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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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bringen in großen Summen
des Gelts und rothen Gotts,
damit euch abzumarkten,
zu kaufen eure Kind,
die noch kein Wort nicht sprechen,
und in der Wiegen sind.

Ich thu euch dessen warnen,
weil Warnung noch hat Platz,
gespannt sind euch die Garne,
die Hund sind auf der Hand.
Gedenkt an meine Treue,
kein Tell komt nimmermehr,
euch wird kein Freunde neue
geben kein besser Lehr.

Thut euch zusammen halten
in Fried und Einigkeit
als eure frommen Alten,
betrachtet Bund und Eyd:
Laßt euch das Gelt nicht müssen,
Die Gaben machen blind,
daß ihr nicht müßen büßen
und dienen z'letst dem Fiend.

Das Tellenlied, zu welchen die eben angeführten Strophen gehören, ist nicht
das altnationale und echte Volkslied, sondern ein von Hieronymus Mudelen
(aus Uri?) im siebzehnten Jahrhundert überarbeitetes. Ein Exemplar davon,
ein fliegendes Blatt v. I. 1633, liegt auf der berner Bibliothek. Mudelen
sagt am Schluß seines Liedes selber, er habe dasselbe "gedichtet und gemehrt".
Wie er dies that, läßt sich zwar mit Genauigkeit angeben, nur liegt die
einläßliche Mittheilung hierüber diesen Blättern zu fern und bleibt für eine
andere Gelegenheit aufbehalten. Muheims Lied fängt an: Wilhelm bin ich der
Telle, von Heldes Muth und Blut. Ein um ein Jahrhundert älteres Volks¬
lied aber beginnt mit demselben Wortlaute: Wilhelmus von Nassawe bin ich
von deutschem Blut. Letzteres ist der Wilhelm von Oranien, oder das berühmte
Geusenlied, das zu Ehren des Grafen Wilhelm von Nassau, der sich Prinz von
Oranien nannte und 1384 durch Meuchelmord starb, von Philipp von Marnix
(1- 1398) gedichtet und in Musik gesetzt worden ist. Ganz gewiß hat Mudelen
dieses Lied copirt. Dasselbe konnte ihm und seinen Landesgenossen wohl¬
bekannt sein. Denn es steht schon im Ambraser Liederbuche mit verzeichnet,
welches selbst vom Jahre 1882 stammt und also den Beweis liefert, wie noch
zu Lebzeiten Wilhelms des Oraniers das ihn feiernde Volkslied in unsre ober-


bringen in großen Summen
des Gelts und rothen Gotts,
damit euch abzumarkten,
zu kaufen eure Kind,
die noch kein Wort nicht sprechen,
und in der Wiegen sind.

Ich thu euch dessen warnen,
weil Warnung noch hat Platz,
gespannt sind euch die Garne,
die Hund sind auf der Hand.
Gedenkt an meine Treue,
kein Tell komt nimmermehr,
euch wird kein Freunde neue
geben kein besser Lehr.

Thut euch zusammen halten
in Fried und Einigkeit
als eure frommen Alten,
betrachtet Bund und Eyd:
Laßt euch das Gelt nicht müssen,
Die Gaben machen blind,
daß ihr nicht müßen büßen
und dienen z'letst dem Fiend.

Das Tellenlied, zu welchen die eben angeführten Strophen gehören, ist nicht
das altnationale und echte Volkslied, sondern ein von Hieronymus Mudelen
(aus Uri?) im siebzehnten Jahrhundert überarbeitetes. Ein Exemplar davon,
ein fliegendes Blatt v. I. 1633, liegt auf der berner Bibliothek. Mudelen
sagt am Schluß seines Liedes selber, er habe dasselbe „gedichtet und gemehrt".
Wie er dies that, läßt sich zwar mit Genauigkeit angeben, nur liegt die
einläßliche Mittheilung hierüber diesen Blättern zu fern und bleibt für eine
andere Gelegenheit aufbehalten. Muheims Lied fängt an: Wilhelm bin ich der
Telle, von Heldes Muth und Blut. Ein um ein Jahrhundert älteres Volks¬
lied aber beginnt mit demselben Wortlaute: Wilhelmus von Nassawe bin ich
von deutschem Blut. Letzteres ist der Wilhelm von Oranien, oder das berühmte
Geusenlied, das zu Ehren des Grafen Wilhelm von Nassau, der sich Prinz von
Oranien nannte und 1384 durch Meuchelmord starb, von Philipp von Marnix
(1- 1398) gedichtet und in Musik gesetzt worden ist. Ganz gewiß hat Mudelen
dieses Lied copirt. Dasselbe konnte ihm und seinen Landesgenossen wohl¬
bekannt sein. Denn es steht schon im Ambraser Liederbuche mit verzeichnet,
welches selbst vom Jahre 1882 stammt und also den Beweis liefert, wie noch
zu Lebzeiten Wilhelms des Oraniers das ihn feiernde Volkslied in unsre ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/136>, abgerufen am 28.09.2024.