Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des Prothallium sprengt und nun die selbständige Vegetation der neuen
Pflanze beginnt.

Die Kryptogamen mit zweierlei Sporen zeigen uns somit die ohne voraus¬
gegangene Befruchtung erfolgte Bildung von der Mutterpflanze sich trennender
Fortpflanzungszellen von zweierlei Art, beide in wesentlich gleicher Weise sich ent¬
wickelnd, deren eine die augenscheinlichste Uebereinstimmung mit den Pollcnzellen,
die andere mit den Embryosäcken der Nadelhölzer und der Blüthen tragenden
Pflanzen bieten. Nach der Abtrennung vom mütterlichen Individuum beginnt
jede solcher Fortpflanzungszellen eine selbständige Vegetation. Ihre Entwickelung
stellt eine vöMg neue Generation dar; und der Abschluß dieser Generation ist
mit der Befruchtung gegeben. Nach dieser hebt die Wiederholung der ersten
Generation an, weiche ohne vorausgegangene Befruchtung Keime der zweiten
Generation bildet. Die Existenz dieser Pflanzenformen wickelt sich in dem stetig
wiederkehrenden Wechsel der beiden Generationen ab. Von diesen Thatsachen
rickwärts schließend, müssen wir die Entwickelung des mehrzelligen Körpers in
dew Pollenkörnern, die des vielzelligen Körpers, der Corpuscula und der Keim¬
bläschen in den Embryosäckcn der Nadelhölzer ebenso als Aeußerungen der
Vegetation einer zweiten, der Befruchtung dienenden, mit der rein vegetativen
regelmäßig wechselnden Generation auffassen, als die Bildung der Pollen-
schläuche und der Keimbläschen der blüthentragenden Pflanzen, obschon bei den
letzteren diese Besruchtuugsgeneration nur andeutungsweise in die Erschei¬
nung tritt.

Diese Schlüsse erhalten die festeste Stütze, wenn wir die Befruchtung der
Schaflhalme, der Farrnkräuter und der Moose ins Auge fassen. Alle diese
Pflanzen bringen nur Sporen-von einerlei Gestalt hervor. Aus der Keimung
dieser Sporen aber entwickelt sich ein Prothallium von großer Ausdehnung.
Unter sichtlicher, bedeutender Massenzunahme wächst das aus der Dehnung und
Zcllvermehrung der Sporenzelle sich entwickelnde Gebilde in einer umfangreichen,
freudig grünen, zahlreiche Würzelchen treibenden Masse heran: kraus und viel-
theilig bei den Schaflhalmen, platt, von rundlicher, am Vorderrande tief ein¬
geschnittener Form bei den Farrnkräutern. Die Schafthalme bringen auf jedem
Prothallium nur Fortpflanzungsorgane je einer Art hervor, die Farrnkräuter
successiv beiderlei. In der Jugend entwickelt das Prothallium der Farrnkräuter
aus seinen Rändern, und vorwiegend aus seiner Unterfläche, halbkugelige
Sprossungen, aus einer Rindenschicht aus platten Zellen, und einer größeren,
centralen Zelle bestehend: Antheridien, die Bildungsstätten von Spermatozvidcn.
Die große, innere Zelle verwandelt sich durch eine Reihe von Zwcitheilungen
in eine Gruppe niedriger, vierseitiger Zellchen. In jeder derselben entsteht,
innerhalb eines freien, abgeplattet ellipsoidischen Mutterzellchens, ein korkzieher-
artig gewundenes Spermatozoid, an den vorderen Windungen mit zahlreichen


S'

des Prothallium sprengt und nun die selbständige Vegetation der neuen
Pflanze beginnt.

Die Kryptogamen mit zweierlei Sporen zeigen uns somit die ohne voraus¬
gegangene Befruchtung erfolgte Bildung von der Mutterpflanze sich trennender
Fortpflanzungszellen von zweierlei Art, beide in wesentlich gleicher Weise sich ent¬
wickelnd, deren eine die augenscheinlichste Uebereinstimmung mit den Pollcnzellen,
die andere mit den Embryosäcken der Nadelhölzer und der Blüthen tragenden
Pflanzen bieten. Nach der Abtrennung vom mütterlichen Individuum beginnt
jede solcher Fortpflanzungszellen eine selbständige Vegetation. Ihre Entwickelung
stellt eine vöMg neue Generation dar; und der Abschluß dieser Generation ist
mit der Befruchtung gegeben. Nach dieser hebt die Wiederholung der ersten
Generation an, weiche ohne vorausgegangene Befruchtung Keime der zweiten
Generation bildet. Die Existenz dieser Pflanzenformen wickelt sich in dem stetig
wiederkehrenden Wechsel der beiden Generationen ab. Von diesen Thatsachen
rickwärts schließend, müssen wir die Entwickelung des mehrzelligen Körpers in
dew Pollenkörnern, die des vielzelligen Körpers, der Corpuscula und der Keim¬
bläschen in den Embryosäckcn der Nadelhölzer ebenso als Aeußerungen der
Vegetation einer zweiten, der Befruchtung dienenden, mit der rein vegetativen
regelmäßig wechselnden Generation auffassen, als die Bildung der Pollen-
schläuche und der Keimbläschen der blüthentragenden Pflanzen, obschon bei den
letzteren diese Besruchtuugsgeneration nur andeutungsweise in die Erschei¬
nung tritt.

