Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zumal über die Beamten, der deutschen Geschichte ganz fremd sind. Wenn wir
aber von diesen absehen, dürfte die Frage wohl gerechtfertigt erscheinen, ob die
deutsche Bevölkerung in entsprechendem Maße sich an dem .Kampfe für deutsches
Recht betheiligt hat wie die dänische an ihrem Kampfe? Die Dänen haben
allerdings Gelegenheit gehabt, nicht nur sich mit der Sorge für ihre Verwun¬
deten u. dergl. zu befassen, sondern auch sich an dem Kriege durch Eintritt als
Freiwillige und durch directe Unterstützung der Kriegsunteruchmungen zu be¬
theiligen. In letzterer Beziehung hat die Zähigkeit, mit welcher die Dänen,
in den von den Verbündeten bereits unterworfenen Landestheilen ihre Ver¬
bindungen mit dem dänischen Kriegsheere aufrecht erhalten haben, gerechte An¬
erkennung gefunden. Den Deutschen war nur das Feld der indirecten Unter¬
stützung ihrer kämpfenden Brüder eröffnet, und selbst auf diesem Felde ist wohl
nicht so viel geschehen, wie nach den vielfachen Anläufen erwartet werden
konnte. -- Es ist versäumt worden, durch feste Organisation selbst da einen
positiven Willen und damit eine Macht zu entwickeln, wo sich die Gelegenheit
ohne alle Gefahr für die eigenen Interessen bot, nämlich in der privaten Hilfe
für die leidenden Krieger. Um diesen Ausspruch zu rechtfertigen und um darzu¬
thun.-was ein willenskräftiges Volk in dieser Richtung leisten kann, bedarf es
nur eines Vergleiches dessen, was bei uns geschehen ist und was man in den
nordamerikanische" Freistaaten gethan hat.

In Oestreich und Preußen, sowie auch in einzelnen der andern deutschen
Städte haben sich Vereine, meist unter Führung von Frauen gebildet, um durch
Sammlung von Geld und entsprechenden Materialien die Mittel zu gewinnen,
die Pflege der Verwundeten und Kranken zu unterstützen. Reichlich sind die
Gaben geflossen, aber die hier aufgewandten Mittel entsprachen nicht den wirk¬
lichen Leistungen, trugen nicht dazu bei, eine stets an rechter Stelle eintretende
Macht zu entwickeln, weil die Organisation fehlte. Die Organisationen, welche
vorhanden waren und ihre Kräfte diesem politisch so bedeutenden Zweck weih¬
ten, haben mit geringern Mitteln verhältnißmäßig mehr geleistet als jene
patriotischen Vereine und sind dadurch in Selbstgefühl und Einfluß ge¬
wachsen." Die kirchlichen Kongregationen beider Konfessionen und der Johan-
niterorden bieten Beispiele. -- Der berliner Centralverein für die Pflege der
verwundeten Krieger, welcher sich nach den Grundsätzen der in Genf versam¬
melt gewesenen internationalen Konferenz gebildet hatte und infolge dessen
die gesammte Privathilfc der Bevölkerung Preußens in sich concentriren wollte,
hat sich zu keiner lebendigen Institution entwickelt. Die Ursache davon muß
man darin suchen, daß der Verein bei seiner Bildung von Oben, statt von
Unten angefangen hat, er hat eine Veamtenhierarchie aufgestellt, ehe er Unter¬
thanen hatte. -- Nordamerika zeigt, was man auf dem entgegengesetzten Ge¬
biete erreichen kann.


Grenzboten II. 18L4. 60

zumal über die Beamten, der deutschen Geschichte ganz fremd sind. Wenn wir
aber von diesen absehen, dürfte die Frage wohl gerechtfertigt erscheinen, ob die
deutsche Bevölkerung in entsprechendem Maße sich an dem .Kampfe für deutsches
Recht betheiligt hat wie die dänische an ihrem Kampfe? Die Dänen haben
allerdings Gelegenheit gehabt, nicht nur sich mit der Sorge für ihre Verwun¬
deten u. dergl. zu befassen, sondern auch sich an dem Kriege durch Eintritt als
Freiwillige und durch directe Unterstützung der Kriegsunteruchmungen zu be¬
theiligen. In letzterer Beziehung hat die Zähigkeit, mit welcher die Dänen,
in den von den Verbündeten bereits unterworfenen Landestheilen ihre Ver¬
bindungen mit dem dänischen Kriegsheere aufrecht erhalten haben, gerechte An¬
erkennung gefunden. Den Deutschen war nur das Feld der indirecten Unter¬
stützung ihrer kämpfenden Brüder eröffnet, und selbst auf diesem Felde ist wohl
nicht so viel geschehen, wie nach den vielfachen Anläufen erwartet werden
konnte. — Es ist versäumt worden, durch feste Organisation selbst da einen
positiven Willen und damit eine Macht zu entwickeln, wo sich die Gelegenheit
ohne alle Gefahr für die eigenen Interessen bot, nämlich in der privaten Hilfe
für die leidenden Krieger. Um diesen Ausspruch zu rechtfertigen und um darzu¬
thun.-was ein willenskräftiges Volk in dieser Richtung leisten kann, bedarf es
nur eines Vergleiches dessen, was bei uns geschehen ist und was man in den
nordamerikanische» Freistaaten gethan hat.

