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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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einen Pistolenschuß betäubt , Henzi in einem Straßenkampfe gegen Viele förm¬
lich entwaffnet worden. Ein Verzeichnis; der Mitverschwornen trug Henzi im
Kleide verborgen, er zerriß es und verschluckte die Stücke Angesichts der Richter.
Auch die Folter ertrug er, ohne einen Namen zu nennen, seine eignen Plane
lciugnete er nicht ab. Wie die Untersuchung mehr Theilnehmer ergab, als die
Regierung zu hören wünschte, sprach man den drei Hauptangeklagten rasch das
Todesurtheil und vollzog es schon am 17. Juli vor dem Obern'thvr. Werniers
Haupt siel erst mit dem dritten Hiebe. Henzi war verurtheilt Augenzeuge zu sein.
Auch ihn verwundete der erste Hieb nur. Darauf soll er sich zum Scharfrichter
gewendet und gesagt haben: Durichtest, wie deine Herren urtheilen! Nicht ein¬
mal der zweite Streich trennte den Kopf, mit einem Messer mußte er vollends
abgeschnitten werden. Fuetcr erschien als gewesener Stadtlicutenant der Schul¬
digste, deshalb wurde ihm vor dem Tode die rechte Hand abgehauen. Er blieb
standhaft. Als ihm aber der erste Schwcrthicb in die Schulter fuhr, schrie er
laut aus, erst der zweite machte seinen Leiden ein Ende. Die Mitverschwornen
und einen Theil ihrer Familien traf lebenslängliche Landesverweisung. Als der
Zug der Verbannten am Ufer des Rheines ankam, soll Henzis Wittwe,
eine Italienerin, den einen ihrer beiden unmündigen Söhne in den Strom
geworfen und an den Haaren wieder ins Schiff hereingezogen haben, auf daß
er nicht vergesse, das Blut des Vaters zu rächen. Einer dieser Söhne fand
in den Niederlanden eine Stelle bei der Leibwache des Prinz Statthalters und
starb dort. Die ihm aufgetragne Rache übte er dadurch, daß er von seinem
Wohlstand armen Bernerbürgern in der Fremde edelmüthig mittheilte.

Ein Enkel des Enthaupteten wurde der Baron von Henzi, der im Jahre 1848
als östreichischer Oberoffizier eine Zuschrift an die schweizer Bundesregierung
richtete, worin er sich die Restitution seines berner Namens und Bürgerrechtes
erbat. Er ist tapfer fechtend für seinen Kaiser auf den Festungswällen von
Ofen gefallen gegen die unter Görgey stürmenden Ungarn. Ein anderer Enkel
siedelte sich später im Aargau an und erbaute das Henzigut, rechts an der
Heerstraße gelegen, die von dem Dorfe Entfalten nach Subr und Aarau
führt. Unser Dichter Lessing fühlte sich, wie er sagt, von keiner Begebenheit
der neuesten Geschichte mehr gerührt, als von diesem Schicksal Henzis. In
seinem Gerechtigkeitsgefühl drängte es ihn, diesen trostlos lassenden Schatten
zu beruhigen. So sich Horazens Wort zurufend: "Melmwi- cal-inne manch!"
begann er das Trauerspiel Samuel Henzi zu schreiben. Allein die Regierung
von Bern rief die deutsche Ecnsur gegen den Dichter auf, dann befahl sie ih¬
rem Ein. Haller. des großen Albrecht Hallers Sohn, in der Bibliothek der
Schweizer Geschichte Lessings Plan anzubellen, und das Trauerspiel Henzi blieb
Fragment. Auch über den Mann selbst ist mit Sicherheit nicht mehr, als hier
steht, zu erfahren. Auf damaligen Ncgierungsbeschluß wurden die Verhöre und


Grenzboten III. 18K4. 29

einen Pistolenschuß betäubt , Henzi in einem Straßenkampfe gegen Viele förm¬
lich entwaffnet worden. Ein Verzeichnis; der Mitverschwornen trug Henzi im
Kleide verborgen, er zerriß es und verschluckte die Stücke Angesichts der Richter.
Auch die Folter ertrug er, ohne einen Namen zu nennen, seine eignen Plane
lciugnete er nicht ab. Wie die Untersuchung mehr Theilnehmer ergab, als die
Regierung zu hören wünschte, sprach man den drei Hauptangeklagten rasch das
Todesurtheil und vollzog es schon am 17. Juli vor dem Obern'thvr. Werniers
Haupt siel erst mit dem dritten Hiebe. Henzi war verurtheilt Augenzeuge zu sein.
Auch ihn verwundete der erste Hieb nur. Darauf soll er sich zum Scharfrichter
gewendet und gesagt haben: Durichtest, wie deine Herren urtheilen! Nicht ein¬
mal der zweite Streich trennte den Kopf, mit einem Messer mußte er vollends
abgeschnitten werden. Fuetcr erschien als gewesener Stadtlicutenant der Schul¬
digste, deshalb wurde ihm vor dem Tode die rechte Hand abgehauen. Er blieb
standhaft. Als ihm aber der erste Schwcrthicb in die Schulter fuhr, schrie er
laut aus, erst der zweite machte seinen Leiden ein Ende. Die Mitverschwornen
und einen Theil ihrer Familien traf lebenslängliche Landesverweisung. Als der
Zug der Verbannten am Ufer des Rheines ankam, soll Henzis Wittwe,
eine Italienerin, den einen ihrer beiden unmündigen Söhne in den Strom
geworfen und an den Haaren wieder ins Schiff hereingezogen haben, auf daß
er nicht vergesse, das Blut des Vaters zu rächen. Einer dieser Söhne fand
in den Niederlanden eine Stelle bei der Leibwache des Prinz Statthalters und
starb dort. Die ihm aufgetragne Rache übte er dadurch, daß er von seinem
Wohlstand armen Bernerbürgern in der Fremde edelmüthig mittheilte.

Ein Enkel des Enthaupteten wurde der Baron von Henzi, der im Jahre 1848
als östreichischer Oberoffizier eine Zuschrift an die schweizer Bundesregierung
richtete, worin er sich die Restitution seines berner Namens und Bürgerrechtes
erbat. Er ist tapfer fechtend für seinen Kaiser auf den Festungswällen von
Ofen gefallen gegen die unter Görgey stürmenden Ungarn. Ein anderer Enkel
siedelte sich später im Aargau an und erbaute das Henzigut, rechts an der
Heerstraße gelegen, die von dem Dorfe Entfalten nach Subr und Aarau
führt. Unser Dichter Lessing fühlte sich, wie er sagt, von keiner Begebenheit
der neuesten Geschichte mehr gerührt, als von diesem Schicksal Henzis. In
seinem Gerechtigkeitsgefühl drängte es ihn, diesen trostlos lassenden Schatten
zu beruhigen. So sich Horazens Wort zurufend: „Melmwi- cal-inne manch!"
begann er das Trauerspiel Samuel Henzi zu schreiben. Allein die Regierung
von Bern rief die deutsche Ecnsur gegen den Dichter auf, dann befahl sie ih¬
rem Ein. Haller. des großen Albrecht Hallers Sohn, in der Bibliothek der
Schweizer Geschichte Lessings Plan anzubellen, und das Trauerspiel Henzi blieb
Fragment. Auch über den Mann selbst ist mit Sicherheit nicht mehr, als hier
steht, zu erfahren. Auf damaligen Ncgierungsbeschluß wurden die Verhöre und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/233>, abgerufen am 28.09.2024.