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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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suchend an deren Platze Geßlcrn findet. Beide kennen sich nicht. Der Land-
Vogt forscht ihn über die Volksstimmung aus und erfährt, daß man nicht so¬
wohl über den Kaiser als über dessen Vogt aufgebracht sei. Darüber hat sich
Melchthal selbst verrathen, wird gefangen gesetzt und darauf im Kerker noch
durch den Vertrauten Ulrich weiter ausgeholt. Die Kunde hiervon verbreitet
sich, Tell mit den Landsleuten beschließt, die Burgen aller Vögte zu stürmen.

III. Act. Geßlers Wachen haben einen neuen Verräther gefangen ein¬
gebracht; da man ihn nicht kennt und seine Kühnheit Erstaunen erregt, wird
Melchthal herbeigeführt und gewahrt den Tell. Nun ist das Complot entdeckt,
dieser gefesselte Unterwaldner hatte bei dem kühnen Urner Hilfe und Rath ge¬
gen den Landvogt gesucht, und die Beiden pochen auch hier noch trotzig auf
ihr Recht. Werden auch, sagt Melchthal, mein Vater, mein Freund und ich
dein Opfer, dennoch bleiben die drei Länder unsre Gesinnungsgenossen. Cleofas
bittere Klagen unterbrechen diesen Männerstreit. Sie bittet mit ihrem Sohne
um des Gemahls Freiheit. Geßler gesteht ihr diese zu, aber gegen die Aufgabe,
daß Tell den Probeschuß thue nach dem Apfel auf des Sohnes Haupte. Wäh¬
rend der Schütze von den Wachen hinweggeführt wird zu seinem Standplätze
auf dem Markte, wendet sich Cleofas Schmerz vergebens gegen die Soldaten,
und Geßler schleppt den gefesselten Melchthal mit auf den öffentlichen Platz
hinab.

IV. Act. Cleofa, allein in den doppelten Bekümmernissen der Gattin und
Mutter, erhält von Fürst die Nachricht, daß Teil den Schuß gethan; noch be¬
vor er ausgeredet hat, sieht sie den geretteten Knaben ihr entgegenbringen.
Inzwischen aber hat das verhängnißvolle Gespräch zwischen dem Vogt und Tell
stattgefunden über den Zweck des zweiten Schützcnpfeilcs, in Folge dessen der
Schütze abermals Gefangener wird. Doch der Jubel des Volkes über den ge¬
lungenen Apfelschuß schallt dem Vogt zu heftig im Ohre nach, und er fühlt,
daß die beiden gefangenen Aufrührer hier zu Lande nicht wohl verwahrt wer¬
den könnten. Sie sollen daher schleunig nach Küßnach übergeschifft werden,
und er selbst macht sich reisefertig.

V. Act. Cleofa verwünscht den Walter Fürst, daß er ein stillschweigender
Zuschauer geblieben, da ihr Mann und ihr Sohn erst von Geßlers Grausam¬
keit mißbraucht und nun zum zweiten Mal gefangen hinweggeführt worden sind.
Sie vernimmt zur Beruhigung, daß Werner bereits über den See vorausgeeilt
sei, um die Eingeschifften zu befreien. Auf ihre zweite Frage, warum Fürst
sich nicht selber dabei betheilige, hört sie, daß eben in dieser heutigen Nacht
während Geßlers Abwesenheit die altorfer Burg gestürmt werden solle. In¬
zwischen wird die Frau mit Schrecken des Gewitters gewahr, das sich immer
drohender über dem See zusammenzieht, will aber ihren Augen kaum trauen,
da sie alsbald den athemlosen Melchthal eintreten sieht, der ihr vom Sturm


suchend an deren Platze Geßlcrn findet. Beide kennen sich nicht. Der Land-
Vogt forscht ihn über die Volksstimmung aus und erfährt, daß man nicht so¬
wohl über den Kaiser als über dessen Vogt aufgebracht sei. Darüber hat sich
Melchthal selbst verrathen, wird gefangen gesetzt und darauf im Kerker noch
durch den Vertrauten Ulrich weiter ausgeholt. Die Kunde hiervon verbreitet
sich, Tell mit den Landsleuten beschließt, die Burgen aller Vögte zu stürmen.

III. Act. Geßlers Wachen haben einen neuen Verräther gefangen ein¬
gebracht; da man ihn nicht kennt und seine Kühnheit Erstaunen erregt, wird
Melchthal herbeigeführt und gewahrt den Tell. Nun ist das Complot entdeckt,
dieser gefesselte Unterwaldner hatte bei dem kühnen Urner Hilfe und Rath ge¬
gen den Landvogt gesucht, und die Beiden pochen auch hier noch trotzig auf
ihr Recht. Werden auch, sagt Melchthal, mein Vater, mein Freund und ich
dein Opfer, dennoch bleiben die drei Länder unsre Gesinnungsgenossen. Cleofas
bittere Klagen unterbrechen diesen Männerstreit. Sie bittet mit ihrem Sohne
um des Gemahls Freiheit. Geßler gesteht ihr diese zu, aber gegen die Aufgabe,
daß Tell den Probeschuß thue nach dem Apfel auf des Sohnes Haupte. Wäh¬
rend der Schütze von den Wachen hinweggeführt wird zu seinem Standplätze
auf dem Markte, wendet sich Cleofas Schmerz vergebens gegen die Soldaten,
und Geßler schleppt den gefesselten Melchthal mit auf den öffentlichen Platz
hinab.

IV. Act. Cleofa, allein in den doppelten Bekümmernissen der Gattin und
Mutter, erhält von Fürst die Nachricht, daß Teil den Schuß gethan; noch be¬
vor er ausgeredet hat, sieht sie den geretteten Knaben ihr entgegenbringen.
Inzwischen aber hat das verhängnißvolle Gespräch zwischen dem Vogt und Tell
stattgefunden über den Zweck des zweiten Schützcnpfeilcs, in Folge dessen der
Schütze abermals Gefangener wird. Doch der Jubel des Volkes über den ge¬
lungenen Apfelschuß schallt dem Vogt zu heftig im Ohre nach, und er fühlt,
daß die beiden gefangenen Aufrührer hier zu Lande nicht wohl verwahrt wer¬
den könnten. Sie sollen daher schleunig nach Küßnach übergeschifft werden,
und er selbst macht sich reisefertig.

V. Act. Cleofa verwünscht den Walter Fürst, daß er ein stillschweigender
Zuschauer geblieben, da ihr Mann und ihr Sohn erst von Geßlers Grausam¬
keit mißbraucht und nun zum zweiten Mal gefangen hinweggeführt worden sind.
Sie vernimmt zur Beruhigung, daß Werner bereits über den See vorausgeeilt
sei, um die Eingeschifften zu befreien. Auf ihre zweite Frage, warum Fürst
sich nicht selber dabei betheilige, hört sie, daß eben in dieser heutigen Nacht
während Geßlers Abwesenheit die altorfer Burg gestürmt werden solle. In¬
zwischen wird die Frau mit Schrecken des Gewitters gewahr, das sich immer
drohender über dem See zusammenzieht, will aber ihren Augen kaum trauen,
da sie alsbald den athemlosen Melchthal eintreten sieht, der ihr vom Sturm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/240>, abgerufen am 28.09.2024.