In Oestreich und Preußen, sowie auch in einzelnen der andern deutschen
Städte haben sich Vereine, meist unter Führung von Frauen gebildet, um durch
Sammlung von Geld und entsprechenden Materialien die Mittel zu gewinnen,
die Pflege der Verwundeten und Kranken zu unterstützen. Reichlich sind die
Gaben geflossen, aber die hier aufgewandten Mittel entsprachen nicht den wirk¬
lichen Leistungen, trugen nicht dazu bei, eine stets an rechter Stelle eintretende
Macht zu entwickeln, weil die Organisation fehlte. Die Organisationen, welche
vorhanden waren und ihre Kräfte diesem politisch so bedeutenden Zweck weih¬
ten, haben mit geringern Mitteln verhältnißmäßig mehr geleistet als jene
patriotischen Vereine und sind dadurch in Selbstgefühl und Einfluß ge¬
wachsen." Die kirchlichen Kongregationen beider Konfessionen und der Johan-
niterorden bieten Beispiele. — Der berliner Centralverein für die Pflege der
verwundeten Krieger, welcher sich nach den Grundsätzen der in Genf versam¬
melt gewesenen internationalen Konferenz gebildet hatte und infolge dessen
die gesammte Privathilfc der Bevölkerung Preußens in sich concentriren wollte,
hat sich zu keiner lebendigen Institution entwickelt. Die Ursache davon muß
man darin suchen, daß der Verein bei seiner Bildung von Oben, statt von
Unten angefangen hat, er hat eine Veamtenhierarchie aufgestellt, ehe er Unter¬
thanen hatte. — Nordamerika zeigt, was man auf dem entgegengesetzten Ge¬
biete erreichen kann.


