Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

verbarg es sein sonst so heitres Gesicht in die Schürze, setzte sich, als ob es
sich müde gelaufen, aus die Ban?, ließ dann die Hand mit der Schürze sinken
und wollte erzählen. Sobald sie aber den Namen eines ihr bestimmten Bräu¬
tigams genannt, konnte sie vor Weinen nicht mehr seinen Wohnort ansagen.
Mit gefalteten Händen trat sie vor unsern Vater und Mutter unter einem
Strom von Thränen hin und bat, sie möchten es doch als ihr Kind aufnehmen.
Der Vater, der ihr Lehrer gewesen, machte ihr alle möglichen Vorstellungen,
daß es aus diese Art nicht angehen könne, versprach ihr aber, daheim ein Für-
biett einzulegen. Der Bruder stand neben der Mutter und sah mit nassen
Augen in die ihrigen, um drinnen zu lesen, ob sie auch so wie der Vater ge¬
sinnt sei. Es gelang der Mutter, das Mädchen ein wenig zu beruhigen und
es zu bewegen, wieder heim zu gehen. Dies war sein letzter Besuch, bald
darauf mußte es sich ungeachtet seiner zarten Jugend verheirathen."

Mehre Lieder in Ambühls lyrischen Gedichten beweisen den tiefen dau¬
ernden Eindruck, den diese Jugendliebe aus sein Herz gemacht hat. In seiner
Phantasie behielt Elise eine heilige Stelle, er starb unbeweibt. Nach seinem
Tode sind seine lyrischen Gedichte durch seinen Freund Gregor Grob heraus¬
gegeben worden: Se. Gallen und Leipzig, 1803, und dieser Ausgabe sind so¬
wohl die Angaben über den Dichter als auch nachfolgende Verse entnommen.

Johann Ludwig Ambühls AusGedichten. Se. Gallen, 1803.

An den Mond.
S. 68.
[Beginn Spaltensatz] Sieh, da trauen ich wieder,
Lächle, lieber Mond.
In das That hernieder
Wo mein Mädchen wohnt! '[Spaltenumbruch] Aus der kleinen Hütte
Blickt sie nun nach dir!
Mit der Liebe Sitte
Träumt sie auch von mir; [Ende Spaltensatz]
Danket im Gebete
Vor dem Schöpfer mein:
Gute Nacht, Lisette,
Ewig bin ich dein!
Lied einer Schnitterin.
S. 60.
[Beginn Spaltensatz]
Laß dich schneiden, laß dich schneiden,
Ernte, reif und warm:
Sieh, ein Mädchen voller Freuden
Sammelt dich im Arm.
Daß sich Fleiß und Arbeit nähre,
Reift dich Sonnenstrahl.
Falle, falle, goldne Ähre.
Alles fällt einmal. [Spaltenumbruch] Abends bindt man dich in Garben,
Führt dich jauchzend heim.
Menschen kamen auch und starben,
Alles kehret heim.
Einst auch fall ich Schnittcrmädchcu
So dahin, dahin,
Und es regt sich wohl kein Blättchen,
Daß ich nicht mehr bin. [Ende Spaltensatz]
Falle, falle, goldne Aehre,
Reif vom Sonnenstrahl,
Trink zur Leze diese Zähre
Unter Sang im Thal.

Grenzboten III. 1864.

verbarg es sein sonst so heitres Gesicht in die Schürze, setzte sich, als ob es
sich müde gelaufen, aus die Ban?, ließ dann die Hand mit der Schürze sinken
und wollte erzählen. Sobald sie aber den Namen eines ihr bestimmten Bräu¬
tigams genannt, konnte sie vor Weinen nicht mehr seinen Wohnort ansagen.
Mit gefalteten Händen trat sie vor unsern Vater und Mutter unter einem
Strom von Thränen hin und bat, sie möchten es doch als ihr Kind aufnehmen.
Der Vater, der ihr Lehrer gewesen, machte ihr alle möglichen Vorstellungen,
daß es aus diese Art nicht angehen könne, versprach ihr aber, daheim ein Für-
biett einzulegen. Der Bruder stand neben der Mutter und sah mit nassen
Augen in die ihrigen, um drinnen zu lesen, ob sie auch so wie der Vater ge¬
sinnt sei. Es gelang der Mutter, das Mädchen ein wenig zu beruhigen und
es zu bewegen, wieder heim zu gehen. Dies war sein letzter Besuch, bald
darauf mußte es sich ungeachtet seiner zarten Jugend verheirathen."

