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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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gedehntesten Sinne des Wortes machen, Schleswig-Holstein aber zu einem der
reichsten, am dichtesten bevölkerten und lebensvollsten Länder des europäischen
Continents. Da bei der nicht sehr dichten Bevölkerung der transalbingischen
Herzogthümer Hunderttausende von Händen von auswärts, vom Süden, her¬
beigezogen werden müssen, sowohl zur Förderung des 'Kanalbaus, als um das,
was sich von Wersten, Lagerhäusern, Fabriken u. a. an ihn gliedern wird, so
werden ohne Zweifel Massen von Deutschen, die sich sonst zur Auswanderung
entschlossen hätten, es vorziehen, dort ihr Glück zu suchen, und so dem Vater¬
land erhalten bleiben. Der Werth des Grundes und Bodens wird sich ver-
doppeln, in unmittelbarer Nähe des Kanals verzehnfachen, Eckernförde oder die
Stadt, wo sonst etwa der Kanal mündet, aus einem stillen Landstädtchen zur
stolzen Großstadt erblühen, Schleswig, Rendsburg und Kiel fabrikreiche und
gewerbthätige Orte werden. Bis hoch in den Norden hinauf, bis zur deut¬
schen Grenze wird die Kraft, die der Kanal dem Lande mittheilen muß, ihre
segensreichen Wirkungen äußern, und es ist möglich, ja fast unausbleiblich, daß
diese Kraft dem Volke, welches diesen Kanal besitzt, auf dem Wege friedlicher
Eroberung im Lauf der Zeiten noch einmal die ganze cimbrische Halbinsel
gewinnt.

Und das ist noch bei Weitem nicht alles, was der große norddeutsche Ka¬
nal uns Deutschen in Aussicht stellt. Derselbe wird unsre Schifffahrt ganz
außerordentlich heben, uns bei Weitem mehr noch zu einem seefahrenden Volke
und damit zu einer Weltmacht werden lassen, als wir dies jetzt sind.

Im Jahre 1858 waren unter den 1440 Schiffen, welche in den dem frem¬
den Handel geöffneten Häfen Chinas sich befanden, 180 deutsche, also 12V-
Procent. Jetzt wird sich die Zahl der deutschen Schiffe, welche die Meere Ost¬
asiens befahren, auf nahe an 300 belaufen, und die alljährlich in die Hände
unsrer Rheder zurückfließenden Summen werden mindestens drei Millionen Tha¬
ler oder fünfzig Procent des Schiffswcrthes betragen. Aber zu Deutschlands
Kräftigung zur See trägt jene ferne Schifffahrt so gut wie nichts, zur Vermeh¬
rung seines Handels wenig bei. Alle diese Schiffe bleiben fast immer nur in
jenen Meeren, bis sie unbrauchbar werden oder verloren gehen, und kaum an¬
ders verhält sichs mit den dortigen deutschen Matrosen. Schiffe und Mann¬
schaften nützen so nur dem Auslande und vermehren nicht einmal den Absatz
deutscher Producte. Lediglich einzelne Geldmänner gewinnen dabei hohe Inter¬
essen auf Kosten des Lebens der durch ein stetes Verbleiben in heißer Zone
physisch und moralisch verderbenden und frühzeitig ins Grab sinkenden deut¬
schen Seeleute.

Um vieles wichtiger für die Entwickelung der deutschen Kauffahrtci-Schiff-
fahrt als die jetzige Frachtfahrt norddeutscher Schiffe in den ostasiatischen Meeren
ist, wie Sturz vor einiger Zeit in einer eignen Schrift überzeugend nachgewie-


gedehntesten Sinne des Wortes machen, Schleswig-Holstein aber zu einem der
reichsten, am dichtesten bevölkerten und lebensvollsten Länder des europäischen
Continents. Da bei der nicht sehr dichten Bevölkerung der transalbingischen
Herzogthümer Hunderttausende von Händen von auswärts, vom Süden, her¬
beigezogen werden müssen, sowohl zur Förderung des 'Kanalbaus, als um das,
was sich von Wersten, Lagerhäusern, Fabriken u. a. an ihn gliedern wird, so
werden ohne Zweifel Massen von Deutschen, die sich sonst zur Auswanderung
entschlossen hätten, es vorziehen, dort ihr Glück zu suchen, und so dem Vater¬
land erhalten bleiben. Der Werth des Grundes und Bodens wird sich ver-
doppeln, in unmittelbarer Nähe des Kanals verzehnfachen, Eckernförde oder die
Stadt, wo sonst etwa der Kanal mündet, aus einem stillen Landstädtchen zur
stolzen Großstadt erblühen, Schleswig, Rendsburg und Kiel fabrikreiche und
gewerbthätige Orte werden. Bis hoch in den Norden hinauf, bis zur deut¬
schen Grenze wird die Kraft, die der Kanal dem Lande mittheilen muß, ihre
segensreichen Wirkungen äußern, und es ist möglich, ja fast unausbleiblich, daß
diese Kraft dem Volke, welches diesen Kanal besitzt, auf dem Wege friedlicher
Eroberung im Lauf der Zeiten noch einmal die ganze cimbrische Halbinsel
gewinnt.

Und das ist noch bei Weitem nicht alles, was der große norddeutsche Ka¬
nal uns Deutschen in Aussicht stellt. Derselbe wird unsre Schifffahrt ganz
außerordentlich heben, uns bei Weitem mehr noch zu einem seefahrenden Volke
und damit zu einer Weltmacht werden lassen, als wir dies jetzt sind.

