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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Indeß genügt das Mitgetheilte, wenn es sich darum handelt, sich ein
Urtheil über den neuen Ritterorden zu bilden. Die Johanniter sind eine der
Congregationen, welche die Bestimmung haben, die "alte gute Zeit" unsrer
Romantiker zurückzuführen. Nach der einen Seite sind sie ein Versuch, den
Adel in jenem Sinn zu regeneriren und unter eine bestimmte Fahne, in eine
feste Organisation zu sammeln. Nach der andern sind sie Verwandte oder, da
dies mit Rücksicht aus ihr edles Blut despectirlich klingen könnte, Mitstrebende
der Brüder vom Rauben Hause und der Diakonissen. Letztere beide sind bürgerliche,
die Johanniter ein adeliger Orden. Ein Theil ihrer Bestrebungen ist unzweifel¬
haft lobenswert!), obwohl man, um wohlthun zu tonnen, keiner Armatur aus
der Rumpelkammer des Mittelalters bedarf, und obwohl wir uns vortreffliche
Krankenpfleger vorstellen können, die keinen Ritterschlag im sonnenburger
Ordenscapitel oder sonstwo empfangen haben. Ein andrer Theil ihrer Thätig¬
keit scheint uns so gut wie unnütz und nicht viel mehr werth als die Strümpfe,
welche in gewissen gottesfürchtigen Kreisen Londons für die Negerkinder Süd¬
afrikas gestrickt wurden. Die jerusalemer Anstalten des Ordens sind wenig
mehr als eine Spielerei, das Hospiz unterstützt, soweit es für Handwerksburschen
gegründet ist, nur das zwecklose Bummeln einer Anzahl von Strohmern, die
daheim nicht gut thun wollten, und die Krankenbetten in Beyrut ständen viel
angemessener auf deutschem Boden. Das wahre heilige Land ist für den Ver¬
nünftigen das Vaterland, nicht jener längst ausgebrannte Vulkan zwischen Syrien
und Aegypten, der herkömmlich diesen vornehmen Namen führt, und das
Jerusalem der gegenwärtigen Welt ist ein ganz anderes, als der nimmersatte
Bettelsack, in den sich die alte Tempelstadt am Berge Zion verwandelt hat.

Viel klüger und dankenswerther, viel besser berechnet für die letzten Zwecke
des neuen Johanniterthums auch, erlauben wir uns hinzuzufügen, war die
lebhafte Betheiligung des Ordens an der Pflege der verwundeten Soldaten in
Schleswig. Ein einziges Bett in Rudel oder Flensburg hat den Johanniter"
sicher in einem Monat mehr Freunde und mehr Bedeutung erworben als alle
jene 45 Betten in Beyrut seit ihrem Bestehen. Allerdings hat der Bürgerstand,
nicht blos weil er zahlreicher ist, sondern auch im Verhältniß seiner Kräfte
mehr zur Linderung der Leiden unsrer Soldaten beigetragen als jene ade¬
ligen Herren. Aber einmal fehlte die strenge Organisation, welche alle Bei¬
träge auf den einen Punkt hinleitete, und der eine Wille, welcher sie passend
verwendete, und anderseits mangelte das unmittelbare Zugreifen, welches der
Dankbarkeit der Betreffenden die Adresse verschafft, an die sie sich wenden kann.
Das deutsche VoI, die deutschen Frauenvereine sind weitschichtige und schwankende
Begriffe; der Johanniterorden dagegen ist ein Name, unter dem man sich etwas
Bestimmtes vorzustellen vermag, und den man nicht leicht wieder vergißt.
Und was von ihm gilt, das gilt auch von den übrigen Congregationen, die


Grcnjboten III. 1864. 22

Indeß genügt das Mitgetheilte, wenn es sich darum handelt, sich ein
Urtheil über den neuen Ritterorden zu bilden. Die Johanniter sind eine der
Congregationen, welche die Bestimmung haben, die „alte gute Zeit" unsrer
Romantiker zurückzuführen. Nach der einen Seite sind sie ein Versuch, den
Adel in jenem Sinn zu regeneriren und unter eine bestimmte Fahne, in eine
feste Organisation zu sammeln. Nach der andern sind sie Verwandte oder, da
dies mit Rücksicht aus ihr edles Blut despectirlich klingen könnte, Mitstrebende
der Brüder vom Rauben Hause und der Diakonissen. Letztere beide sind bürgerliche,
die Johanniter ein adeliger Orden. Ein Theil ihrer Bestrebungen ist unzweifel¬
haft lobenswert!), obwohl man, um wohlthun zu tonnen, keiner Armatur aus
der Rumpelkammer des Mittelalters bedarf, und obwohl wir uns vortreffliche
Krankenpfleger vorstellen können, die keinen Ritterschlag im sonnenburger
Ordenscapitel oder sonstwo empfangen haben. Ein andrer Theil ihrer Thätig¬
keit scheint uns so gut wie unnütz und nicht viel mehr werth als die Strümpfe,
welche in gewissen gottesfürchtigen Kreisen Londons für die Negerkinder Süd¬
afrikas gestrickt wurden. Die jerusalemer Anstalten des Ordens sind wenig
mehr als eine Spielerei, das Hospiz unterstützt, soweit es für Handwerksburschen
gegründet ist, nur das zwecklose Bummeln einer Anzahl von Strohmern, die
daheim nicht gut thun wollten, und die Krankenbetten in Beyrut ständen viel
angemessener auf deutschem Boden. Das wahre heilige Land ist für den Ver¬
nünftigen das Vaterland, nicht jener längst ausgebrannte Vulkan zwischen Syrien
und Aegypten, der herkömmlich diesen vornehmen Namen führt, und das
Jerusalem der gegenwärtigen Welt ist ein ganz anderes, als der nimmersatte
Bettelsack, in den sich die alte Tempelstadt am Berge Zion verwandelt hat.

