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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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ansehen. Die antike Heroenstatue "der das akademische Muskclmodell mit
der damaligen Uniform der Alliirten bekleidet wirkt noch komischer, als in der
französischen Tracht des Consulats und des Kaiserreichs. Der Sieg der nord¬
deutschen romantischen Malerschule drängte indeß bei uns schnell genug dies
ganze Wesen in den Hintergrund und mit den als viel größere und erhabenere
Aufgaben gepriesenen, mittelalterlichen Schlachten, mit den Nibelungenkämpfen,
den alten, karolingischen und hohenstaufischen Kaisertriegen, wie man sie in
Düsseldorf und München zu malen begann, trat die absolute, nicht'einmal mehr
durch Concessionen an Schießpulver und Uniformen gemäßigte Herrschaft der
Constantinöschlacht über die Geister der componircnden Künstler wieder in ihr
ganzes und volles Recht.

I" gleicher Ausschließlichkeit erlangte sie es bei den Franzosen nicht wie¬
der. Deren malende Romantiker waren weit mehr Realisten und mit viel zu
starkem Nationalgefühl, mit viel zu lebhaftem vaterländischen Stolz ausgerüstet,
um sich so gänzlich in die Nebel der Ferne zu verlieren und der ruhmreichen
jüngsten Vergangenheit ihres Volks in ähnlicher Weise den Rücken zu kehren.
Ihr feindlicher Gegensatz aber gegen David und die Seinigen mußte sie noth¬
wendig bei der Behandlung modernkriegsgeschichtlicher Bildgegenständc zu einer
ganz entgegengesetzten Art ihrer Auffassung führen. Hocace Vernet ist hier
wohl als erster zu nennen, der Bilder von Schlachten und Kämpfen unter¬
nimmt, wie sie sich dem unbefangnen BUck des künstlerisch gebildeten Augen¬
zeugen darstellen. Seine unübertroffene "Barriürc von Clichy" im Luxembourg
ist in dieser Richtung epochemachend gewesen. Nicht unmittelbar gelang ihm
natürlich dieser Uebergang vom theatralischen Pathos seiner "klassischen" Vor¬
gänger zum natürlich-dramatischen seiner ihm später eigenthümlichen Richtung.
Noch in seinen Bildern aus den zwanziger Jahren spukt jener Geist wohl hin
und wieder. Als dem künstlerisch völlig gereiften Meister aber mit den algieri-
schen Ervbcrungstämpsen der Krieg wieder in seiner Wirklichkeit zur Anschauung
kommt, ist er mit einem Schlage auch von der letzten Erinnerung an die längst
abgeschüttelte und zerbrvchne Fessel befreit, seine Auffassung und Darstellung
der Schlacht- und Kampfscenen gewinnt plötzlich ihr ganz vom bisherigen
abweichendes persönliches Gepräge, und er wird der Vater, Meister und Muster
der modernen Kricgsillustration. Während Vernet zur Tafel für letztere von
Louis Philipp ganze Saalwandc des zum historischen Museum verwandelten
Köiugöschlosses zu Versailles angewiesen erhielt, aus welche er in rascher Folge
mit unerhörter Bravour die malerischen Schilderungen aller französischen Schlach¬
ten, Gefechte und kriegerischen Episoden der dreißiger und vierziger Jahre un¬
mittelbar nachdem sie geschlagen und geschehn, geistreich und in einer bis da¬
hin nicbt gesehenen unbefangnen ungeschminkten Natürlichkeit mit nie rastendem
Pinsel hinzeichnete, begleitete dieselben Heere auf ihren glücklichen und Unglück-


ansehen. Die antike Heroenstatue »der das akademische Muskclmodell mit
der damaligen Uniform der Alliirten bekleidet wirkt noch komischer, als in der
französischen Tracht des Consulats und des Kaiserreichs. Der Sieg der nord¬
deutschen romantischen Malerschule drängte indeß bei uns schnell genug dies
ganze Wesen in den Hintergrund und mit den als viel größere und erhabenere
Aufgaben gepriesenen, mittelalterlichen Schlachten, mit den Nibelungenkämpfen,
den alten, karolingischen und hohenstaufischen Kaisertriegen, wie man sie in
Düsseldorf und München zu malen begann, trat die absolute, nicht'einmal mehr
durch Concessionen an Schießpulver und Uniformen gemäßigte Herrschaft der
Constantinöschlacht über die Geister der componircnden Künstler wieder in ihr
ganzes und volles Recht.

I» gleicher Ausschließlichkeit erlangte sie es bei den Franzosen nicht wie¬
der. Deren malende Romantiker waren weit mehr Realisten und mit viel zu
starkem Nationalgefühl, mit viel zu lebhaftem vaterländischen Stolz ausgerüstet,
um sich so gänzlich in die Nebel der Ferne zu verlieren und der ruhmreichen
jüngsten Vergangenheit ihres Volks in ähnlicher Weise den Rücken zu kehren.
Ihr feindlicher Gegensatz aber gegen David und die Seinigen mußte sie noth¬
wendig bei der Behandlung modernkriegsgeschichtlicher Bildgegenständc zu einer
ganz entgegengesetzten Art ihrer Auffassung führen. Hocace Vernet ist hier
wohl als erster zu nennen, der Bilder von Schlachten und Kämpfen unter¬
nimmt, wie sie sich dem unbefangnen BUck des künstlerisch gebildeten Augen¬
zeugen darstellen. Seine unübertroffene „Barriürc von Clichy" im Luxembourg
ist in dieser Richtung epochemachend gewesen. Nicht unmittelbar gelang ihm
natürlich dieser Uebergang vom theatralischen Pathos seiner „klassischen" Vor¬
gänger zum natürlich-dramatischen seiner ihm später eigenthümlichen Richtung.
Noch in seinen Bildern aus den zwanziger Jahren spukt jener Geist wohl hin
und wieder. Als dem künstlerisch völlig gereiften Meister aber mit den algieri-
schen Ervbcrungstämpsen der Krieg wieder in seiner Wirklichkeit zur Anschauung
kommt, ist er mit einem Schlage auch von der letzten Erinnerung an die längst
abgeschüttelte und zerbrvchne Fessel befreit, seine Auffassung und Darstellung
der Schlacht- und Kampfscenen gewinnt plötzlich ihr ganz vom bisherigen
abweichendes persönliches Gepräge, und er wird der Vater, Meister und Muster
der modernen Kricgsillustration. Während Vernet zur Tafel für letztere von
Louis Philipp ganze Saalwandc des zum historischen Museum verwandelten
Köiugöschlosses zu Versailles angewiesen erhielt, aus welche er in rascher Folge
mit unerhörter Bravour die malerischen Schilderungen aller französischen Schlach¬
ten, Gefechte und kriegerischen Episoden der dreißiger und vierziger Jahre un¬
mittelbar nachdem sie geschlagen und geschehn, geistreich und in einer bis da¬
hin nicbt gesehenen unbefangnen ungeschminkten Natürlichkeit mit nie rastendem
Pinsel hinzeichnete, begleitete dieselben Heere auf ihren glücklichen und Unglück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/500>, abgerufen am 23.07.2024.