zu verehren und bei jeder Gelegenheit in ziemlich
zudringlicher Weise gegen ihn die Hoffnung aussprechen, daß er Mecklenburg
gegen die gefürcktete Gewerbefreiheit schützen werde. Zu diesen gesellte sich
weiter die zahlreiche Classe von Leuten, welche bei allen großen Festlichkeiten
und Aufzügen und bei jeder Vermehrung des Fremdenverkehrs ihre Rechnung
finden: Gastwirthe, Restaurateure, Bier- und Weinschenker, Bäcker, Fleischer,
Seidenwaarenhändler, Mooisten, Flaggenverfertiger, Decvrateure und viele an¬
dere Arten von Gewerbetreibenden; endlich alle jene Leute, welchen jede Ver¬
anlassung recht ist, sich mit ihren Bannern und Schärpen auf der Straße zu
zeigen, sich und Andere in das Licht einer bengalischen Flamme zu stellen oder
ihre Sänger- und Rednergabe laut werden zu lassen, alle "Feier-Meyer" und
Hanswurste der Stadt, so wie alle nach irgendeiner kleinen Auszeichnung,
nach einem Hofraths- oder Hoflieferantentitel Lüsternen.

Zum Zweck weiterer Verstärkung dieses Heeres wurden auch noch in den
der Einzugsfeier vorangehenden Wochen allerlei Gerüchte in Umlauf gesetzt,
von welchen sich die Agitation für den Pomp und Jubel eine gute Wirkung
auf die Leichtgläubigen versprach. Der Oberhofprediger Jahr sollte in Ungnade
gefallen, die Staatsminister v. Oertzen und v. Schröter sollten aus ihren Aemtern
entlassen, der Tag sollte schon festgesetzt sein, wo die Abschaffung der Prügel¬
strafe bekannt gemacht werden würde. Natürlich erwiesen sich alle diese Ge¬
rüchte als leere Erfindungen, mit welchen man auf die Gedankenlosigkeit specu-


Ermöglichung eines solennen Auftretens der Aemter bei den Festlichkeiten, theils
zu Vergütungen an die einzelnen Amtsgenossen verwandt. In letzterer Be¬
ziehung trat nur der Unterschied hervor, daß einige Zünfte ihre sämmtlichen
Mitglieder, auch die zu Hause bleibenden, mit einem Geldgeschenk erfreuten, wäh¬
rend in anderen Kreisen nur diejenigen dadurch ausgezeichnet wurden, welche
sich durch persönliche Betheiligung an dem großen Festzuge einer solchen Gabe
würdig erwiesen. Mit einzelnen Gesellenbrüderschaften, z. B. den Barbieres
ward wegen der Höhe der ihnen aus der Amtskasse zu bewilligenden Summe
ein förmlicher Handel gepflogen.

Der von dem Räth und der Bürgervertretung angeschlagene Ton fand in
einer Menge verschiedenartiger Interessen seinen Widerhall. Zunächst leisteten
alle diejenigen, welchen aus politischen Rücksichten daran gelegen war, bei dem
Großherzog eine günstige Ansicht über die Stimmung der Bevölkerung zu er¬
wecken, jenen Bestrebungen eifrige Beihilfe. Zu diesen gehörten hauptsächlich
die Mitglieder der großherzoglichen Gerichte, die Professoren der Universität
und alles, was sonst den Anhang der in der Staats- und Kirchenleitung do-
minirenden Richtung bildet, sodann die zahlreiche Partei der Zünftler, welche
seit dem frankfurter Fürstentage sich gewöhnt haben, in dem Großherzog einen
Freund des Zunftwesens zu verehren und bei jeder Gelegenheit in ziemlich
zudringlicher Weise gegen ihn die Hoffnung aussprechen, daß er Mecklenburg
gegen die gefürcktete Gewerbefreiheit schützen werde. Zu diesen gesellte sich
weiter die zahlreiche Classe von Leuten, welche bei allen großen Festlichkeiten
und Aufzügen und bei jeder Vermehrung des Fremdenverkehrs ihre Rechnung
finden: Gastwirthe, Restaurateure, Bier- und Weinschenker, Bäcker, Fleischer,
Seidenwaarenhändler, Mooisten, Flaggenverfertiger, Decvrateure und viele an¬
dere Arten von Gewerbetreibenden; endlich alle jene Leute, welchen jede Ver¬
anlassung recht ist, sich mit ihren Bannern und Schärpen auf der Straße zu
zeigen, sich und Andere in das Licht einer bengalischen Flamme zu stellen oder
ihre Sänger- und Rednergabe laut werden zu lassen, alle „Feier-Meyer" und
Hanswurste der Stadt, so wie alle nach irgendeiner kleinen Auszeichnung,
nach einem Hofraths- oder Hoflieferantentitel Lüsternen.

