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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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wunderlicher Anblick, die GaMon dort an dem Kartoffelgarten -- es ist offen,
bar die Hoffnung mit ihrem goldnen Anker, und die Hauswirthin hat ein
Schweinchen an ihr Emblem gebunden. Vermuthlich soll es frische Luft schö¬
pfen, aber die Gelegenheit nicht benutzen, nach den Kartoffeln zu scharren.
Die gestrandete Hoffnung Schweinehirtin und Kartoffelhüterin -- naives Skagen!

"Straße ist nicht", werden die Berliner bemerkt haben, als sie hier ein-
ritten. Mit Nichten. Die Straße ist der Sand zwischen den die Kreuz und Quer
stehenden zerstreuten Häusern. Pflaster und Laternen zu verlangen wäre un¬
billig, wir sind zufrieden, daß der Bürgermeister durch Taue, die von einem
der hier aufgepflanzten Wrackstücke zum andern gezogen sind, uns angedeutet
hat, was Straße sein soll und was nicht.

Es ist nicht hübsch hier und noch weniger städtisch. Aber weiter hinauf
kommt es besser, und der Bürgermeister hat mehr gekonnt, als Brot essen.
Hat er vorhin, wo er dem Sande gebot, Straße zu sein, keinen Gehorsam ge¬
funden, so finden wir hier, daß er mit dem Versuch, den Sand in einen
Park und Blumengarten zu verwandeln, überraschend viel Glück gehabt hat.
Sein Haus ist von einer in dieser Ecke der Welt doppelt anmuthigen Plantage
umgeben, in der wir neben Apfelbäumen und Blumen auch recht stattlichen
Waldbäumen, Nadelhölzern, Eichen, Buchen und Schwarzpappeln begegnen, und
in welcher sich gelegentlich selbst Singvögel einstellen. Ein Stück weiter, dicht
bei der neuen Kirche, liegt das Pfarrhaus mit einem gleichfalls einladenden
Garten. Noch ein paar hundert Schritt höher nach Norden, wo der Ort
dichter gebaut ist, befindet sich das Hotel von Skagen, rings von Bäumen,
Rosenstöcken und Fliederhecken umgeben, nicht für anspruchsvolle Gäste einge¬
richtet, aber sauber und behaglich, wenn man von dem Fischgeruch und dem
Torfrauch absieht, die hier wie überall in der Stadt regieren.

Wir haben die beiden Theile Skagens, die längs des Kattegat liegen und
eine Kette von etwa anderthalbhundert Häusern und Hütten bilden, welche fast
eine halbe Meile lang ist, jetzt durchwandert, und da hier nichts weiter des
Sehens werth ist, so machen wir uns nach dem Leuchtthurm auf, der noch
eine halbe Stunde Weges von hier entfernt ist.

Der Leuchtthurm, unter dem letztverstorbenen König erbaut, ist ein schlankes
Bauwerk, welches anderthalbhundert Fuß Höhe haben mag und unten mit ei¬
nem hübschen kleinen Garten umgeben ist. Gegen Norden hin lausen Dünen
hufeisenförmig um den Thurm herum, dann endigt das Kap mit dem soge¬
nannten "Zweig", einem Riff von Sand und Geröll, welches sich in einer
Breite von wenigen Schritten von den Dünen des Leuchtthurms noch über
eine halbe Stunde Wegs in die See hinausstreckt und mit der Untiefe des
Skagerrack, seiner submarinen Fortsetzung nach der norwegischen Küste hin, als
die Grenzmarke zwischen der Nordsee und dem Kattegatt angesehen wird.


Grenzboten III. 18S4. 23

wunderlicher Anblick, die GaMon dort an dem Kartoffelgarten — es ist offen,
bar die Hoffnung mit ihrem goldnen Anker, und die Hauswirthin hat ein
Schweinchen an ihr Emblem gebunden. Vermuthlich soll es frische Luft schö¬
pfen, aber die Gelegenheit nicht benutzen, nach den Kartoffeln zu scharren.
Die gestrandete Hoffnung Schweinehirtin und Kartoffelhüterin — naives Skagen!

„Straße ist nicht", werden die Berliner bemerkt haben, als sie hier ein-
ritten. Mit Nichten. Die Straße ist der Sand zwischen den die Kreuz und Quer
stehenden zerstreuten Häusern. Pflaster und Laternen zu verlangen wäre un¬
billig, wir sind zufrieden, daß der Bürgermeister durch Taue, die von einem
der hier aufgepflanzten Wrackstücke zum andern gezogen sind, uns angedeutet
hat, was Straße sein soll und was nicht.

Es ist nicht hübsch hier und noch weniger städtisch. Aber weiter hinauf
kommt es besser, und der Bürgermeister hat mehr gekonnt, als Brot essen.
Hat er vorhin, wo er dem Sande gebot, Straße zu sein, keinen Gehorsam ge¬
funden, so finden wir hier, daß er mit dem Versuch, den Sand in einen
Park und Blumengarten zu verwandeln, überraschend viel Glück gehabt hat.
Sein Haus ist von einer in dieser Ecke der Welt doppelt anmuthigen Plantage
umgeben, in der wir neben Apfelbäumen und Blumen auch recht stattlichen
Waldbäumen, Nadelhölzern, Eichen, Buchen und Schwarzpappeln begegnen, und
in welcher sich gelegentlich selbst Singvögel einstellen. Ein Stück weiter, dicht
bei der neuen Kirche, liegt das Pfarrhaus mit einem gleichfalls einladenden
Garten. Noch ein paar hundert Schritt höher nach Norden, wo der Ort
dichter gebaut ist, befindet sich das Hotel von Skagen, rings von Bäumen,
Rosenstöcken und Fliederhecken umgeben, nicht für anspruchsvolle Gäste einge¬
richtet, aber sauber und behaglich, wenn man von dem Fischgeruch und dem
Torfrauch absieht, die hier wie überall in der Stadt regieren.

Wir haben die beiden Theile Skagens, die längs des Kattegat liegen und
eine Kette von etwa anderthalbhundert Häusern und Hütten bilden, welche fast
eine halbe Meile lang ist, jetzt durchwandert, und da hier nichts weiter des
Sehens werth ist, so machen wir uns nach dem Leuchtthurm auf, der noch
eine halbe Stunde Weges von hier entfernt ist.

Der Leuchtthurm, unter dem letztverstorbenen König erbaut, ist ein schlankes
Bauwerk, welches anderthalbhundert Fuß Höhe haben mag und unten mit ei¬
nem hübschen kleinen Garten umgeben ist. Gegen Norden hin lausen Dünen
hufeisenförmig um den Thurm herum, dann endigt das Kap mit dem soge¬
nannten „Zweig", einem Riff von Sand und Geröll, welches sich in einer
Breite von wenigen Schritten von den Dünen des Leuchtthurms noch über
eine halbe Stunde Wegs in die See hinausstreckt und mit der Untiefe des
Skagerrack, seiner submarinen Fortsetzung nach der norwegischen Küste hin, als
die Grenzmarke zwischen der Nordsee und dem Kattegatt angesehen wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/185>, abgerufen am 28.09.2024.