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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Indeß blieben in dem Verein, dessen Führer damals der Pastor Hertel-
war, immer noch ziemlich viele zurück und andere füllten die Lücken aus, und
wenn die nvrdsckleswigschen Mitglieder der Gesellschaft zur größern Hälfte aus
Tagelöhnern, kleinen Handwerken, und andern Besitzlosen bestanden (1846 be¬
saßen dieselben nach Stans Angabe 27,000 Tonnen Land, während das ein¬
zige Amt Hadersleben 227,000 Tonnen Ackerland hat), so glich sich dieser Man¬
gel durch ihren Eifer, durch die Intelligenz, die ihnen von Kopenhagen her
zu Hilfe kam, und durch den Umstand aus, daß der König der Sache nicht ab¬
geneigt und daß der Kronprinz der stille Gesellschafter und Protector der eidcr-
dänischen Partei war/

Wir können die. Arbeit der Agitatoren in der bisherigen Ausführlichkeit
nickt weiter verfolgen. Genug, daß sie einen neuen dänisch-schleswigschen
"H lfsverein" gründeten, daß Skau, Flor und Peter Hjort Lorenzen bei jeder
Gelegenheit von der Unterdrückung der dänischen Sprache in Schleswig per-
orirtcn. daß die Verbrüderungsfeste auf der Skamlingsbank sick wiederholten,
und daß man fleißig bei dem König petitionirte. der sich als Gesammtstaats-
mann nicht recht entschließen konnte, dem -Geschrei nach Schutz der dänischen
Nationalität in Schleswig in dem Maß., welches die Patrioten wünschten, Folge
zu geben. Dabei setzte der nordschleswigsche Verein seine Werbungen unter
der intelligenteren Classe eifrig fort und nicht ohne Erfolg. Im Juni 1844
erklärten vier nordschleswigsche Abgeordnete, nicht zur Ständeversammlung gehen
zu wollen, da dort das "natürliche Recht" (sich bei den Debatten des Dänischen
zu bedienen) nicht geachtet werde. Und als der König sich später mehr der
von den "nationalen" vorgeschlagncn Politik näherte, diese sich also dem stark
royalistischen Volke als der Wille seines Souveräns darstellen ließ, als ferner
der Antrag der Stände auf Eintritt Schleswigs in den deutschen Bund unter
dem Landvolk im Norden üble Vorstellungen erweckt und böses Blut gemacht
hatte, kam es im Frühjahr. 1847 dahin, daß die eiderdänische Partei hei
den ständischen Wahlen in fünf von den siebzehn ländlichen Wahldistricten,
nämlich auf Alsen, im Sundewitt und den drei der jütischen Grenze nächst¬
gelegenen, mit ihren Kandidaten durchdrang. Der Bund, der die Nvrd-
schleswiger in den Türkenkrieg schicken konnte, war der Hauptpopanz, mit
dessen gewaltthätigen Wesen man die Leute in diese Wahlen geschreckt hatte,
die somit- eine Verwahrung gegen die Einverleibung in Deutschland be¬
deuteten.

Freilich verwahrten sich an mehrern Orten die Wähler ebenso energisch
dagegen, in Dänemark incorporirt werden zu wollen. "Wi wil bin wa wi er"
-- wir wollen bleiben was wir sind, Schleswiger nämlich -- war der Aus¬
druck der Stimmung der Meisten. Einige nennen dies conservative Gesinnung,
wir ziehe." vor, es als Phlegma aufzufassen und diese zwischen zwei Stühlen


Indeß blieben in dem Verein, dessen Führer damals der Pastor Hertel-
war, immer noch ziemlich viele zurück und andere füllten die Lücken aus, und
wenn die nvrdsckleswigschen Mitglieder der Gesellschaft zur größern Hälfte aus
Tagelöhnern, kleinen Handwerken, und andern Besitzlosen bestanden (1846 be¬
saßen dieselben nach Stans Angabe 27,000 Tonnen Land, während das ein¬
zige Amt Hadersleben 227,000 Tonnen Ackerland hat), so glich sich dieser Man¬
gel durch ihren Eifer, durch die Intelligenz, die ihnen von Kopenhagen her
zu Hilfe kam, und durch den Umstand aus, daß der König der Sache nicht ab¬
geneigt und daß der Kronprinz der stille Gesellschafter und Protector der eidcr-
dänischen Partei war/