Zum Zweck weiterer Verstärkung dieses Heeres wurden auch noch in den
der Einzugsfeier vorangehenden Wochen allerlei Gerüchte in Umlauf gesetzt,
von welchen sich die Agitation für den Pomp und Jubel eine gute Wirkung
auf die Leichtgläubigen versprach. Der Oberhofprediger Jahr sollte in Ungnade
gefallen, die Staatsminister v. Oertzen und v. Schröter sollten aus ihren Aemtern
entlassen, der Tag sollte schon festgesetzt sein, wo die Abschaffung der Prügel¬
strafe bekannt gemacht werden würde. Natürlich erwiesen sich alle diese Ge¬
rüchte als leere Erfindungen, mit welchen man auf die Gedankenlosigkeit specu-


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[0308] Ermöglichung eines solennen Auftretens der Aemter bei den Festlichkeiten, theils zu Vergütungen an die einzelnen Amtsgenossen verwandt. In letzterer Be¬ ziehung trat nur der Unterschied hervor, daß einige Zünfte ihre sämmtlichen Mitglieder, auch die zu Hause bleibenden, mit einem Geldgeschenk erfreuten, wäh¬ rend in anderen Kreisen nur diejenigen dadurch ausgezeichnet wurden, welche sich durch persönliche Betheiligung an dem großen Festzuge einer solchen Gabe würdig erwiesen. Mit einzelnen Gesellenbrüderschaften, z. B. den Barbieres ward wegen der Höhe der ihnen aus der Amtskasse zu bewilligenden Summe ein förmlicher Handel gepflogen. Der von dem Räth und der Bürgervertretung angeschlagene Ton fand in einer Menge verschiedenartiger Interessen seinen Widerhall. Zunächst leisteten alle diejenigen, welchen aus politischen Rücksichten daran gelegen war, bei dem Großherzog eine günstige Ansicht über die Stimmung der Bevölkerung zu er¬ wecken, jenen Bestrebungen eifrige Beihilfe. Zu diesen gehörten hauptsächlich die Mitglieder der großherzoglichen Gerichte, die Professoren der Universität und alles, was sonst den Anhang der in der Staats- und Kirchenleitung do- minirenden Richtung bildet, sodann die zahlreiche Partei der Zünftler, welche seit dem frankfurter Fürstentage sich gewöhnt haben, in dem Großherzog einen Freund des Zunftwesens zu verehren und bei jeder Gelegenheit in ziemlich zudringlicher Weise gegen ihn die Hoffnung aussprechen, daß er Mecklenburg gegen die gefürcktete Gewerbefreiheit schützen werde. Zu diesen gesellte sich weiter die zahlreiche Classe von Leuten, welche bei allen großen Festlichkeiten und Aufzügen und bei jeder Vermehrung des Fremdenverkehrs ihre Rechnung finden: Gastwirthe, Restaurateure, Bier- und Weinschenker, Bäcker, Fleischer, Seidenwaarenhändler, Mooisten, Flaggenverfertiger, Decvrateure und viele an¬ dere Arten von Gewerbetreibenden; endlich alle jene Leute, welchen jede Ver¬ anlassung recht ist, sich mit ihren Bannern und Schärpen auf der Straße zu zeigen, sich und Andere in das Licht einer bengalischen Flamme zu stellen oder ihre Sänger- und Rednergabe laut werden zu lassen, alle „Feier-Meyer" und Hanswurste der Stadt, so wie alle nach irgendeiner kleinen Auszeichnung, nach einem Hofraths- oder Hoflieferantentitel Lüsternen. Zum Zweck weiterer Verstärkung dieses Heeres wurden auch noch in den der Einzugsfeier vorangehenden Wochen allerlei Gerüchte in Umlauf gesetzt, von welchen sich die Agitation für den Pomp und Jubel eine gute Wirkung auf die Leichtgläubigen versprach. Der Oberhofprediger Jahr sollte in Ungnade gefallen, die Staatsminister v. Oertzen und v. Schröter sollten aus ihren Aemtern entlassen, der Tag sollte schon festgesetzt sein, wo die Abschaffung der Prügel¬ strafe bekannt gemacht werden würde. Natürlich erwiesen sich alle diese Ge¬ rüchte als leere Erfindungen, mit welchen man auf die Gedankenlosigkeit specu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/308>, abgerufen am 28.09.2024.