Diese Schlüsse erhalten die festeste Stütze, wenn wir die Befruchtung der
Schaflhalme, der Farrnkräuter und der Moose ins Auge fassen. Alle diese
Pflanzen bringen nur Sporen-von einerlei Gestalt hervor. Aus der Keimung
dieser Sporen aber entwickelt sich ein Prothallium von großer Ausdehnung.
Unter sichtlicher, bedeutender Massenzunahme wächst das aus der Dehnung und
Zcllvermehrung der Sporenzelle sich entwickelnde Gebilde in einer umfangreichen,
freudig grünen, zahlreiche Würzelchen treibenden Masse heran: kraus und viel-
theilig bei den Schaflhalmen, platt, von rundlicher, am Vorderrande tief ein¬
geschnittener Form bei den Farrnkräutern. Die Schafthalme bringen auf jedem
Prothallium nur Fortpflanzungsorgane je einer Art hervor, die Farrnkräuter
successiv beiderlei. In der Jugend entwickelt das Prothallium der Farrnkräuter
aus seinen Rändern, und vorwiegend aus seiner Unterfläche, halbkugelige
Sprossungen, aus einer Rindenschicht aus platten Zellen, und einer größeren,
centralen Zelle bestehend: Antheridien, die Bildungsstätten von Spermatozvidcn.
Die große, innere Zelle verwandelt sich durch eine Reihe von Zwcitheilungen
in eine Gruppe niedriger, vierseitiger Zellchen. In jeder derselben entsteht,
innerhalb eines freien, abgeplattet ellipsoidischen Mutterzellchens, ein korkzieher-
artig gewundenes Spermatozoid, an den vorderen Windungen mit zahlreichen


