Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einheimisches. Ohne diese Gewähr würde der Kanal bei dem handeltreibenden
Theile vieler maritimer Völker nicht das Vertrauen finden, dessen er bedarf,
um eine Welthandelplätze zu werden. Mit dieser'Gewähr wird dort eine Lager¬
stätte für den Weltverkehr entstehen, und dort aufgespeicherte Waaren werden
auf die bloßen Empfangsscheine cvmpetenter Dockcompagnien auf den entfern¬
testen Märkten getauft werden, wie jetzt die in den Docks von London und
Liverpool lagernden Güter.

Die für das Capital der Kanalgcscllschaft zu gebenden Zinsgarantien
wären nur nominell, da das commerzielle Gelingen des Unternehmens keinerlei
Bedenken unterliegt. Die Bürgschaft wäre nur als Sicherheit für den Fall einer
Unterbrechung der Kanalschiffsahrt durch Krieg zu verlangen, und die betreffen¬
den Staaten wären dieselbe zu leisten schon deshalb verpflichtet, weil der Kanal
als trefflichster Kriegshafen für sie die höchste Bedeutung hätte. Zieht man
aber ein Staatsunternehmen vor, so können die Kosten, selbst wenn sie hundert
Millionen überstiegen, mit Leichtigkeit von den Zollvercinsstaaten, ja von
Preußen und Schleswig-Holstein allein aufgebracht werden, am einfachsten durch
Kanalobligativncn "ach dem Muster der Eiscnbahnanleihen, Es würde dies
die beliebteste Anleihe sein, die je in Deutschland gemacht worden.

"Selbst diejenigen unsrer Capitalien" -- sagt Sturz mit Beziehung auf
die in den Börsenzeitungen zu findenden Course von hoindurgcr, wiesbadner
und einher Kursaal-Actien -- "dürften sich bei näherer Betrachtung des Kanal-
Werts überzeugen, daß nationale Unternehmungen nicht blos ehrenvoller,
sondern mindestens ebenso vortheilhaft sind. Wir empfehlen ihnen das Beispiel
der Actionäre der hamburg-neuyvrter Dampferlinie, die 10 Procent halb¬
jährige Dividende zahlt und 802,000 Mark aus Reserveconto schreibt. Auch
der norddeutsche Lloyd hat im Jahre 1863 einen Ueberschuß von 230,557 Tha¬
lern gehabt."

Uebrigens versprach keiner der großartigen Kanäle in den Bereinigten
Staaten und in Kanada eine solche Einnahme, wie wir sie von unserm Unter¬
nehmen zu erwarten verechtigt sind, und doch wurden sie mit ungeheurem Auf-
wande ins Werk gesetzt. Ebensowenig wird der Panama- und Suez-Kanal
sich in dem Maße verzinsen, wie der hier in Rede stehende. So behauptet
wenigstens der Verfasser unsrer Schrift, und seine Gründe lassen sich hören.

"Das gewaltige russische Reich," sagt er, "das neuerdings in seiner noch
ungeschwächten Urkraft einen mächtigen Anlauf genommen hat, um mit seinen
siebzig Millionen in die Reihe der fortschreitenden Völker einzutreten, hat seine
Hauptküste am Gestade des Meeres, welches durch den deutschen Kanal in un¬
mittelbare Verbindung mit der Nordsee und dem atlantischen Ocean gelangen
soll. Was ist natürlicher, als daß die ungeheure Masse der Erzeugnisse Ru߬
lands, dessen Productionsfähigkeit noch gar nicht zu übersehen ist, nach diesem


einheimisches. Ohne diese Gewähr würde der Kanal bei dem handeltreibenden
Theile vieler maritimer Völker nicht das Vertrauen finden, dessen er bedarf,
um eine Welthandelplätze zu werden. Mit dieser'Gewähr wird dort eine Lager¬
stätte für den Weltverkehr entstehen, und dort aufgespeicherte Waaren werden
auf die bloßen Empfangsscheine cvmpetenter Dockcompagnien auf den entfern¬
testen Märkten getauft werden, wie jetzt die in den Docks von London und
Liverpool lagernden Güter.

Die für das Capital der Kanalgcscllschaft zu gebenden Zinsgarantien
wären nur nominell, da das commerzielle Gelingen des Unternehmens keinerlei
Bedenken unterliegt. Die Bürgschaft wäre nur als Sicherheit für den Fall einer
Unterbrechung der Kanalschiffsahrt durch Krieg zu verlangen, und die betreffen¬
den Staaten wären dieselbe zu leisten schon deshalb verpflichtet, weil der Kanal
als trefflichster Kriegshafen für sie die höchste Bedeutung hätte. Zieht man
aber ein Staatsunternehmen vor, so können die Kosten, selbst wenn sie hundert
Millionen überstiegen, mit Leichtigkeit von den Zollvercinsstaaten, ja von
Preußen und Schleswig-Holstein allein aufgebracht werden, am einfachsten durch
Kanalobligativncn »ach dem Muster der Eiscnbahnanleihen, Es würde dies
die beliebteste Anleihe sein, die je in Deutschland gemacht worden.