Mehre Lieder in Ambühls lyrischen Gedichten beweisen den tiefen dau¬
ernden Eindruck, den diese Jugendliebe aus sein Herz gemacht hat. In seiner
Phantasie behielt Elise eine heilige Stelle, er starb unbeweibt. Nach seinem
Tode sind seine lyrischen Gedichte durch seinen Freund Gregor Grob heraus¬
gegeben worden: Se. Gallen und Leipzig, 1803, und dieser Ausgabe sind so¬
wohl die Angaben über den Dichter als auch nachfolgende Verse entnommen.

Johann Ludwig Ambühls AusGedichten. Se. Gallen, 1803.

An den Mond.
S. 68.
[Beginn Spaltensatz] Sieh, da trauen ich wieder,
Lächle, lieber Mond.
In das That hernieder
Wo mein Mädchen wohnt! '[Spaltenumbruch] Aus der kleinen Hütte
Blickt sie nun nach dir!
Mit der Liebe Sitte
Träumt sie auch von mir; [Ende Spaltensatz]
Danket im Gebete
Vor dem Schöpfer mein:
Gute Nacht, Lisette,
Ewig bin ich dein!
Lied einer Schnitterin.
S. 60.
[Beginn Spaltensatz]
Laß dich schneiden, laß dich schneiden,
Ernte, reif und warm:
Sieh, ein Mädchen voller Freuden
Sammelt dich im Arm.
Daß sich Fleiß und Arbeit nähre,
Reift dich Sonnenstrahl.
Falle, falle, goldne Ähre.
Alles fällt einmal. [Spaltenumbruch] Abends bindt man dich in Garben,
Führt dich jauchzend heim.
Menschen kamen auch und starben,
Alles kehret heim.
Einst auch fall ich Schnittcrmädchcu
So dahin, dahin,
Und es regt sich wohl kein Blättchen,
Daß ich nicht mehr bin. [Ende Spaltensatz]
Falle, falle, goldne Aehre,
Reif vom Sonnenstrahl,
Trink zur Leze diese Zähre
Unter Sang im Thal.