Grenzboten II. 18L4. 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189042"/>
          <p xml:id="ID_1628" prev="#ID_1627"> zumal über die Beamten, der deutschen Geschichte ganz fremd sind. Wenn wir<lb/>
aber von diesen absehen, dürfte die Frage wohl gerechtfertigt erscheinen, ob die<lb/>
deutsche Bevölkerung in entsprechendem Maße sich an dem .Kampfe für deutsches<lb/>
Recht betheiligt hat wie die dänische an ihrem Kampfe? Die Dänen haben<lb/>
allerdings Gelegenheit gehabt, nicht nur sich mit der Sorge für ihre Verwun¬<lb/>
deten u. dergl. zu befassen, sondern auch sich an dem Kriege durch Eintritt als<lb/>
Freiwillige und durch directe Unterstützung der Kriegsunteruchmungen zu be¬<lb/>
theiligen. In letzterer Beziehung hat die Zähigkeit, mit welcher die Dänen,<lb/>
in den von den Verbündeten bereits unterworfenen Landestheilen ihre Ver¬<lb/>
bindungen mit dem dänischen Kriegsheere aufrecht erhalten haben, gerechte An¬<lb/>
erkennung gefunden. Den Deutschen war nur das Feld der indirecten Unter¬<lb/>
stützung ihrer kämpfenden Brüder eröffnet, und selbst auf diesem Felde ist wohl<lb/>
nicht so viel geschehen, wie nach den vielfachen Anläufen erwartet werden<lb/>
konnte. &#x2014; Es ist versäumt worden, durch feste Organisation selbst da einen<lb/>
positiven Willen und damit eine Macht zu entwickeln, wo sich die Gelegenheit<lb/>
ohne alle Gefahr für die eigenen Interessen bot, nämlich in der privaten Hilfe<lb/>
für die leidenden Krieger. Um diesen Ausspruch zu rechtfertigen und um darzu¬<lb/>
thun.-was ein willenskräftiges Volk in dieser Richtung leisten kann, bedarf es<lb/>
nur eines Vergleiches dessen, was bei uns geschehen ist und was man in den<lb/>
nordamerikanische» Freistaaten gethan hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1629"> In Oestreich und Preußen, sowie auch in einzelnen der andern deutschen<lb/>
Städte haben sich Vereine, meist unter Führung von Frauen gebildet, um durch<lb/>
Sammlung von Geld und entsprechenden Materialien die Mittel zu gewinnen,<lb/>
die Pflege der Verwundeten und Kranken zu unterstützen. Reichlich sind die<lb/>
Gaben geflossen, aber die hier aufgewandten Mittel entsprachen nicht den wirk¬<lb/>
lichen Leistungen, trugen nicht dazu bei, eine stets an rechter Stelle eintretende<lb/>
Macht zu entwickeln, weil die Organisation fehlte. Die Organisationen, welche<lb/>
vorhanden waren und ihre Kräfte diesem politisch so bedeutenden Zweck weih¬<lb/>
ten, haben mit geringern Mitteln verhältnißmäßig mehr geleistet als jene<lb/>
patriotischen Vereine und sind dadurch in Selbstgefühl und Einfluß ge¬<lb/>
wachsen." Die kirchlichen Kongregationen beider Konfessionen und der Johan-<lb/>
niterorden bieten Beispiele. &#x2014; Der berliner Centralverein für die Pflege der<lb/>
verwundeten Krieger, welcher sich nach den Grundsätzen der in Genf versam¬<lb/>
melt gewesenen internationalen Konferenz gebildet hatte und infolge dessen<lb/>
die gesammte Privathilfc der Bevölkerung Preußens in sich concentriren wollte,<lb/>
hat sich zu keiner lebendigen Institution entwickelt. Die Ursache davon muß<lb/>
man darin suchen, daß der Verein bei seiner Bildung von Oben, statt von<lb/>
Unten angefangen hat, er hat eine Veamtenhierarchie aufgestellt, ehe er Unter¬<lb/>
thanen hatte. &#x2014; Nordamerika zeigt, was man auf dem entgegengesetzten Ge¬<lb/>
biete erreichen kann.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 18L4. 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] zumal über die Beamten, der deutschen Geschichte ganz fremd sind. Wenn wir aber von diesen absehen, dürfte die Frage wohl gerechtfertigt erscheinen, ob die deutsche Bevölkerung in entsprechendem Maße sich an dem .Kampfe für deutsches Recht betheiligt hat wie die dänische an ihrem Kampfe? Die Dänen haben allerdings Gelegenheit gehabt, nicht nur sich mit der Sorge für ihre Verwun¬ deten u. dergl. zu befassen, sondern auch sich an dem Kriege durch Eintritt als Freiwillige und durch directe Unterstützung der Kriegsunteruchmungen zu be¬ theiligen. In letzterer Beziehung hat die Zähigkeit, mit welcher die Dänen, in den von den Verbündeten bereits unterworfenen Landestheilen ihre Ver¬ bindungen mit dem dänischen Kriegsheere aufrecht erhalten haben, gerechte An¬ erkennung gefunden. Den Deutschen war nur das Feld der indirecten Unter¬ stützung ihrer kämpfenden Brüder eröffnet, und selbst auf diesem Felde ist wohl nicht so viel geschehen, wie nach den vielfachen Anläufen erwartet werden konnte. — Es ist versäumt worden, durch feste Organisation selbst da einen positiven Willen und damit eine Macht zu entwickeln, wo sich die Gelegenheit ohne alle Gefahr für die eigenen Interessen bot, nämlich in der privaten Hilfe für die leidenden Krieger. Um diesen Ausspruch zu rechtfertigen und um darzu¬ thun.-was ein willenskräftiges Volk in dieser Richtung leisten kann, bedarf es nur eines Vergleiches dessen, was bei uns geschehen ist und was man in den nordamerikanische» Freistaaten gethan hat. In Oestreich und Preußen, sowie auch in einzelnen der andern deutschen Städte haben sich Vereine, meist unter Führung von Frauen gebildet, um durch Sammlung von Geld und entsprechenden Materialien die Mittel zu gewinnen, die Pflege der Verwundeten und Kranken zu unterstützen. Reichlich sind die Gaben geflossen, aber die hier aufgewandten Mittel entsprachen nicht den wirk¬ lichen Leistungen, trugen nicht dazu bei, eine stets an rechter Stelle eintretende Macht zu entwickeln, weil die Organisation fehlte. Die Organisationen, welche vorhanden waren und ihre Kräfte diesem politisch so bedeutenden Zweck weih¬ ten, haben mit geringern Mitteln verhältnißmäßig mehr geleistet als jene patriotischen Vereine und sind dadurch in Selbstgefühl und Einfluß ge¬ wachsen." Die kirchlichen Kongregationen beider Konfessionen und der Johan- niterorden bieten Beispiele. — Der berliner Centralverein für die Pflege der verwundeten Krieger, welcher sich nach den Grundsätzen der in Genf versam¬ melt gewesenen internationalen Konferenz gebildet hatte und infolge dessen die gesammte Privathilfc der Bevölkerung Preußens in sich concentriren wollte, hat sich zu keiner lebendigen Institution entwickelt. Die Ursache davon muß man darin suchen, daß der Verein bei seiner Bildung von Oben, statt von Unten angefangen hat, er hat eine Veamtenhierarchie aufgestellt, ehe er Unter¬ thanen hatte. — Nordamerika zeigt, was man auf dem entgegengesetzten Ge¬ biete erreichen kann. Grenzboten II. 18L4. 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/481>, abgerufen am 23.07.2024.