„Selbst diejenigen unsrer Capitalien" — sagt Sturz mit Beziehung auf
die in den Börsenzeitungen zu findenden Course von hoindurgcr, wiesbadner
und einher Kursaal-Actien — „dürften sich bei näherer Betrachtung des Kanal-
Werts überzeugen, daß nationale Unternehmungen nicht blos ehrenvoller,
sondern mindestens ebenso vortheilhaft sind. Wir empfehlen ihnen das Beispiel
der Actionäre der hamburg-neuyvrter Dampferlinie, die 10 Procent halb¬
jährige Dividende zahlt und 802,000 Mark aus Reserveconto schreibt. Auch
der norddeutsche Lloyd hat im Jahre 1863 einen Ueberschuß von 230,557 Tha¬
lern gehabt."

Uebrigens versprach keiner der großartigen Kanäle in den Bereinigten
Staaten und in Kanada eine solche Einnahme, wie wir sie von unserm Unter¬
nehmen zu erwarten verechtigt sind, und doch wurden sie mit ungeheurem Auf-
wande ins Werk gesetzt. Ebensowenig wird der Panama- und Suez-Kanal
sich in dem Maße verzinsen, wie der hier in Rede stehende. So behauptet
wenigstens der Verfasser unsrer Schrift, und seine Gründe lassen sich hören.

