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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Auch betreffs der Ober-, Unter- und Platzcommandanten im ganzen Lande war
es nicht besser bestellt. Mit geringen Ausnahmen hatte er lauter Bauern dazu
ausersehen, darunter solche, die, wie Jakob Torgler im südlichen Tirol, weder
lesen noch schreiben konnten. Auf das Ungeschick des letzteren in der Leitung
der dortigen Angelegenheiten ist vorzüglich in Trient die Wirthschaft Dalpontes
zu schreiben, eines Schwindlers, der eine Bande von Räubern, Mördern und
französischen Ausreißern anwarb. Kriegssteuern aufschrieb, plündernd im Lande
umherzog und seinen Unfug nicht eher einstellte, als bis man seiner endlich hab¬
haft wurde. Ein anderer dieser Befehlshaber, Johann Nepomuck v. Kolb, Hofers
innigster Freund, gab Erscheinungen vor, womit ihn die Jungfrau Maria und
die Engel begnadigten. Hofer selbst nährte großartige Kriegsgedanken. Er
verordnete, daß alle waffenfähige Mannschaft von achtzehn bis sechzig Jahren
beschrieben, in Compagnien eingetheilt und unter selbst gewählte Offiziere ge¬
stellt werde. Wenn zu ihrer Besoldung das Geld fehlte, war ihm dafür der
Segen des Himmels gewiß. An diesem hing er so fest, daß den östreichischen
Waffen der endliche Sieg gar nicht fehlen konnte, und da auch Erzherzog Johann
immerfort zur standhaften Vertheidigung Tirols ermunterte, glaubte er die
wunderlichsten Nachrichten. In Folge einer aus dem k. k. Hoflager durch einen
"Vertrauten" angelangten Depesche gab er seinen "lieben Landsleuten" am
1. September öffentlich bekannt, daß blos "die Hauptarmee ohne die beträcht¬
lichen Corps der Erzherzoge Johann und Ferdinand, die hungarische Jnsurrec-
tion und die böhmischen so wie östreichischen Landwehren über 300,000 Mann
zähle." Daran war die Versicherung geknüpft: "das mächtige Haus Oestreich
sei durchaus und immer bedacht, seine getreuen Länder Tirol und Vorarlberg
als die Perle seiner Staaten zu erhalten oder wenigstens für einen östreichischen
Prinzen zu behaupten." Etwa vierzehn Tage später, als ihm der in die Ge¬
fangenschaft zurückgekehrte Baron Völderndorff die Sachlage anders schilderte,
hatte er freilich einige muthlose Augenblicke und dachte auf kurze Zeit allen
Ernstes daran, eine Deputation an den Kaiser Napoleon zu senden, die von
ihm Schutz erflehen sollte. Dies hinderte ihn jedoch nicht, ein paar Tage
später einen Aufruf an die Bewohner Kärnthens zu erlassen, worin er sie im
Vertrauen auf den "sichtbaren Beistand des Himmels" mit Hilfe seiner tiroler
Schützen den Feind aus ihrem Lande zu jagen antrieb. Zu gleicher Zeit
sandte er dem Kapuziner Haspinger und Speckbacher Mannschaft und Munition
zu einem Einfall ins Saizburgisch^ nach, wo der letztere Napoleon auf seiner
Rückkehr abschneiden und fangen wollte. So verstand Hofer die Haltung des
Waffenstillstands, dessen Verletzung er dem Feinde vorgeworfen; der Ausfall
nach Gotting und Hallein war jedenfalls ein offenbarer Bruch desselben, wenn
man auch den mißglückter Streifzug der Freischaaren Luxheims gegen Belluno
und die Kämpfe in Wälschtirol als durch das Andringen des Feindes hervor-


Auch betreffs der Ober-, Unter- und Platzcommandanten im ganzen Lande war
es nicht besser bestellt. Mit geringen Ausnahmen hatte er lauter Bauern dazu
ausersehen, darunter solche, die, wie Jakob Torgler im südlichen Tirol, weder
lesen noch schreiben konnten. Auf das Ungeschick des letzteren in der Leitung
der dortigen Angelegenheiten ist vorzüglich in Trient die Wirthschaft Dalpontes
zu schreiben, eines Schwindlers, der eine Bande von Räubern, Mördern und
französischen Ausreißern anwarb. Kriegssteuern aufschrieb, plündernd im Lande
umherzog und seinen Unfug nicht eher einstellte, als bis man seiner endlich hab¬
haft wurde. Ein anderer dieser Befehlshaber, Johann Nepomuck v. Kolb, Hofers
innigster Freund, gab Erscheinungen vor, womit ihn die Jungfrau Maria und
die Engel begnadigten. Hofer selbst nährte großartige Kriegsgedanken. Er
verordnete, daß alle waffenfähige Mannschaft von achtzehn bis sechzig Jahren
beschrieben, in Compagnien eingetheilt und unter selbst gewählte Offiziere ge¬
stellt werde. Wenn zu ihrer Besoldung das Geld fehlte, war ihm dafür der
Segen des Himmels gewiß. An diesem hing er so fest, daß den östreichischen
Waffen der endliche Sieg gar nicht fehlen konnte, und da auch Erzherzog Johann
immerfort zur standhaften Vertheidigung Tirols ermunterte, glaubte er die
wunderlichsten Nachrichten. In Folge einer aus dem k. k. Hoflager durch einen
„Vertrauten" angelangten Depesche gab er seinen „lieben Landsleuten" am
1. September öffentlich bekannt, daß blos „die Hauptarmee ohne die beträcht¬
lichen Corps der Erzherzoge Johann und Ferdinand, die hungarische Jnsurrec-
tion und die böhmischen so wie östreichischen Landwehren über 300,000 Mann
zähle." Daran war die Versicherung geknüpft: „das mächtige Haus Oestreich
sei durchaus und immer bedacht, seine getreuen Länder Tirol und Vorarlberg
als die Perle seiner Staaten zu erhalten oder wenigstens für einen östreichischen
Prinzen zu behaupten." Etwa vierzehn Tage später, als ihm der in die Ge¬
fangenschaft zurückgekehrte Baron Völderndorff die Sachlage anders schilderte,
hatte er freilich einige muthlose Augenblicke und dachte auf kurze Zeit allen
Ernstes daran, eine Deputation an den Kaiser Napoleon zu senden, die von
ihm Schutz erflehen sollte. Dies hinderte ihn jedoch nicht, ein paar Tage
später einen Aufruf an die Bewohner Kärnthens zu erlassen, worin er sie im
Vertrauen auf den „sichtbaren Beistand des Himmels" mit Hilfe seiner tiroler
Schützen den Feind aus ihrem Lande zu jagen antrieb. Zu gleicher Zeit
sandte er dem Kapuziner Haspinger und Speckbacher Mannschaft und Munition
zu einem Einfall ins Saizburgisch^ nach, wo der letztere Napoleon auf seiner
Rückkehr abschneiden und fangen wollte. So verstand Hofer die Haltung des
Waffenstillstands, dessen Verletzung er dem Feinde vorgeworfen; der Ausfall
nach Gotting und Hallein war jedenfalls ein offenbarer Bruch desselben, wenn
man auch den mißglückter Streifzug der Freischaaren Luxheims gegen Belluno
und die Kämpfe in Wälschtirol als durch das Andringen des Feindes hervor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/24>, abgerufen am 28.09.2024.