S'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188628"/>
          <p xml:id="ID_185" prev="#ID_184"> des Prothallium sprengt und nun die selbständige Vegetation der neuen<lb/>
Pflanze beginnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_186"> Die Kryptogamen mit zweierlei Sporen zeigen uns somit die ohne voraus¬<lb/>
gegangene Befruchtung erfolgte Bildung von der Mutterpflanze sich trennender<lb/>
Fortpflanzungszellen von zweierlei Art, beide in wesentlich gleicher Weise sich ent¬<lb/>
wickelnd, deren eine die augenscheinlichste Uebereinstimmung mit den Pollcnzellen,<lb/>
die andere mit den Embryosäcken der Nadelhölzer und der Blüthen tragenden<lb/>
Pflanzen bieten.  Nach der Abtrennung vom mütterlichen Individuum beginnt<lb/>
jede solcher Fortpflanzungszellen eine selbständige Vegetation. Ihre Entwickelung<lb/>
stellt eine vöMg neue Generation dar; und der Abschluß dieser Generation ist<lb/>
mit der Befruchtung gegeben.  Nach dieser hebt die Wiederholung der ersten<lb/>
Generation an, weiche ohne vorausgegangene Befruchtung Keime der zweiten<lb/>
Generation bildet. Die Existenz dieser Pflanzenformen wickelt sich in dem stetig<lb/>
wiederkehrenden Wechsel der beiden Generationen ab.  Von diesen Thatsachen<lb/>
rickwärts schließend, müssen wir die Entwickelung des mehrzelligen Körpers in<lb/>
dew Pollenkörnern, die des vielzelligen Körpers, der Corpuscula und der Keim¬<lb/>
bläschen in den Embryosäckcn der Nadelhölzer ebenso als Aeußerungen der<lb/>
Vegetation einer zweiten, der Befruchtung dienenden, mit der rein vegetativen<lb/>
regelmäßig wechselnden Generation auffassen, als die Bildung der Pollen-<lb/>
schläuche und der Keimbläschen der blüthentragenden Pflanzen, obschon bei den<lb/>
letzteren diese Besruchtuugsgeneration nur andeutungsweise in die Erschei¬<lb/>
nung tritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_187" next="#ID_188"> Diese Schlüsse erhalten die festeste Stütze, wenn wir die Befruchtung der<lb/>
Schaflhalme, der Farrnkräuter und der Moose ins Auge fassen.  Alle diese<lb/>
Pflanzen bringen nur Sporen-von einerlei Gestalt hervor.  Aus der Keimung<lb/>
dieser Sporen aber entwickelt sich ein Prothallium von großer Ausdehnung.<lb/>
Unter sichtlicher, bedeutender Massenzunahme wächst das aus der Dehnung und<lb/>
Zcllvermehrung der Sporenzelle sich entwickelnde Gebilde in einer umfangreichen,<lb/>
freudig grünen, zahlreiche Würzelchen treibenden Masse heran: kraus und viel-<lb/>
theilig bei den Schaflhalmen, platt, von rundlicher, am Vorderrande tief ein¬<lb/>
geschnittener Form bei den Farrnkräutern.  Die Schafthalme bringen auf jedem<lb/>
Prothallium nur Fortpflanzungsorgane je einer Art hervor, die Farrnkräuter<lb/>
successiv beiderlei. In der Jugend entwickelt das Prothallium der Farrnkräuter<lb/>
aus seinen Rändern, und vorwiegend aus seiner Unterfläche, halbkugelige<lb/>
Sprossungen, aus einer Rindenschicht aus platten Zellen, und einer größeren,<lb/>
centralen Zelle bestehend: Antheridien, die Bildungsstätten von Spermatozvidcn.<lb/>
Die große, innere Zelle verwandelt sich durch eine Reihe von Zwcitheilungen<lb/>
in eine Gruppe niedriger, vierseitiger Zellchen. In jeder derselben entsteht,<lb/>
innerhalb eines freien, abgeplattet ellipsoidischen Mutterzellchens, ein korkzieher-<lb/>
artig gewundenes Spermatozoid, an den vorderen Windungen mit zahlreichen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> S'</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] des Prothallium sprengt und nun die selbständige Vegetation der neuen Pflanze beginnt. Die Kryptogamen mit zweierlei Sporen zeigen uns somit die ohne voraus¬ gegangene Befruchtung erfolgte Bildung von der Mutterpflanze sich trennender Fortpflanzungszellen von zweierlei Art, beide in wesentlich gleicher Weise sich ent¬ wickelnd, deren eine die augenscheinlichste Uebereinstimmung mit den Pollcnzellen, die andere mit den Embryosäcken der Nadelhölzer und der Blüthen tragenden Pflanzen bieten. Nach der Abtrennung vom mütterlichen Individuum beginnt jede solcher Fortpflanzungszellen eine selbständige Vegetation. Ihre Entwickelung stellt eine vöMg neue Generation dar; und der Abschluß dieser Generation ist mit der Befruchtung gegeben. Nach dieser hebt die Wiederholung der ersten Generation an, weiche ohne vorausgegangene Befruchtung Keime der zweiten Generation bildet. Die Existenz dieser Pflanzenformen wickelt sich in dem stetig wiederkehrenden Wechsel der beiden Generationen ab. Von diesen Thatsachen rickwärts schließend, müssen wir die Entwickelung des mehrzelligen Körpers in dew Pollenkörnern, die des vielzelligen Körpers, der Corpuscula und der Keim¬ bläschen in den Embryosäckcn der Nadelhölzer ebenso als Aeußerungen der Vegetation einer zweiten, der Befruchtung dienenden, mit der rein vegetativen regelmäßig wechselnden Generation auffassen, als die Bildung der Pollen- schläuche und der Keimbläschen der blüthentragenden Pflanzen, obschon bei den letzteren diese Besruchtuugsgeneration nur andeutungsweise in die Erschei¬ nung tritt. Diese Schlüsse erhalten die festeste Stütze, wenn wir die Befruchtung der Schaflhalme, der Farrnkräuter und der Moose ins Auge fassen. Alle diese Pflanzen bringen nur Sporen-von einerlei Gestalt hervor. Aus der Keimung dieser Sporen aber entwickelt sich ein Prothallium von großer Ausdehnung. Unter sichtlicher, bedeutender Massenzunahme wächst das aus der Dehnung und Zcllvermehrung der Sporenzelle sich entwickelnde Gebilde in einer umfangreichen, freudig grünen, zahlreiche Würzelchen treibenden Masse heran: kraus und viel- theilig bei den Schaflhalmen, platt, von rundlicher, am Vorderrande tief ein¬ geschnittener Form bei den Farrnkräutern. Die Schafthalme bringen auf jedem Prothallium nur Fortpflanzungsorgane je einer Art hervor, die Farrnkräuter successiv beiderlei. In der Jugend entwickelt das Prothallium der Farrnkräuter aus seinen Rändern, und vorwiegend aus seiner Unterfläche, halbkugelige Sprossungen, aus einer Rindenschicht aus platten Zellen, und einer größeren, centralen Zelle bestehend: Antheridien, die Bildungsstätten von Spermatozvidcn. Die große, innere Zelle verwandelt sich durch eine Reihe von Zwcitheilungen in eine Gruppe niedriger, vierseitiger Zellchen. In jeder derselben entsteht, innerhalb eines freien, abgeplattet ellipsoidischen Mutterzellchens, ein korkzieher- artig gewundenes Spermatozoid, an den vorderen Windungen mit zahlreichen S'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/67
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/67>, abgerufen am 23.07.2024.