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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Die Dänen, welche hier einen ernstlichen Widerstand nicht beabsichtigt und
schon vorher alles zum Rückzüge vorbereitet hatten, räumten, sobald sie die
ersten Bewegungen der Gegner bemerkten, das Kronwerk und zogen sich auf
der Schleswiger Chaussee auf ihre hinter dem Dannewerk stehende Hauptmacht
zurück, wobei sie ihren Verfolgern das nachrücken durch Zerstörung mehrer
Brücken möglichst zu erschweren suchten.

Die erste zu Passirende Brücke war jedoch ziemlich unversehrt geblieben;
wahrscheinlich war ihre solide Banart Ursache davon, doch hatte sich unter der
Bevölkerung von Rendsburg und unter den Truppen das unwahre, aber unter
diesen Umständen nicht unwahrscheinliche Gerücht verbreitet, daß der jenseitige
Brückenpfeiler unterminirt worden sei. Baron Baselli. der Oberst des Husaren¬
regimentes Liechtenstein, wollte nun nicht, wie man ihm zumuthete, seine Reiter
ohne Weiteres hinüberjagen und zwecklos in die Luft sprengen, sondern vorher
durch Pioniere und Mineure die nöthigen Vorkehrungen treffen lassen. Diese um¬
sichtige Handlungsweise erregte indessen den Unwillen des Baron v. Gablenz, und
der Bericht des eben im Zenith der Hofgunst stehenden Generals fand in Wien so
unbedingten Glauben, daß der Oberst ohne Weitere Untersuchung des Vorfalles
durch ein kaiserliches Machtwort sofort "krankheitshalber" pensionirt wurde.

Erst am 3. Februar fand, wenn man die bis dahin zwischen einzelnen
Vorposten gewechselten Schüsse unberücksichtigt läßt, der erste Zusammenstoß statt.

Die bei Wittensee stehende Brigade Gondrecourt sollte, von der Brigade
Thomas und der preußischen Gardedivision unterstützt, sich der Orte Jagel,
Ober- und Rinderfett bemächtigen und bis Wedelspang, also bis zum Danne¬
werk vorzudringen suchen.

Betrachtet man die bedeutende Truppenzahl, welche der preußische Feld¬
marschall zur Erreichung des angegebenen Zieles bestimmt hatte, erwägt man,
daß die angeblich nutzlose Kanonade von Missundc doch den wesentlichen Erfolg
gehabt hat, einen großen Theil der Streitkräfte und die ganze Aufmerksamkeit
des Feindes ans den linken Flügel desselben zu ziehen, so erscheint die Lösung
der dem General Gablenz zugewiesenen Aufgabe nicht besonders schwierig.
Aber die einzelnen Dispositionen waren so getroffen worden, daß es die auf
diesem Punkte befindlichen Dänen, etwa zwei Brigaden, eben nur mit der
einen Brigade Gondrecourt zu thun bekamen, und die östreichische Taktik hatte
also, wie fast immer, auch jetzt glücklich das schwierige Problem gelöst, die
Truppen einer dem Feinde überlegenen Armee im Kampfe doch nur in der
Minderzahl auftreten zu lassen.

Es blieb folglich den östreichischen Bataillonen nichts übrig, als sich mit dem
Muthe der Verzweiflung zu schlagen. Und daß auch jetzt die Opfer noch größer
waren, als es nothwendig gewesen wäre, dafür sorgten schon die den Leuten
eingedrillte Taktik und die Statuten des Theresienordens, nach welchen nur


Die Dänen, welche hier einen ernstlichen Widerstand nicht beabsichtigt und
schon vorher alles zum Rückzüge vorbereitet hatten, räumten, sobald sie die
ersten Bewegungen der Gegner bemerkten, das Kronwerk und zogen sich auf
der Schleswiger Chaussee auf ihre hinter dem Dannewerk stehende Hauptmacht
zurück, wobei sie ihren Verfolgern das nachrücken durch Zerstörung mehrer
Brücken möglichst zu erschweren suchten.

Die erste zu Passirende Brücke war jedoch ziemlich unversehrt geblieben;
wahrscheinlich war ihre solide Banart Ursache davon, doch hatte sich unter der
Bevölkerung von Rendsburg und unter den Truppen das unwahre, aber unter
diesen Umständen nicht unwahrscheinliche Gerücht verbreitet, daß der jenseitige
Brückenpfeiler unterminirt worden sei. Baron Baselli. der Oberst des Husaren¬
regimentes Liechtenstein, wollte nun nicht, wie man ihm zumuthete, seine Reiter
ohne Weiteres hinüberjagen und zwecklos in die Luft sprengen, sondern vorher
durch Pioniere und Mineure die nöthigen Vorkehrungen treffen lassen. Diese um¬
sichtige Handlungsweise erregte indessen den Unwillen des Baron v. Gablenz, und
der Bericht des eben im Zenith der Hofgunst stehenden Generals fand in Wien so
unbedingten Glauben, daß der Oberst ohne Weitere Untersuchung des Vorfalles
durch ein kaiserliches Machtwort sofort „krankheitshalber" pensionirt wurde.