Im Jahre 1858 waren unter den 1440 Schiffen, welche in den dem frem¬
den Handel geöffneten Häfen Chinas sich befanden, 180 deutsche, also 12V-
Procent. Jetzt wird sich die Zahl der deutschen Schiffe, welche die Meere Ost¬
asiens befahren, auf nahe an 300 belaufen, und die alljährlich in die Hände
unsrer Rheder zurückfließenden Summen werden mindestens drei Millionen Tha¬
ler oder fünfzig Procent des Schiffswcrthes betragen. Aber zu Deutschlands
Kräftigung zur See trägt jene ferne Schifffahrt so gut wie nichts, zur Vermeh¬
rung seines Handels wenig bei. Alle diese Schiffe bleiben fast immer nur in
jenen Meeren, bis sie unbrauchbar werden oder verloren gehen, und kaum an¬
ders verhält sichs mit den dortigen deutschen Matrosen. Schiffe und Mann¬
schaften nützen so nur dem Auslande und vermehren nicht einmal den Absatz
deutscher Producte. Lediglich einzelne Geldmänner gewinnen dabei hohe Inter¬
essen auf Kosten des Lebens der durch ein stetes Verbleiben in heißer Zone
physisch und moralisch verderbenden und frühzeitig ins Grab sinkenden deut¬
schen Seeleute.

Um vieles wichtiger für die Entwickelung der deutschen Kauffahrtci-Schiff-
fahrt als die jetzige Frachtfahrt norddeutscher Schiffe in den ostasiatischen Meeren
ist, wie Sturz vor einiger Zeit in einer eignen Schrift überzeugend nachgewie-


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[0510] gedehntesten Sinne des Wortes machen, Schleswig-Holstein aber zu einem der reichsten, am dichtesten bevölkerten und lebensvollsten Länder des europäischen Continents. Da bei der nicht sehr dichten Bevölkerung der transalbingischen Herzogthümer Hunderttausende von Händen von auswärts, vom Süden, her¬ beigezogen werden müssen, sowohl zur Förderung des 'Kanalbaus, als um das, was sich von Wersten, Lagerhäusern, Fabriken u. a. an ihn gliedern wird, so werden ohne Zweifel Massen von Deutschen, die sich sonst zur Auswanderung entschlossen hätten, es vorziehen, dort ihr Glück zu suchen, und so dem Vater¬ land erhalten bleiben. Der Werth des Grundes und Bodens wird sich ver- doppeln, in unmittelbarer Nähe des Kanals verzehnfachen, Eckernförde oder die Stadt, wo sonst etwa der Kanal mündet, aus einem stillen Landstädtchen zur stolzen Großstadt erblühen, Schleswig, Rendsburg und Kiel fabrikreiche und gewerbthätige Orte werden. Bis hoch in den Norden hinauf, bis zur deut¬ schen Grenze wird die Kraft, die der Kanal dem Lande mittheilen muß, ihre segensreichen Wirkungen äußern, und es ist möglich, ja fast unausbleiblich, daß diese Kraft dem Volke, welches diesen Kanal besitzt, auf dem Wege friedlicher Eroberung im Lauf der Zeiten noch einmal die ganze cimbrische Halbinsel gewinnt. Und das ist noch bei Weitem nicht alles, was der große norddeutsche Ka¬ nal uns Deutschen in Aussicht stellt. Derselbe wird unsre Schifffahrt ganz außerordentlich heben, uns bei Weitem mehr noch zu einem seefahrenden Volke und damit zu einer Weltmacht werden lassen, als wir dies jetzt sind. Im Jahre 1858 waren unter den 1440 Schiffen, welche in den dem frem¬ den Handel geöffneten Häfen Chinas sich befanden, 180 deutsche, also 12V- Procent. Jetzt wird sich die Zahl der deutschen Schiffe, welche die Meere Ost¬ asiens befahren, auf nahe an 300 belaufen, und die alljährlich in die Hände unsrer Rheder zurückfließenden Summen werden mindestens drei Millionen Tha¬ ler oder fünfzig Procent des Schiffswcrthes betragen. Aber zu Deutschlands Kräftigung zur See trägt jene ferne Schifffahrt so gut wie nichts, zur Vermeh¬ rung seines Handels wenig bei. Alle diese Schiffe bleiben fast immer nur in jenen Meeren, bis sie unbrauchbar werden oder verloren gehen, und kaum an¬ ders verhält sichs mit den dortigen deutschen Matrosen. Schiffe und Mann¬ schaften nützen so nur dem Auslande und vermehren nicht einmal den Absatz deutscher Producte. Lediglich einzelne Geldmänner gewinnen dabei hohe Inter¬ essen auf Kosten des Lebens der durch ein stetes Verbleiben in heißer Zone physisch und moralisch verderbenden und frühzeitig ins Grab sinkenden deut¬ schen Seeleute. Um vieles wichtiger für die Entwickelung der deutschen Kauffahrtci-Schiff- fahrt als die jetzige Frachtfahrt norddeutscher Schiffe in den ostasiatischen Meeren ist, wie Sturz vor einiger Zeit in einer eignen Schrift überzeugend nachgewie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/510>, abgerufen am 23.07.2024.