Viel klüger und dankenswerther, viel besser berechnet für die letzten Zwecke
des neuen Johanniterthums auch, erlauben wir uns hinzuzufügen, war die
lebhafte Betheiligung des Ordens an der Pflege der verwundeten Soldaten in
Schleswig. Ein einziges Bett in Rudel oder Flensburg hat den Johanniter»
sicher in einem Monat mehr Freunde und mehr Bedeutung erworben als alle
jene 45 Betten in Beyrut seit ihrem Bestehen. Allerdings hat der Bürgerstand,
nicht blos weil er zahlreicher ist, sondern auch im Verhältniß seiner Kräfte
mehr zur Linderung der Leiden unsrer Soldaten beigetragen als jene ade¬
ligen Herren. Aber einmal fehlte die strenge Organisation, welche alle Bei¬
träge auf den einen Punkt hinleitete, und der eine Wille, welcher sie passend
verwendete, und anderseits mangelte das unmittelbare Zugreifen, welches der
Dankbarkeit der Betreffenden die Adresse verschafft, an die sie sich wenden kann.
Das deutsche VoI, die deutschen Frauenvereine sind weitschichtige und schwankende
Begriffe; der Johanniterorden dagegen ist ein Name, unter dem man sich etwas
Bestimmtes vorzustellen vermag, und den man nicht leicht wieder vergißt.
Und was von ihm gilt, das gilt auch von den übrigen Congregationen, die


Grcnjboten III. 1864. 22
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[0177] Indeß genügt das Mitgetheilte, wenn es sich darum handelt, sich ein Urtheil über den neuen Ritterorden zu bilden. Die Johanniter sind eine der Congregationen, welche die Bestimmung haben, die „alte gute Zeit" unsrer Romantiker zurückzuführen. Nach der einen Seite sind sie ein Versuch, den Adel in jenem Sinn zu regeneriren und unter eine bestimmte Fahne, in eine feste Organisation zu sammeln. Nach der andern sind sie Verwandte oder, da dies mit Rücksicht aus ihr edles Blut despectirlich klingen könnte, Mitstrebende der Brüder vom Rauben Hause und der Diakonissen. Letztere beide sind bürgerliche, die Johanniter ein adeliger Orden. Ein Theil ihrer Bestrebungen ist unzweifel¬ haft lobenswert!), obwohl man, um wohlthun zu tonnen, keiner Armatur aus der Rumpelkammer des Mittelalters bedarf, und obwohl wir uns vortreffliche Krankenpfleger vorstellen können, die keinen Ritterschlag im sonnenburger Ordenscapitel oder sonstwo empfangen haben. Ein andrer Theil ihrer Thätig¬ keit scheint uns so gut wie unnütz und nicht viel mehr werth als die Strümpfe, welche in gewissen gottesfürchtigen Kreisen Londons für die Negerkinder Süd¬ afrikas gestrickt wurden. Die jerusalemer Anstalten des Ordens sind wenig mehr als eine Spielerei, das Hospiz unterstützt, soweit es für Handwerksburschen gegründet ist, nur das zwecklose Bummeln einer Anzahl von Strohmern, die daheim nicht gut thun wollten, und die Krankenbetten in Beyrut ständen viel angemessener auf deutschem Boden. Das wahre heilige Land ist für den Ver¬ nünftigen das Vaterland, nicht jener längst ausgebrannte Vulkan zwischen Syrien und Aegypten, der herkömmlich diesen vornehmen Namen führt, und das Jerusalem der gegenwärtigen Welt ist ein ganz anderes, als der nimmersatte Bettelsack, in den sich die alte Tempelstadt am Berge Zion verwandelt hat. Viel klüger und dankenswerther, viel besser berechnet für die letzten Zwecke des neuen Johanniterthums auch, erlauben wir uns hinzuzufügen, war die lebhafte Betheiligung des Ordens an der Pflege der verwundeten Soldaten in Schleswig. Ein einziges Bett in Rudel oder Flensburg hat den Johanniter» sicher in einem Monat mehr Freunde und mehr Bedeutung erworben als alle jene 45 Betten in Beyrut seit ihrem Bestehen. Allerdings hat der Bürgerstand, nicht blos weil er zahlreicher ist, sondern auch im Verhältniß seiner Kräfte mehr zur Linderung der Leiden unsrer Soldaten beigetragen als jene ade¬ ligen Herren. Aber einmal fehlte die strenge Organisation, welche alle Bei¬ träge auf den einen Punkt hinleitete, und der eine Wille, welcher sie passend verwendete, und anderseits mangelte das unmittelbare Zugreifen, welches der Dankbarkeit der Betreffenden die Adresse verschafft, an die sie sich wenden kann. Das deutsche VoI, die deutschen Frauenvereine sind weitschichtige und schwankende Begriffe; der Johanniterorden dagegen ist ein Name, unter dem man sich etwas Bestimmtes vorzustellen vermag, und den man nicht leicht wieder vergißt. Und was von ihm gilt, das gilt auch von den übrigen Congregationen, die Grcnjboten III. 1864. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/177>, abgerufen am 28.09.2024.