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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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den bewegten köstlichen kleinen Gefechtsscenen, den Reiterscharmützeln im Schnee-
sturm des Februar, den Necognoscirungen und Verwundetcntransportcn, vor
allem aber den Artillcrietrains, thut es ihm kein Engländer und Franzose
gleich. Neben den seinigen mit ihrer Präcision und charakteristischen Bestimmt¬
heit im Detail erblassen die besten englischen Kriegsillustrationen zu leeren
Allgemeinheiten. -- Wenn Beck sich hauptsächlich den Oestreichevn anschloß,
so hielt sich der ihm später gefolgte berliner Schlachtenmaler Fr. Kaiser zu
seinen preußischen Compatrioten. Seine ganz trefflichen bisher eingesandten Zeich¬
nungen mit ihren kleinen lebensvollen Figürchen stehen in ihrer Art denen
Becks nicht nach. Was hat, wie wir da sehen, der Krieg aus dem preußischen
Soldaten gemacht! Wo ist die Parade- und ordonnanzmäßige "Proprete", wo
der "verschluckte Ladestock" geblieben. Ueppig wuchernde Bärte um Kinn und
Wangen in Potsdamer Gardelieutcnantsgesichtern, eine kleine Mütze in die
Stirn gedrückt, keine Epaulets, die Hosen in hohe Stiefel gesteckt, die Kapuze
im Nacken, den Haudegen an der Seite, den Revolver in der Faust, "bespritzt
mit jedes Bodens Unterschied", der zwischen Kiel und Alsen liegt! L'sse is,
^neu-i-ez -- und die Maler danken es dem Kriege, daß er ihnen in solcher Art
das Material künftiger Bilder preußischer Ruhmesthaten präparirt hat, wie sie
es sich nicht besser wünschen und träumen könnten, und mögen nicht minder
auch dem tüchtigen treu auffassenden Zeichner danken, der es ihnen in dieser
Gestalt überlieferte.

Gegenwärtig ist L, Burger als dritter Zeichner der Jllustrirten in Jüt-
land, um eine, jedenfalls noch mannigfach interessante Nachlese zu halten.

Die Achillesferse freilich ist unsern deutschen Kriegsillustrationen immer
noch geblieben! das ist das ganze Marine- und Seewesen. In diesem Genre
erscheinen die englischen Zeichner wirklich wie Wesen einer höhern Gattung
gegen uns arme künstlerische Landratten, wenn auch noch so "tapprc Landsol-
daien". Vielleicht daß auch darin der jetzige Krieg fruchtreich für uns werden
und mit dem kieler Hafen uns eine anständige Flotte, mit dieser aber allmälig
auch tüchtige Marinezeichner und Seegefechtbilder bringen wird.

In den letzten Tagen sind in Berlin die an Ort und Stelle aufgenom¬
menen Photographien vom Kriegsschauplatz von Graf erschienen. An Prä¬
cision und Klarheit lassen sie nichts zu wünschen übrig. Sie geben die Loca-
litäten, die Soldaten und die Waffen in Ruhe mit einer natürlich von keiner
Zeichnung zu erreichenden Genauigkeit. Auch sie, wie jene Illustrationen, lie¬
fern unschätzbare Documente und Material für die höhere Kunst. Wie werden
die Vertreter des kriegerischen Elements in derselben , unser Menzel, Kamphau¬
sen, Bleibtreu das so sür sie Aufgehäufte zu verwenden wissen? Mögen sie sich
der neuen großen nationalen Stoffe würdig zeigen, daß die große Gcschichtsmalerei
nicht von der so viel anspruchs- und selbstloseren Illustration beschämt werde!




den bewegten köstlichen kleinen Gefechtsscenen, den Reiterscharmützeln im Schnee-
sturm des Februar, den Necognoscirungen und Verwundetcntransportcn, vor
allem aber den Artillcrietrains, thut es ihm kein Engländer und Franzose
gleich. Neben den seinigen mit ihrer Präcision und charakteristischen Bestimmt¬
heit im Detail erblassen die besten englischen Kriegsillustrationen zu leeren
Allgemeinheiten. — Wenn Beck sich hauptsächlich den Oestreichevn anschloß,
so hielt sich der ihm später gefolgte berliner Schlachtenmaler Fr. Kaiser zu
seinen preußischen Compatrioten. Seine ganz trefflichen bisher eingesandten Zeich¬
nungen mit ihren kleinen lebensvollen Figürchen stehen in ihrer Art denen
Becks nicht nach. Was hat, wie wir da sehen, der Krieg aus dem preußischen
Soldaten gemacht! Wo ist die Parade- und ordonnanzmäßige „Proprete", wo
der „verschluckte Ladestock" geblieben. Ueppig wuchernde Bärte um Kinn und
Wangen in Potsdamer Gardelieutcnantsgesichtern, eine kleine Mütze in die
Stirn gedrückt, keine Epaulets, die Hosen in hohe Stiefel gesteckt, die Kapuze
im Nacken, den Haudegen an der Seite, den Revolver in der Faust, „bespritzt
mit jedes Bodens Unterschied", der zwischen Kiel und Alsen liegt! L'sse is,
^neu-i-ez — und die Maler danken es dem Kriege, daß er ihnen in solcher Art
das Material künftiger Bilder preußischer Ruhmesthaten präparirt hat, wie sie
es sich nicht besser wünschen und träumen könnten, und mögen nicht minder
auch dem tüchtigen treu auffassenden Zeichner danken, der es ihnen in dieser
Gestalt überlieferte.

Gegenwärtig ist L, Burger als dritter Zeichner der Jllustrirten in Jüt-
land, um eine, jedenfalls noch mannigfach interessante Nachlese zu halten.

Die Achillesferse freilich ist unsern deutschen Kriegsillustrationen immer
noch geblieben! das ist das ganze Marine- und Seewesen. In diesem Genre
erscheinen die englischen Zeichner wirklich wie Wesen einer höhern Gattung
gegen uns arme künstlerische Landratten, wenn auch noch so „tapprc Landsol-
daien". Vielleicht daß auch darin der jetzige Krieg fruchtreich für uns werden
und mit dem kieler Hafen uns eine anständige Flotte, mit dieser aber allmälig
auch tüchtige Marinezeichner und Seegefechtbilder bringen wird.

In den letzten Tagen sind in Berlin die an Ort und Stelle aufgenom¬
menen Photographien vom Kriegsschauplatz von Graf erschienen. An Prä¬
cision und Klarheit lassen sie nichts zu wünschen übrig. Sie geben die Loca-
litäten, die Soldaten und die Waffen in Ruhe mit einer natürlich von keiner
Zeichnung zu erreichenden Genauigkeit. Auch sie, wie jene Illustrationen, lie¬
fern unschätzbare Documente und Material für die höhere Kunst. Wie werden
die Vertreter des kriegerischen Elements in derselben , unser Menzel, Kamphau¬
sen, Bleibtreu das so sür sie Aufgehäufte zu verwenden wissen? Mögen sie sich
der neuen großen nationalen Stoffe würdig zeigen, daß die große Gcschichtsmalerei
nicht von der so viel anspruchs- und selbstloseren Illustration beschämt werde!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/504>, abgerufen am 25.08.2024.