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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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1 zu 400,000, bei der Haselnuß wie 1 zu einer Million, dem Taxus wie 1 zu
2 Millionen. Die Ausbildung des Pollens schreitet der der Eychen beträchtlich
voraus; bisweilen um sehr lange Zeiträume: um zwei Monate bei unsern deut¬
schen Eichbäumen; um vierzehn Monate bei mehrern südeuropäischen und nord-
amerikanischen Eichenarten. Die Narbe ist in allen diesen Fällen verspäteter
Entwickelung der Eychen schon bei dem Bersten der Antheren vorhanden, und
auf diese wird der Pollen unmittelbar nach seiner Reife gebracht. Aber seine
weitere Entwickelung erleidet eine lange Verzögerung und Unterbrechung.

Für die Einleitung zur Befruchtung ist es unerläßlich, daß Pollen auf
die Narbe gelange. Diese ist zur Zeit des Berstens der Antheren durch Aus¬
wachsen der Zellen ihrer Oberfläche zu Papillen sammtartig rauh, meistens auch
durch Ausschwitzen einer Flüssigkeit klebrig feucht. Der Bau nur weniger Blü¬
then ist der Art, daß deren Blüthenstaub durch die Mechanik des Aufspringens
der Antheren sofort auf die eigene Narbe gebracht würde. Bei einer großen
Zahl der Pflanzen, deren Blüthen beiderlei Befruchtungsorgane einschließen,
bestehen vielmehr Einrichtungen, weiche die Bestäubung der Narbe durch den
Pollen der männlichen Blüthe unwahrscheinlich, ja unmöglich machen, und schier
die Mehrzahl der blüthentragenden Gewächse ist in Bezug auf die Uebertragung
des Pollens auf die Narbe auf fremde Beihilfe, vorzugsweise auf die von
Jnsecten. welche die Blüthen besuchen, mit unbedingter Nothwendigkeit an¬
gewiesen.

Nach kürzerem oder längerem Verweilen auf der Narbe beginnt die Pollen¬
zelle eine rasche Wachethumslhätigkcit ihrer inneren Haut. Diese stülpt sich an
einer oder mehrern Stellen nach außen, durchbricht die spröde äußere Pollen-
Haut, meistens an bestimmten, vorgebildeten verdünnten Stellen oder Oeffnungen
und tritt als eine cylindrische Röhre, als Pollcnschlauch, aus dieser hervor.
Die Anregung zur Entwickelung von Pollcnschläuchen ist keine besondere Eigen¬
thümlichkeit der Narbe oder der von ihr ausgesonderten Flüssigkeit. Die
gleichen Wachsthumserscheinungen treten häufig ein, wenn Pollenzellen in den
von Blüthen ausgesonderten Honigsaft, oder in Zuckerwasser gebracht werden;
und in nicht wenigen Fällen beginnt der Pollen noch innerhalb der Anthere
Schläuche zu treiben: so bei einigen Orchideen, der Aristolochia und gewissen
Wasserpflanzen.

Die Pollenschläuche, fortdauernd in die Länge wachsend, dringen in den
Griffelkanal, nach Zurücklegung desselben in die Höhle des Fruchtknotens, an
die Anheftungsstellen, endlich bis in die Mündungen der Eychen. Sehr häusig
ist der Weg durch Streifen papillos gewordener Zellen der Außenflächen der
Organe ihnen bezeichnet, an denen hin sie zu wachsen haben, und wo solche
Einrichtungen nicht bestehen, da bürgt die ausnehmend große Zahl der in die
Fruchtknotenhöhle hinabwachsenden Pollenschläuche für das Eintreffen etlicher


1 zu 400,000, bei der Haselnuß wie 1 zu einer Million, dem Taxus wie 1 zu
2 Millionen. Die Ausbildung des Pollens schreitet der der Eychen beträchtlich
voraus; bisweilen um sehr lange Zeiträume: um zwei Monate bei unsern deut¬
schen Eichbäumen; um vierzehn Monate bei mehrern südeuropäischen und nord-
amerikanischen Eichenarten. Die Narbe ist in allen diesen Fällen verspäteter
Entwickelung der Eychen schon bei dem Bersten der Antheren vorhanden, und
auf diese wird der Pollen unmittelbar nach seiner Reife gebracht. Aber seine
weitere Entwickelung erleidet eine lange Verzögerung und Unterbrechung.

Für die Einleitung zur Befruchtung ist es unerläßlich, daß Pollen auf
die Narbe gelange. Diese ist zur Zeit des Berstens der Antheren durch Aus¬
wachsen der Zellen ihrer Oberfläche zu Papillen sammtartig rauh, meistens auch
durch Ausschwitzen einer Flüssigkeit klebrig feucht. Der Bau nur weniger Blü¬
then ist der Art, daß deren Blüthenstaub durch die Mechanik des Aufspringens
der Antheren sofort auf die eigene Narbe gebracht würde. Bei einer großen
Zahl der Pflanzen, deren Blüthen beiderlei Befruchtungsorgane einschließen,
bestehen vielmehr Einrichtungen, weiche die Bestäubung der Narbe durch den
Pollen der männlichen Blüthe unwahrscheinlich, ja unmöglich machen, und schier
die Mehrzahl der blüthentragenden Gewächse ist in Bezug auf die Uebertragung
des Pollens auf die Narbe auf fremde Beihilfe, vorzugsweise auf die von
Jnsecten. welche die Blüthen besuchen, mit unbedingter Nothwendigkeit an¬
gewiesen.

Nach kürzerem oder längerem Verweilen auf der Narbe beginnt die Pollen¬
zelle eine rasche Wachethumslhätigkcit ihrer inneren Haut. Diese stülpt sich an
einer oder mehrern Stellen nach außen, durchbricht die spröde äußere Pollen-
Haut, meistens an bestimmten, vorgebildeten verdünnten Stellen oder Oeffnungen
und tritt als eine cylindrische Röhre, als Pollcnschlauch, aus dieser hervor.
Die Anregung zur Entwickelung von Pollcnschläuchen ist keine besondere Eigen¬
thümlichkeit der Narbe oder der von ihr ausgesonderten Flüssigkeit. Die
gleichen Wachsthumserscheinungen treten häufig ein, wenn Pollenzellen in den
von Blüthen ausgesonderten Honigsaft, oder in Zuckerwasser gebracht werden;
und in nicht wenigen Fällen beginnt der Pollen noch innerhalb der Anthere
Schläuche zu treiben: so bei einigen Orchideen, der Aristolochia und gewissen
Wasserpflanzen.

Die Pollenschläuche, fortdauernd in die Länge wachsend, dringen in den
Griffelkanal, nach Zurücklegung desselben in die Höhle des Fruchtknotens, an
die Anheftungsstellen, endlich bis in die Mündungen der Eychen. Sehr häusig
ist der Weg durch Streifen papillos gewordener Zellen der Außenflächen der
Organe ihnen bezeichnet, an denen hin sie zu wachsen haben, und wo solche
Einrichtungen nicht bestehen, da bürgt die ausnehmend große Zahl der in die
Fruchtknotenhöhle hinabwachsenden Pollenschläuche für das Eintreffen etlicher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/62>, abgerufen am 24.07.2024.