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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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namentlich an Handelsplätzen und in den größern Badeorten, auch gute, selbst
üppig ausgestattete Hotels; in der Regel aber waren die Gasthöfe dürftig, wenig¬
stens einfach eingerichtet und zwar schon deshalb, weil die Mehrzahl der Reisenden,
wie noch jetzt überall im Süden, in Betreff der Ausstattung ihrer Häuslichkeit
sehr genügsam und daher nicht verwöhnt waren. An größeren Orten hatte
man sehr wahrscheinlich zwischen mehren Gastgebereien die Wahl. Auch auf
dem Lande gab es derartige Anstalten, die von den Besitzern der an die Straßen
stoßenden Grundstücke erbaut und von deren Sklaven oder Freigelassenen für
Rechnung des Herrn verwaltet wurden. Ein Schild, gewöhnlich mit einem
Thierbilde bezeichnet, lud zur Einkehr ein. und Inschriften versprachen freundliche
Bedienung. Bäder und alle Bequemlichkeit. Doch waren die gewöhnlichen
Herbergen nicht anmuthig. voll gemeiner Gesellschaft. Lärm, Rauch und übler
Gerüche sowie voll Flöhe, die Plinius "eauxouaruirl aestiva, animalis," nennt;
die Preise waren nicht hoch, aber die Wirthe verstanden das Prellen, sie falschem
den Wein, stahlen den Maulthiertreibern ihren Hafer und machten häufig ein
Nebengeschäft mit liederlichen Mädchen. Ihr Gewerbe war deshalb ebenso mi߬
geachtet wie das der Zöllner, welche die Reisenden vielfach belästigten und
ihnen Geld abpreßten.

Ein schlimmeres Uebel war für den reisenden Römer die Unsicherheit der
Straßen, die namentlich nach den Bürgerkriegen groß war und selbst in Italien
trotz zahlreicher Posten und Streifzüge gegen die Räuber der pontinischen Sümpfe
und des gallinarischen Buschwaldes nie ganz weichen wollte. Ja noch unter
Severus brandschatzte ein Bandenches, Felix Bulla. an der Spitze von 600
Briganten zwei Jahre lang ganz Italien, bis er endlich, von seiner Geliebten
verrathen, unter den Zähnen der Bestien der Arena endete.

Hauptveranlassung zu Reisen war die ungeheure Größe des Reiches. Je
länger dasselbe bestand, desto häufiger wurden die Beziehungen der verschiedenen
Provinzen zu einander und damit die Motive für deren Bewohner, ihren Auf¬
enthaltsort auf kürzere oder längere Zeit zu wechseln. Höhere Beamte betraf
dies am häufigsten, bald reisten sie im Kriegsdienst, bald als Jnspectoren, bald
in Sachen der Rechtspflege, nicht selten sandte sie der Wille des Kaisers aus
den Moorgegenden Schottlands an den Atlas oder aus den Städten Syriens
in die Standlager am Rhein und an der Donau. Aber auch andere Stände
waren viel unterwegs. Allerdings strömte es am stärksten aus den Provinzen
nach der Hauptstadt und von dort wieder zurück, doch muß auch der Verkehr
der Provinzen unter einander äußerst lebhaft gewesen sein. Griechische Gelehrte
hielten in Spanien Vorlesungen, für Frauen einer Colonie in der Schweiz
arbeitete ein kleinasiatischer Godschmied, Gallier und Germanen dienten als
Leibgardisten am Hose des Herodes, Juden waren in allen Städten des Reiches


namentlich an Handelsplätzen und in den größern Badeorten, auch gute, selbst
üppig ausgestattete Hotels; in der Regel aber waren die Gasthöfe dürftig, wenig¬
stens einfach eingerichtet und zwar schon deshalb, weil die Mehrzahl der Reisenden,
wie noch jetzt überall im Süden, in Betreff der Ausstattung ihrer Häuslichkeit
sehr genügsam und daher nicht verwöhnt waren. An größeren Orten hatte
man sehr wahrscheinlich zwischen mehren Gastgebereien die Wahl. Auch auf
dem Lande gab es derartige Anstalten, die von den Besitzern der an die Straßen
stoßenden Grundstücke erbaut und von deren Sklaven oder Freigelassenen für
Rechnung des Herrn verwaltet wurden. Ein Schild, gewöhnlich mit einem
Thierbilde bezeichnet, lud zur Einkehr ein. und Inschriften versprachen freundliche
Bedienung. Bäder und alle Bequemlichkeit. Doch waren die gewöhnlichen
Herbergen nicht anmuthig. voll gemeiner Gesellschaft. Lärm, Rauch und übler
Gerüche sowie voll Flöhe, die Plinius „eauxouaruirl aestiva, animalis," nennt;
die Preise waren nicht hoch, aber die Wirthe verstanden das Prellen, sie falschem
den Wein, stahlen den Maulthiertreibern ihren Hafer und machten häufig ein
Nebengeschäft mit liederlichen Mädchen. Ihr Gewerbe war deshalb ebenso mi߬
geachtet wie das der Zöllner, welche die Reisenden vielfach belästigten und
ihnen Geld abpreßten.

Ein schlimmeres Uebel war für den reisenden Römer die Unsicherheit der
Straßen, die namentlich nach den Bürgerkriegen groß war und selbst in Italien
trotz zahlreicher Posten und Streifzüge gegen die Räuber der pontinischen Sümpfe
und des gallinarischen Buschwaldes nie ganz weichen wollte. Ja noch unter
Severus brandschatzte ein Bandenches, Felix Bulla. an der Spitze von 600
Briganten zwei Jahre lang ganz Italien, bis er endlich, von seiner Geliebten
verrathen, unter den Zähnen der Bestien der Arena endete.

Hauptveranlassung zu Reisen war die ungeheure Größe des Reiches. Je
länger dasselbe bestand, desto häufiger wurden die Beziehungen der verschiedenen
Provinzen zu einander und damit die Motive für deren Bewohner, ihren Auf¬
enthaltsort auf kürzere oder längere Zeit zu wechseln. Höhere Beamte betraf
dies am häufigsten, bald reisten sie im Kriegsdienst, bald als Jnspectoren, bald
in Sachen der Rechtspflege, nicht selten sandte sie der Wille des Kaisers aus
den Moorgegenden Schottlands an den Atlas oder aus den Städten Syriens
in die Standlager am Rhein und an der Donau. Aber auch andere Stände
waren viel unterwegs. Allerdings strömte es am stärksten aus den Provinzen
nach der Hauptstadt und von dort wieder zurück, doch muß auch der Verkehr
der Provinzen unter einander äußerst lebhaft gewesen sein. Griechische Gelehrte
hielten in Spanien Vorlesungen, für Frauen einer Colonie in der Schweiz
arbeitete ein kleinasiatischer Godschmied, Gallier und Germanen dienten als
Leibgardisten am Hose des Herodes, Juden waren in allen Städten des Reiches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/292>, abgerufen am 28.09.2024.