„Das gewaltige russische Reich," sagt er, „das neuerdings in seiner noch
ungeschwächten Urkraft einen mächtigen Anlauf genommen hat, um mit seinen
siebzig Millionen in die Reihe der fortschreitenden Völker einzutreten, hat seine
Hauptküste am Gestade des Meeres, welches durch den deutschen Kanal in un¬
mittelbare Verbindung mit der Nordsee und dem atlantischen Ocean gelangen
soll. Was ist natürlicher, als daß die ungeheure Masse der Erzeugnisse Ru߬
lands, dessen Productionsfähigkeit noch gar nicht zu übersehen ist, nach diesem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189069"/>
          <p xml:id="ID_1730" prev="#ID_1729"> einheimisches. Ohne diese Gewähr würde der Kanal bei dem handeltreibenden<lb/>
Theile vieler maritimer Völker nicht das Vertrauen finden, dessen er bedarf,<lb/>
um eine Welthandelplätze zu werden. Mit dieser'Gewähr wird dort eine Lager¬<lb/>
stätte für den Weltverkehr entstehen, und dort aufgespeicherte Waaren werden<lb/>
auf die bloßen Empfangsscheine cvmpetenter Dockcompagnien auf den entfern¬<lb/>
testen Märkten getauft werden, wie jetzt die in den Docks von London und<lb/>
Liverpool lagernden Güter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1731"> Die für das Capital der Kanalgcscllschaft zu gebenden Zinsgarantien<lb/>
wären nur nominell, da das commerzielle Gelingen des Unternehmens keinerlei<lb/>
Bedenken unterliegt. Die Bürgschaft wäre nur als Sicherheit für den Fall einer<lb/>
Unterbrechung der Kanalschiffsahrt durch Krieg zu verlangen, und die betreffen¬<lb/>
den Staaten wären dieselbe zu leisten schon deshalb verpflichtet, weil der Kanal<lb/>
als trefflichster Kriegshafen für sie die höchste Bedeutung hätte. Zieht man<lb/>
aber ein Staatsunternehmen vor, so können die Kosten, selbst wenn sie hundert<lb/>
Millionen überstiegen, mit Leichtigkeit von den Zollvercinsstaaten, ja von<lb/>
Preußen und Schleswig-Holstein allein aufgebracht werden, am einfachsten durch<lb/>
Kanalobligativncn »ach dem Muster der Eiscnbahnanleihen, Es würde dies<lb/>
die beliebteste Anleihe sein, die je in Deutschland gemacht worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1732"> &#x201E;Selbst diejenigen unsrer Capitalien" &#x2014; sagt Sturz mit Beziehung auf<lb/>
die in den Börsenzeitungen zu findenden Course von hoindurgcr, wiesbadner<lb/>
und einher Kursaal-Actien &#x2014; &#x201E;dürften sich bei näherer Betrachtung des Kanal-<lb/>
Werts überzeugen, daß nationale Unternehmungen nicht blos ehrenvoller,<lb/>
sondern mindestens ebenso vortheilhaft sind. Wir empfehlen ihnen das Beispiel<lb/>
der Actionäre der hamburg-neuyvrter Dampferlinie, die 10 Procent halb¬<lb/>
jährige Dividende zahlt und 802,000 Mark aus Reserveconto schreibt. Auch<lb/>
der norddeutsche Lloyd hat im Jahre 1863 einen Ueberschuß von 230,557 Tha¬<lb/>
lern gehabt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1733"> Uebrigens versprach keiner der großartigen Kanäle in den Bereinigten<lb/>
Staaten und in Kanada eine solche Einnahme, wie wir sie von unserm Unter¬<lb/>
nehmen zu erwarten verechtigt sind, und doch wurden sie mit ungeheurem Auf-<lb/>
wande ins Werk gesetzt. Ebensowenig wird der Panama- und Suez-Kanal<lb/>
sich in dem Maße verzinsen, wie der hier in Rede stehende. So behauptet<lb/>
wenigstens der Verfasser unsrer Schrift, und seine Gründe lassen sich hören.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1734" next="#ID_1735"> &#x201E;Das gewaltige russische Reich," sagt er, &#x201E;das neuerdings in seiner noch<lb/>
ungeschwächten Urkraft einen mächtigen Anlauf genommen hat, um mit seinen<lb/>
siebzig Millionen in die Reihe der fortschreitenden Völker einzutreten, hat seine<lb/>
Hauptküste am Gestade des Meeres, welches durch den deutschen Kanal in un¬<lb/>
mittelbare Verbindung mit der Nordsee und dem atlantischen Ocean gelangen<lb/>
soll. Was ist natürlicher, als daß die ungeheure Masse der Erzeugnisse Ru߬<lb/>
lands, dessen Productionsfähigkeit noch gar nicht zu übersehen ist, nach diesem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] einheimisches. Ohne diese Gewähr würde der Kanal bei dem handeltreibenden Theile vieler maritimer Völker nicht das Vertrauen finden, dessen er bedarf, um eine Welthandelplätze zu werden. Mit dieser'Gewähr wird dort eine Lager¬ stätte für den Weltverkehr entstehen, und dort aufgespeicherte Waaren werden auf die bloßen Empfangsscheine cvmpetenter Dockcompagnien auf den entfern¬ testen Märkten getauft werden, wie jetzt die in den Docks von London und Liverpool lagernden Güter. Die für das Capital der Kanalgcscllschaft zu gebenden Zinsgarantien wären nur nominell, da das commerzielle Gelingen des Unternehmens keinerlei Bedenken unterliegt. Die Bürgschaft wäre nur als Sicherheit für den Fall einer Unterbrechung der Kanalschiffsahrt durch Krieg zu verlangen, und die betreffen¬ den Staaten wären dieselbe zu leisten schon deshalb verpflichtet, weil der Kanal als trefflichster Kriegshafen für sie die höchste Bedeutung hätte. Zieht man aber ein Staatsunternehmen vor, so können die Kosten, selbst wenn sie hundert Millionen überstiegen, mit Leichtigkeit von den Zollvercinsstaaten, ja von Preußen und Schleswig-Holstein allein aufgebracht werden, am einfachsten durch Kanalobligativncn »ach dem Muster der Eiscnbahnanleihen, Es würde dies die beliebteste Anleihe sein, die je in Deutschland gemacht worden. „Selbst diejenigen unsrer Capitalien" — sagt Sturz mit Beziehung auf die in den Börsenzeitungen zu findenden Course von hoindurgcr, wiesbadner und einher Kursaal-Actien — „dürften sich bei näherer Betrachtung des Kanal- Werts überzeugen, daß nationale Unternehmungen nicht blos ehrenvoller, sondern mindestens ebenso vortheilhaft sind. Wir empfehlen ihnen das Beispiel der Actionäre der hamburg-neuyvrter Dampferlinie, die 10 Procent halb¬ jährige Dividende zahlt und 802,000 Mark aus Reserveconto schreibt. Auch der norddeutsche Lloyd hat im Jahre 1863 einen Ueberschuß von 230,557 Tha¬ lern gehabt." Uebrigens versprach keiner der großartigen Kanäle in den Bereinigten Staaten und in Kanada eine solche Einnahme, wie wir sie von unserm Unter¬ nehmen zu erwarten verechtigt sind, und doch wurden sie mit ungeheurem Auf- wande ins Werk gesetzt. Ebensowenig wird der Panama- und Suez-Kanal sich in dem Maße verzinsen, wie der hier in Rede stehende. So behauptet wenigstens der Verfasser unsrer Schrift, und seine Gründe lassen sich hören. „Das gewaltige russische Reich," sagt er, „das neuerdings in seiner noch ungeschwächten Urkraft einen mächtigen Anlauf genommen hat, um mit seinen siebzig Millionen in die Reihe der fortschreitenden Völker einzutreten, hat seine Hauptküste am Gestade des Meeres, welches durch den deutschen Kanal in un¬ mittelbare Verbindung mit der Nordsee und dem atlantischen Ocean gelangen soll. Was ist natürlicher, als daß die ungeheure Masse der Erzeugnisse Ru߬ lands, dessen Productionsfähigkeit noch gar nicht zu übersehen ist, nach diesem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/508>, abgerufen am 23.07.2024.