Wir können die. Arbeit der Agitatoren in der bisherigen Ausführlichkeit
nickt weiter verfolgen. Genug, daß sie einen neuen dänisch-schleswigschen
„H lfsverein" gründeten, daß Skau, Flor und Peter Hjort Lorenzen bei jeder
Gelegenheit von der Unterdrückung der dänischen Sprache in Schleswig per-
orirtcn. daß die Verbrüderungsfeste auf der Skamlingsbank sick wiederholten,
und daß man fleißig bei dem König petitionirte. der sich als Gesammtstaats-
mann nicht recht entschließen konnte, dem -Geschrei nach Schutz der dänischen
Nationalität in Schleswig in dem Maß., welches die Patrioten wünschten, Folge
zu geben. Dabei setzte der nordschleswigsche Verein seine Werbungen unter
der intelligenteren Classe eifrig fort und nicht ohne Erfolg. Im Juni 1844
erklärten vier nordschleswigsche Abgeordnete, nicht zur Ständeversammlung gehen
zu wollen, da dort das „natürliche Recht" (sich bei den Debatten des Dänischen
zu bedienen) nicht geachtet werde. Und als der König sich später mehr der
von den „nationalen" vorgeschlagncn Politik näherte, diese sich also dem stark
royalistischen Volke als der Wille seines Souveräns darstellen ließ, als ferner
der Antrag der Stände auf Eintritt Schleswigs in den deutschen Bund unter
dem Landvolk im Norden üble Vorstellungen erweckt und böses Blut gemacht
hatte, kam es im Frühjahr. 1847 dahin, daß die eiderdänische Partei hei
den ständischen Wahlen in fünf von den siebzehn ländlichen Wahldistricten,
nämlich auf Alsen, im Sundewitt und den drei der jütischen Grenze nächst¬
gelegenen, mit ihren Kandidaten durchdrang. Der Bund, der die Nvrd-
schleswiger in den Türkenkrieg schicken konnte, war der Hauptpopanz, mit
dessen gewaltthätigen Wesen man die Leute in diese Wahlen geschreckt hatte,
die somit- eine Verwahrung gegen die Einverleibung in Deutschland be¬
deuteten.

Freilich verwahrten sich an mehrern Orten die Wähler ebenso energisch
dagegen, in Dänemark incorporirt werden zu wollen. „Wi wil bin wa wi er"
— wir wollen bleiben was wir sind, Schleswiger nämlich — war der Aus¬
druck der Stimmung der Meisten. Einige nennen dies conservative Gesinnung,
wir ziehe.» vor, es als Phlegma aufzufassen und diese zwischen zwei Stühlen


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[0470] Indeß blieben in dem Verein, dessen Führer damals der Pastor Hertel- war, immer noch ziemlich viele zurück und andere füllten die Lücken aus, und wenn die nvrdsckleswigschen Mitglieder der Gesellschaft zur größern Hälfte aus Tagelöhnern, kleinen Handwerken, und andern Besitzlosen bestanden (1846 be¬ saßen dieselben nach Stans Angabe 27,000 Tonnen Land, während das ein¬ zige Amt Hadersleben 227,000 Tonnen Ackerland hat), so glich sich dieser Man¬ gel durch ihren Eifer, durch die Intelligenz, die ihnen von Kopenhagen her zu Hilfe kam, und durch den Umstand aus, daß der König der Sache nicht ab¬ geneigt und daß der Kronprinz der stille Gesellschafter und Protector der eidcr- dänischen Partei war/ Wir können die. Arbeit der Agitatoren in der bisherigen Ausführlichkeit nickt weiter verfolgen. Genug, daß sie einen neuen dänisch-schleswigschen „H lfsverein" gründeten, daß Skau, Flor und Peter Hjort Lorenzen bei jeder Gelegenheit von der Unterdrückung der dänischen Sprache in Schleswig per- orirtcn. daß die Verbrüderungsfeste auf der Skamlingsbank sick wiederholten, und daß man fleißig bei dem König petitionirte. der sich als Gesammtstaats- mann nicht recht entschließen konnte, dem -Geschrei nach Schutz der dänischen Nationalität in Schleswig in dem Maß., welches die Patrioten wünschten, Folge zu geben. Dabei setzte der nordschleswigsche Verein seine Werbungen unter der intelligenteren Classe eifrig fort und nicht ohne Erfolg. Im Juni 1844 erklärten vier nordschleswigsche Abgeordnete, nicht zur Ständeversammlung gehen zu wollen, da dort das „natürliche Recht" (sich bei den Debatten des Dänischen zu bedienen) nicht geachtet werde. Und als der König sich später mehr der von den „nationalen" vorgeschlagncn Politik näherte, diese sich also dem stark royalistischen Volke als der Wille seines Souveräns darstellen ließ, als ferner der Antrag der Stände auf Eintritt Schleswigs in den deutschen Bund unter dem Landvolk im Norden üble Vorstellungen erweckt und böses Blut gemacht hatte, kam es im Frühjahr. 1847 dahin, daß die eiderdänische Partei hei den ständischen Wahlen in fünf von den siebzehn ländlichen Wahldistricten, nämlich auf Alsen, im Sundewitt und den drei der jütischen Grenze nächst¬ gelegenen, mit ihren Kandidaten durchdrang. Der Bund, der die Nvrd- schleswiger in den Türkenkrieg schicken konnte, war der Hauptpopanz, mit dessen gewaltthätigen Wesen man die Leute in diese Wahlen geschreckt hatte, die somit- eine Verwahrung gegen die Einverleibung in Deutschland be¬ deuteten. Freilich verwahrten sich an mehrern Orten die Wähler ebenso energisch dagegen, in Dänemark incorporirt werden zu wollen. „Wi wil bin wa wi er" — wir wollen bleiben was wir sind, Schleswiger nämlich — war der Aus¬ druck der Stimmung der Meisten. Einige nennen dies conservative Gesinnung, wir ziehe.» vor, es als Phlegma aufzufassen und diese zwischen zwei Stühlen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/470>, abgerufen am 23.07.2024.