Grenzboten III. 1864.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189360"/>
            <p xml:id="ID_970" prev="#ID_969"> verbarg es sein sonst so heitres Gesicht in die Schürze, setzte sich, als ob es<lb/>
sich müde gelaufen, aus die Ban?, ließ dann die Hand mit der Schürze sinken<lb/>
und wollte erzählen. Sobald sie aber den Namen eines ihr bestimmten Bräu¬<lb/>
tigams genannt, konnte sie vor Weinen nicht mehr seinen Wohnort ansagen.<lb/>
Mit gefalteten Händen trat sie vor unsern Vater und Mutter unter einem<lb/>
Strom von Thränen hin und bat, sie möchten es doch als ihr Kind aufnehmen.<lb/>
Der Vater, der ihr Lehrer gewesen, machte ihr alle möglichen Vorstellungen,<lb/>
daß es aus diese Art nicht angehen könne, versprach ihr aber, daheim ein Für-<lb/>
biett einzulegen. Der Bruder stand neben der Mutter und sah mit nassen<lb/>
Augen in die ihrigen, um drinnen zu lesen, ob sie auch so wie der Vater ge¬<lb/>
sinnt sei. Es gelang der Mutter, das Mädchen ein wenig zu beruhigen und<lb/>
es zu bewegen, wieder heim zu gehen. Dies war sein letzter Besuch, bald<lb/>
darauf mußte es sich ungeachtet seiner zarten Jugend verheirathen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_971"> Mehre Lieder in Ambühls lyrischen Gedichten beweisen den tiefen dau¬<lb/>
ernden Eindruck, den diese Jugendliebe aus sein Herz gemacht hat.  In seiner<lb/>
Phantasie behielt Elise eine heilige Stelle, er starb unbeweibt.  Nach seinem<lb/>
Tode sind seine lyrischen Gedichte durch seinen Freund Gregor Grob heraus¬<lb/>
gegeben worden: Se. Gallen und Leipzig, 1803, und dieser Ausgabe sind so¬<lb/>
wohl die Angaben über den Dichter als auch nachfolgende Verse entnommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_972"><note type="bibl"> Johann Ludwig Ambühls </note> AusGedichten.  Se. Gallen, 1803.</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_55" type="poem">
              <head> An den Mond. </head>
              <l>  S. 68.<lb/><lb/>
<cb type="start"/>
Sieh, da trauen ich wieder,<lb/>
Lächle, lieber Mond.<lb/>
In das That hernieder<lb/>
Wo mein Mädchen wohnt!     '<cb/>
Aus der kleinen Hütte<lb/>
Blickt sie nun nach dir!<lb/>
Mit der Liebe Sitte<lb/>
Träumt sie auch von mir; <cb type="end"/><lb/>
Danket im Gebete<lb/>
Vor dem Schöpfer mein:<lb/>
Gute Nacht, Lisette,<lb/>
Ewig bin ich dein! </l>
            </lg><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_56" type="poem">
              <head> Lied einer Schnitterin.</head>
              <l> S. 60.<lb/><lb/>
<cb type="start"/><lb/>
Laß dich schneiden, laß dich schneiden,<lb/>
Ernte, reif und warm:<lb/>
Sieh, ein Mädchen voller Freuden<lb/>
Sammelt dich im Arm.<lb/>
Daß sich Fleiß und Arbeit nähre,<lb/>
Reift dich Sonnenstrahl.<lb/>
Falle, falle, goldne Ähre.<lb/>
Alles fällt einmal. <cb/>
Abends bindt man dich in Garben,<lb/>
Führt dich jauchzend heim.<lb/>
Menschen kamen auch und starben,<lb/>
Alles kehret heim.<lb/>
Einst auch fall ich Schnittcrmädchcu<lb/>
So dahin, dahin,<lb/>
Und es regt sich wohl kein Blättchen,<lb/>
Daß ich nicht mehr bin. <cb type="end"/><lb/>
Falle, falle, goldne Aehre,<lb/>
Reif vom Sonnenstrahl,<lb/>
Trink zur Leze diese Zähre<lb/>
Unter Sang im Thal. </l>
            </lg><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1864.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] verbarg es sein sonst so heitres Gesicht in die Schürze, setzte sich, als ob es sich müde gelaufen, aus die Ban?, ließ dann die Hand mit der Schürze sinken und wollte erzählen. Sobald sie aber den Namen eines ihr bestimmten Bräu¬ tigams genannt, konnte sie vor Weinen nicht mehr seinen Wohnort ansagen. Mit gefalteten Händen trat sie vor unsern Vater und Mutter unter einem Strom von Thränen hin und bat, sie möchten es doch als ihr Kind aufnehmen. Der Vater, der ihr Lehrer gewesen, machte ihr alle möglichen Vorstellungen, daß es aus diese Art nicht angehen könne, versprach ihr aber, daheim ein Für- biett einzulegen. Der Bruder stand neben der Mutter und sah mit nassen Augen in die ihrigen, um drinnen zu lesen, ob sie auch so wie der Vater ge¬ sinnt sei. Es gelang der Mutter, das Mädchen ein wenig zu beruhigen und es zu bewegen, wieder heim zu gehen. Dies war sein letzter Besuch, bald darauf mußte es sich ungeachtet seiner zarten Jugend verheirathen." Mehre Lieder in Ambühls lyrischen Gedichten beweisen den tiefen dau¬ ernden Eindruck, den diese Jugendliebe aus sein Herz gemacht hat. In seiner Phantasie behielt Elise eine heilige Stelle, er starb unbeweibt. Nach seinem Tode sind seine lyrischen Gedichte durch seinen Freund Gregor Grob heraus¬ gegeben worden: Se. Gallen und Leipzig, 1803, und dieser Ausgabe sind so¬ wohl die Angaben über den Dichter als auch nachfolgende Verse entnommen. Johann Ludwig Ambühls AusGedichten. Se. Gallen, 1803. An den Mond. S. 68. Sieh, da trauen ich wieder, Lächle, lieber Mond. In das That hernieder Wo mein Mädchen wohnt! ' Aus der kleinen Hütte Blickt sie nun nach dir! Mit der Liebe Sitte Träumt sie auch von mir; Danket im Gebete Vor dem Schöpfer mein: Gute Nacht, Lisette, Ewig bin ich dein! Lied einer Schnitterin. S. 60. Laß dich schneiden, laß dich schneiden, Ernte, reif und warm: Sieh, ein Mädchen voller Freuden Sammelt dich im Arm. Daß sich Fleiß und Arbeit nähre, Reift dich Sonnenstrahl. Falle, falle, goldne Ähre. Alles fällt einmal. Abends bindt man dich in Garben, Führt dich jauchzend heim. Menschen kamen auch und starben, Alles kehret heim. Einst auch fall ich Schnittcrmädchcu So dahin, dahin, Und es regt sich wohl kein Blättchen, Daß ich nicht mehr bin. Falle, falle, goldne Aehre, Reif vom Sonnenstrahl, Trink zur Leze diese Zähre Unter Sang im Thal. Grenzboten III. 1864.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/265>, abgerufen am 28.09.2024.