Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Eingeweide und das Blut ihres Körpers sind sie mein und meines Herrn von
Oestreich! Aber ich schwöre, sie gänzlich auszurotten und zu vertilgen:

(Er entweicht aus dem Lande. -- Der Stichelname Schwab bezeichnet in der
Schweiz seit dem sogenannten Schwabenkrieg den deutschen Eindringling).

Der Herold beschließt das Spiel mit einer Anrede an die Zuschauer, er
hebt den Sinn und Gang des Stückes noch einmal hervor:

Die Obrigkeit wird auf diesen Muthwillen der Vögte zurückverwiesen und er¬
mahnt, nun ihrer Leute, besonders der Armen, mit Barmherzigkeit sich an¬
zunehmen; denn mit Milde, mit Ablegung der Hoffart, der Ueppigkeit, des Geizes
und Wuchers werde das Land in seiner Freiheit behauptet werden.

Der junge Ehrensold macht mit einem Nachspruch den Schluß. Dabei
wendet sich dieser Bürgersknabe an seine liebe Vaterstadt Zürich, an die beiden
Bürgermeister und den versammelten Rath. Ihnen allen wünscht er im Namen
des Wilhelm Teilen und dessen Knaben ein glückhaftiges seliges Neujahr an.

Den Schlußworten des Ehrenholds ist zu entnehmen, daß Nuoffs Tellen-
spiel zur züricher Neujahrsfeier 1545 aufgeführt worden ist. Darunter ist
der dort sogenannte Berchtoldstag (2. Januar) verstanden, der schweizerische
Stellvertreter des im Norden zur Feier der Wintersonnenwende begangenen Jul-
fesies, welcher zu Zürich bis heute mit Umzügen, Versammlung der Zünfte,
mit Zunftschmäußen und öffentlichen Gabenvertheilungen fortbegangen wird.
Auch L. Ambühls in der Folge noch näher zu besprechendes Tellenschauspiel
wurde für diese züricher Festfeier geschrieben und aufgeführt. Nicht zu übersehen
ist der spielende Zufall beim Schillerschen Teil; derselbe trägt in der ersten
Ausgabe folgenden Titel: Wilhelm Tell, Schauspiel von Schiller. Zum Nen-
jahrsgeschenk 1806. Tübingen, Cottasche Buchhandlung. 1804. Mit 3
Kupfern. --

Bei einem Rückblick aus das Personenverzeichniß des russischen Stückes
wird vor allem die unerwartete Zählung von vier Eidgenossen auffallen, denen
dann Tell noch als fünfter beitritt; und nicht minder verwundert es, dort


Grenzboten III. 1864. 25

Eingeweide und das Blut ihres Körpers sind sie mein und meines Herrn von
Oestreich! Aber ich schwöre, sie gänzlich auszurotten und zu vertilgen:

(Er entweicht aus dem Lande. — Der Stichelname Schwab bezeichnet in der
Schweiz seit dem sogenannten Schwabenkrieg den deutschen Eindringling).

Der Herold beschließt das Spiel mit einer Anrede an die Zuschauer, er
hebt den Sinn und Gang des Stückes noch einmal hervor:

Die Obrigkeit wird auf diesen Muthwillen der Vögte zurückverwiesen und er¬
mahnt, nun ihrer Leute, besonders der Armen, mit Barmherzigkeit sich an¬
zunehmen; denn mit Milde, mit Ablegung der Hoffart, der Ueppigkeit, des Geizes
und Wuchers werde das Land in seiner Freiheit behauptet werden.

Der junge Ehrensold macht mit einem Nachspruch den Schluß. Dabei
wendet sich dieser Bürgersknabe an seine liebe Vaterstadt Zürich, an die beiden
Bürgermeister und den versammelten Rath. Ihnen allen wünscht er im Namen
des Wilhelm Teilen und dessen Knaben ein glückhaftiges seliges Neujahr an.

Den Schlußworten des Ehrenholds ist zu entnehmen, daß Nuoffs Tellen-
spiel zur züricher Neujahrsfeier 1545 aufgeführt worden ist. Darunter ist
der dort sogenannte Berchtoldstag (2. Januar) verstanden, der schweizerische
Stellvertreter des im Norden zur Feier der Wintersonnenwende begangenen Jul-
fesies, welcher zu Zürich bis heute mit Umzügen, Versammlung der Zünfte,
mit Zunftschmäußen und öffentlichen Gabenvertheilungen fortbegangen wird.
Auch L. Ambühls in der Folge noch näher zu besprechendes Tellenschauspiel
wurde für diese züricher Festfeier geschrieben und aufgeführt. Nicht zu übersehen
ist der spielende Zufall beim Schillerschen Teil; derselbe trägt in der ersten
Ausgabe folgenden Titel: Wilhelm Tell, Schauspiel von Schiller. Zum Nen-
jahrsgeschenk 1806. Tübingen, Cottasche Buchhandlung. 1804. Mit 3
Kupfern. —

Bei einem Rückblick aus das Personenverzeichniß des russischen Stückes
wird vor allem die unerwartete Zählung von vier Eidgenossen auffallen, denen
dann Tell noch als fünfter beitritt; und nicht minder verwundert es, dort


