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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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andern Seevögeln. Rippen gescheiterter Schiffe starren aus der Fluth hervor,
schwarz mit Moos und Tang überzogen, von Wellen umtanzt und ebenfalls
mit zahllosen Vögeln bedeckt, traurige Zeugen für die Unwirthlichkeit dieser
Küste.

Je weiter wir kommen, desto größer wird die Menge, desto betäubender
das Gekreisch und Geschnatter jener gefiederten Bewohner des cimvrischen Nord¬
kaps. Brandung und Wind mischen ihre Stimmen in das wilde Concert der
Vogelschwärme. Draußen aus dem Meere gleiten weiße Segel über die blaue
Fläche, behutsam den Untiefen und Riffen ausweichend, welche bisweilen aus
ihr emportauchen. Am Horizont verräth eine schwarze Rauchwolke, vom Winde
langgezogen, daß hinter ihm ein Dampfer seine Bahn zieht. Den Strand be¬
deckt allerlei Auswurf der See, Quallen und todte Fische, Schichten von
kleinen Muscheln, schwärzlich grüner Tang und gelegentlich Planken und Spuk.
ter gestrandeter Fahrzeuge. Ein oder zwei Mal blicken wir links durch eine
Lücke in den Dünen nach dem Innern des Kaps hinein und gewahren rohe,
braune 'Haidestriche und schwarze Sumpfstellen, auf denen Möven und dunkel-
gefiederte Störche sich zeigen.

Immer dichter werden die Vogelwolken auf dem Meer, immer höher die
Dünen, zahlreicher die Wracks; immer gewaltiger donnert die Brandung gegen
das Gestade. Maalströme kreisen draußen um die Untiefen des Kattegat.
Schon glauben wir in der Ferne auch das Rauschen und Rollen des andern
der beiden Meere zu vernehmen, welche die Halbinsel bespülen. Ein Gang
auf den nächsten Sandhügel, und unsre Vnmuthung bestätigt sich. Da drüben
links jenseits der sandigen Haide andere Dünen, dem Anschein nach höher als
die im Westen, und jenseits der Dünen die apfelgrünen Wellen der Nordsee,
mit ihrem Aufbäumen unter dem Schlag des Windes und dem weißen Ge-
kräusel ihrer Kämme ein überraschend prächtiger Anblick.

Und jetzt erblicken wir am Ende der Landzunge auch den weißen Kirch¬
thurm von Altskagen auf feiner Düne und nicht weit davon den Leuchtthurm.
Das Städtchen selbst verbirgt sich noch vor uns, da es tief unten am Wasser
liegt, und die Sandhügel des Strandes zwischen ihm und uns sich hinlagern.

Skagen ist ein sehr alter Ort, dessen Geschichte mit der Sage verläuft,
schon die Sagas Norwegens und Islands gedenken seiner unter dem Namen
Wendilskäga. Ein Hirt, der sich hier auf den Fischfang gelegt und der reichen
Beute an Heringen und Flundern wegen an dieser Einöde Gefallen gefunden,
war. so heißt es, der erste Mensch, der sich hier, im Reiche der Vögel, ansie¬
delte. Später folgten Andere nach, und zuletzt gab es ein Fischerdörfchen, das
unter der Königin Margaretha, wie die Sage behauptet, städtische Privilegien
und durch die gottesfürchtige Gesinnung niederländischer und schottischer Schiffer,
die der Fischhandel hierhergeführt, eine stattliche gothische Kirche erhielt. Diese


andern Seevögeln. Rippen gescheiterter Schiffe starren aus der Fluth hervor,
schwarz mit Moos und Tang überzogen, von Wellen umtanzt und ebenfalls
mit zahllosen Vögeln bedeckt, traurige Zeugen für die Unwirthlichkeit dieser
Küste.

Je weiter wir kommen, desto größer wird die Menge, desto betäubender
das Gekreisch und Geschnatter jener gefiederten Bewohner des cimvrischen Nord¬
kaps. Brandung und Wind mischen ihre Stimmen in das wilde Concert der
Vogelschwärme. Draußen aus dem Meere gleiten weiße Segel über die blaue
Fläche, behutsam den Untiefen und Riffen ausweichend, welche bisweilen aus
ihr emportauchen. Am Horizont verräth eine schwarze Rauchwolke, vom Winde
langgezogen, daß hinter ihm ein Dampfer seine Bahn zieht. Den Strand be¬
deckt allerlei Auswurf der See, Quallen und todte Fische, Schichten von
kleinen Muscheln, schwärzlich grüner Tang und gelegentlich Planken und Spuk.
ter gestrandeter Fahrzeuge. Ein oder zwei Mal blicken wir links durch eine
Lücke in den Dünen nach dem Innern des Kaps hinein und gewahren rohe,
braune 'Haidestriche und schwarze Sumpfstellen, auf denen Möven und dunkel-
gefiederte Störche sich zeigen.