Erst am 3. Februar fand, wenn man die bis dahin zwischen einzelnen
Vorposten gewechselten Schüsse unberücksichtigt läßt, der erste Zusammenstoß statt.

Die bei Wittensee stehende Brigade Gondrecourt sollte, von der Brigade
Thomas und der preußischen Gardedivision unterstützt, sich der Orte Jagel,
Ober- und Rinderfett bemächtigen und bis Wedelspang, also bis zum Danne¬
werk vorzudringen suchen.

Betrachtet man die bedeutende Truppenzahl, welche der preußische Feld¬
marschall zur Erreichung des angegebenen Zieles bestimmt hatte, erwägt man,
daß die angeblich nutzlose Kanonade von Missundc doch den wesentlichen Erfolg
gehabt hat, einen großen Theil der Streitkräfte und die ganze Aufmerksamkeit
des Feindes ans den linken Flügel desselben zu ziehen, so erscheint die Lösung
der dem General Gablenz zugewiesenen Aufgabe nicht besonders schwierig.
Aber die einzelnen Dispositionen waren so getroffen worden, daß es die auf
diesem Punkte befindlichen Dänen, etwa zwei Brigaden, eben nur mit der
einen Brigade Gondrecourt zu thun bekamen, und die östreichische Taktik hatte
also, wie fast immer, auch jetzt glücklich das schwierige Problem gelöst, die
Truppen einer dem Feinde überlegenen Armee im Kampfe doch nur in der
Minderzahl auftreten zu lassen.

Es blieb folglich den östreichischen Bataillonen nichts übrig, als sich mit dem
Muthe der Verzweiflung zu schlagen. Und daß auch jetzt die Opfer noch größer
waren, als es nothwendig gewesen wäre, dafür sorgten schon die den Leuten
eingedrillte Taktik und die Statuten des Theresienordens, nach welchen nur


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[0214] Die Dänen, welche hier einen ernstlichen Widerstand nicht beabsichtigt und schon vorher alles zum Rückzüge vorbereitet hatten, räumten, sobald sie die ersten Bewegungen der Gegner bemerkten, das Kronwerk und zogen sich auf der Schleswiger Chaussee auf ihre hinter dem Dannewerk stehende Hauptmacht zurück, wobei sie ihren Verfolgern das nachrücken durch Zerstörung mehrer Brücken möglichst zu erschweren suchten. Die erste zu Passirende Brücke war jedoch ziemlich unversehrt geblieben; wahrscheinlich war ihre solide Banart Ursache davon, doch hatte sich unter der Bevölkerung von Rendsburg und unter den Truppen das unwahre, aber unter diesen Umständen nicht unwahrscheinliche Gerücht verbreitet, daß der jenseitige Brückenpfeiler unterminirt worden sei. Baron Baselli. der Oberst des Husaren¬ regimentes Liechtenstein, wollte nun nicht, wie man ihm zumuthete, seine Reiter ohne Weiteres hinüberjagen und zwecklos in die Luft sprengen, sondern vorher durch Pioniere und Mineure die nöthigen Vorkehrungen treffen lassen. Diese um¬ sichtige Handlungsweise erregte indessen den Unwillen des Baron v. Gablenz, und der Bericht des eben im Zenith der Hofgunst stehenden Generals fand in Wien so unbedingten Glauben, daß der Oberst ohne Weitere Untersuchung des Vorfalles durch ein kaiserliches Machtwort sofort „krankheitshalber" pensionirt wurde. Erst am 3. Februar fand, wenn man die bis dahin zwischen einzelnen Vorposten gewechselten Schüsse unberücksichtigt läßt, der erste Zusammenstoß statt. Die bei Wittensee stehende Brigade Gondrecourt sollte, von der Brigade Thomas und der preußischen Gardedivision unterstützt, sich der Orte Jagel, Ober- und Rinderfett bemächtigen und bis Wedelspang, also bis zum Danne¬ werk vorzudringen suchen. Betrachtet man die bedeutende Truppenzahl, welche der preußische Feld¬ marschall zur Erreichung des angegebenen Zieles bestimmt hatte, erwägt man, daß die angeblich nutzlose Kanonade von Missundc doch den wesentlichen Erfolg gehabt hat, einen großen Theil der Streitkräfte und die ganze Aufmerksamkeit des Feindes ans den linken Flügel desselben zu ziehen, so erscheint die Lösung der dem General Gablenz zugewiesenen Aufgabe nicht besonders schwierig. Aber die einzelnen Dispositionen waren so getroffen worden, daß es die auf diesem Punkte befindlichen Dänen, etwa zwei Brigaden, eben nur mit der einen Brigade Gondrecourt zu thun bekamen, und die östreichische Taktik hatte also, wie fast immer, auch jetzt glücklich das schwierige Problem gelöst, die Truppen einer dem Feinde überlegenen Armee im Kampfe doch nur in der Minderzahl auftreten zu lassen. Es blieb folglich den östreichischen Bataillonen nichts übrig, als sich mit dem Muthe der Verzweiflung zu schlagen. Und daß auch jetzt die Opfer noch größer waren, als es nothwendig gewesen wäre, dafür sorgten schon die den Leuten eingedrillte Taktik und die Statuten des Theresienordens, nach welchen nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/214>, abgerufen am 20.10.2024.