Grenzboten III. 1864. 25
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189296"/>
            <p xml:id="ID_685" prev="#ID_684"> Eingeweide und das Blut ihres Körpers sind sie mein und meines Herrn von<lb/>
Oestreich! Aber ich schwöre, sie gänzlich auszurotten und zu vertilgen:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_44" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_686"> (Er entweicht aus dem Lande. &#x2014; Der Stichelname Schwab bezeichnet in der<lb/>
Schweiz seit dem sogenannten Schwabenkrieg den deutschen Eindringling).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_687"> Der Herold beschließt das Spiel mit einer Anrede an die Zuschauer, er<lb/>
hebt den Sinn und Gang des Stückes noch einmal hervor:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_45" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_688"> Die Obrigkeit wird auf diesen Muthwillen der Vögte zurückverwiesen und er¬<lb/>
mahnt, nun ihrer Leute, besonders der Armen, mit Barmherzigkeit sich an¬<lb/>
zunehmen; denn mit Milde, mit Ablegung der Hoffart, der Ueppigkeit, des Geizes<lb/>
und Wuchers werde das Land in seiner Freiheit behauptet werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_689"> Der junge Ehrensold macht mit einem Nachspruch den Schluß. Dabei<lb/>
wendet sich dieser Bürgersknabe an seine liebe Vaterstadt Zürich, an die beiden<lb/>
Bürgermeister und den versammelten Rath. Ihnen allen wünscht er im Namen<lb/>
des Wilhelm Teilen und dessen Knaben ein glückhaftiges seliges Neujahr an.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_690"> Den Schlußworten des Ehrenholds ist zu entnehmen, daß Nuoffs Tellen-<lb/>
spiel zur züricher Neujahrsfeier 1545 aufgeführt worden ist. Darunter ist<lb/>
der dort sogenannte Berchtoldstag (2. Januar) verstanden, der schweizerische<lb/>
Stellvertreter des im Norden zur Feier der Wintersonnenwende begangenen Jul-<lb/>
fesies, welcher zu Zürich bis heute mit Umzügen, Versammlung der Zünfte,<lb/>
mit Zunftschmäußen und öffentlichen Gabenvertheilungen fortbegangen wird.<lb/>
Auch L. Ambühls in der Folge noch näher zu besprechendes Tellenschauspiel<lb/>
wurde für diese züricher Festfeier geschrieben und aufgeführt. Nicht zu übersehen<lb/>
ist der spielende Zufall beim Schillerschen Teil; derselbe trägt in der ersten<lb/>
Ausgabe folgenden Titel: Wilhelm Tell, Schauspiel von Schiller. Zum Nen-<lb/>
jahrsgeschenk 1806. Tübingen, Cottasche Buchhandlung. 1804. Mit 3<lb/>
Kupfern. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_691" next="#ID_692"> Bei einem Rückblick aus das Personenverzeichniß des russischen Stückes<lb/>
wird vor allem die unerwartete Zählung von vier Eidgenossen auffallen, denen<lb/>
dann Tell noch als fünfter beitritt; und nicht minder verwundert es, dort</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1864. 25</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0201] Eingeweide und das Blut ihres Körpers sind sie mein und meines Herrn von Oestreich! Aber ich schwöre, sie gänzlich auszurotten und zu vertilgen: (Er entweicht aus dem Lande. — Der Stichelname Schwab bezeichnet in der Schweiz seit dem sogenannten Schwabenkrieg den deutschen Eindringling). Der Herold beschließt das Spiel mit einer Anrede an die Zuschauer, er hebt den Sinn und Gang des Stückes noch einmal hervor: Die Obrigkeit wird auf diesen Muthwillen der Vögte zurückverwiesen und er¬ mahnt, nun ihrer Leute, besonders der Armen, mit Barmherzigkeit sich an¬ zunehmen; denn mit Milde, mit Ablegung der Hoffart, der Ueppigkeit, des Geizes und Wuchers werde das Land in seiner Freiheit behauptet werden. Der junge Ehrensold macht mit einem Nachspruch den Schluß. Dabei wendet sich dieser Bürgersknabe an seine liebe Vaterstadt Zürich, an die beiden Bürgermeister und den versammelten Rath. Ihnen allen wünscht er im Namen des Wilhelm Teilen und dessen Knaben ein glückhaftiges seliges Neujahr an. Den Schlußworten des Ehrenholds ist zu entnehmen, daß Nuoffs Tellen- spiel zur züricher Neujahrsfeier 1545 aufgeführt worden ist. Darunter ist der dort sogenannte Berchtoldstag (2. Januar) verstanden, der schweizerische Stellvertreter des im Norden zur Feier der Wintersonnenwende begangenen Jul- fesies, welcher zu Zürich bis heute mit Umzügen, Versammlung der Zünfte, mit Zunftschmäußen und öffentlichen Gabenvertheilungen fortbegangen wird. Auch L. Ambühls in der Folge noch näher zu besprechendes Tellenschauspiel wurde für diese züricher Festfeier geschrieben und aufgeführt. Nicht zu übersehen ist der spielende Zufall beim Schillerschen Teil; derselbe trägt in der ersten Ausgabe folgenden Titel: Wilhelm Tell, Schauspiel von Schiller. Zum Nen- jahrsgeschenk 1806. Tübingen, Cottasche Buchhandlung. 1804. Mit 3 Kupfern. — Bei einem Rückblick aus das Personenverzeichniß des russischen Stückes wird vor allem die unerwartete Zählung von vier Eidgenossen auffallen, denen dann Tell noch als fünfter beitritt; und nicht minder verwundert es, dort Grenzboten III. 1864. 25

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/201
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/201>, abgerufen am 27.09.2024.