Immer dichter werden die Vogelwolken auf dem Meer, immer höher die
Dünen, zahlreicher die Wracks; immer gewaltiger donnert die Brandung gegen
das Gestade. Maalströme kreisen draußen um die Untiefen des Kattegat.
Schon glauben wir in der Ferne auch das Rauschen und Rollen des andern
der beiden Meere zu vernehmen, welche die Halbinsel bespülen. Ein Gang
auf den nächsten Sandhügel, und unsre Vnmuthung bestätigt sich. Da drüben
links jenseits der sandigen Haide andere Dünen, dem Anschein nach höher als
die im Westen, und jenseits der Dünen die apfelgrünen Wellen der Nordsee,
mit ihrem Aufbäumen unter dem Schlag des Windes und dem weißen Ge-
kräusel ihrer Kämme ein überraschend prächtiger Anblick.

Und jetzt erblicken wir am Ende der Landzunge auch den weißen Kirch¬
thurm von Altskagen auf feiner Düne und nicht weit davon den Leuchtthurm.
Das Städtchen selbst verbirgt sich noch vor uns, da es tief unten am Wasser
liegt, und die Sandhügel des Strandes zwischen ihm und uns sich hinlagern.

Skagen ist ein sehr alter Ort, dessen Geschichte mit der Sage verläuft,
schon die Sagas Norwegens und Islands gedenken seiner unter dem Namen
Wendilskäga. Ein Hirt, der sich hier auf den Fischfang gelegt und der reichen
Beute an Heringen und Flundern wegen an dieser Einöde Gefallen gefunden,
war. so heißt es, der erste Mensch, der sich hier, im Reiche der Vögel, ansie¬
delte. Später folgten Andere nach, und zuletzt gab es ein Fischerdörfchen, das
unter der Königin Margaretha, wie die Sage behauptet, städtische Privilegien
und durch die gottesfürchtige Gesinnung niederländischer und schottischer Schiffer,
die der Fischhandel hierhergeführt, eine stattliche gothische Kirche erhielt. Diese


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[0183] andern Seevögeln. Rippen gescheiterter Schiffe starren aus der Fluth hervor, schwarz mit Moos und Tang überzogen, von Wellen umtanzt und ebenfalls mit zahllosen Vögeln bedeckt, traurige Zeugen für die Unwirthlichkeit dieser Küste. Je weiter wir kommen, desto größer wird die Menge, desto betäubender das Gekreisch und Geschnatter jener gefiederten Bewohner des cimvrischen Nord¬ kaps. Brandung und Wind mischen ihre Stimmen in das wilde Concert der Vogelschwärme. Draußen aus dem Meere gleiten weiße Segel über die blaue Fläche, behutsam den Untiefen und Riffen ausweichend, welche bisweilen aus ihr emportauchen. Am Horizont verräth eine schwarze Rauchwolke, vom Winde langgezogen, daß hinter ihm ein Dampfer seine Bahn zieht. Den Strand be¬ deckt allerlei Auswurf der See, Quallen und todte Fische, Schichten von kleinen Muscheln, schwärzlich grüner Tang und gelegentlich Planken und Spuk. ter gestrandeter Fahrzeuge. Ein oder zwei Mal blicken wir links durch eine Lücke in den Dünen nach dem Innern des Kaps hinein und gewahren rohe, braune 'Haidestriche und schwarze Sumpfstellen, auf denen Möven und dunkel- gefiederte Störche sich zeigen. Immer dichter werden die Vogelwolken auf dem Meer, immer höher die Dünen, zahlreicher die Wracks; immer gewaltiger donnert die Brandung gegen das Gestade. Maalströme kreisen draußen um die Untiefen des Kattegat. Schon glauben wir in der Ferne auch das Rauschen und Rollen des andern der beiden Meere zu vernehmen, welche die Halbinsel bespülen. Ein Gang auf den nächsten Sandhügel, und unsre Vnmuthung bestätigt sich. Da drüben links jenseits der sandigen Haide andere Dünen, dem Anschein nach höher als die im Westen, und jenseits der Dünen die apfelgrünen Wellen der Nordsee, mit ihrem Aufbäumen unter dem Schlag des Windes und dem weißen Ge- kräusel ihrer Kämme ein überraschend prächtiger Anblick. Und jetzt erblicken wir am Ende der Landzunge auch den weißen Kirch¬ thurm von Altskagen auf feiner Düne und nicht weit davon den Leuchtthurm. Das Städtchen selbst verbirgt sich noch vor uns, da es tief unten am Wasser liegt, und die Sandhügel des Strandes zwischen ihm und uns sich hinlagern. Skagen ist ein sehr alter Ort, dessen Geschichte mit der Sage verläuft, schon die Sagas Norwegens und Islands gedenken seiner unter dem Namen Wendilskäga. Ein Hirt, der sich hier auf den Fischfang gelegt und der reichen Beute an Heringen und Flundern wegen an dieser Einöde Gefallen gefunden, war. so heißt es, der erste Mensch, der sich hier, im Reiche der Vögel, ansie¬ delte. Später folgten Andere nach, und zuletzt gab es ein Fischerdörfchen, das unter der Königin Margaretha, wie die Sage behauptet, städtische Privilegien und durch die gottesfürchtige Gesinnung niederländischer und schottischer Schiffer, die der Fischhandel hierhergeführt, eine stattliche gothische Kirche erhielt. Diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/183>, abgerufen am 20.10.2024.