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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Da warfen die dreißiger Jahre Unfrieden in diese Idylle. .In derselben Session
der schleswigschen Stände, in welcher Petersens Antrag eingebracht worden, stellte
ein anderer nordschleswigscher Bauer, Riß Lorenzen von Lilholt (zwischen Haders-
leben und Nipen), von dem dänische" Professor Paulsen in Kiel dazu angeregt, das
Verlangen nach Einführung der dänischen Gerichtssprache. Diese Propvfition
wurde durch einige ebenfalls von dänischer Seite veranlaßte Petitionen unter¬
stützt, blieb aber, ebenso wie die von Petersen, in dieser Sitzungsperiode un¬
erledigt. Und jetzt regten sich die Dänen stärker. In Kopenhagen hatte sich
eine Gesellschaft "zum rechten Gebrauch der Preßfreiheit" gebildet, welche außer
den Professoren Oersted, David, Clausen, Schouw und andern Leuten von Na¬
men auch eine Anzahl strebsamer jüngerer Männer umfaßte, und in dieser
wurde von einem der letzteren, Orla Lehmann, am 4. November 1836 der
Antrag gestellt, in Erwägung zu ziehen, durch welche Mittel die Gesellschaft
ihre Wirksamkeit auf die dänisch redenden Theile der Bevölkerung von Schleswig
ausdehnen könne. Dieser Antrag wurde mit Jubel aufgenommen, und der
daraus hervorgehende Beschluß machte die Gesellschaft in Kurzem so populär,
daß dieselbe, die bis dahin nur aus circa zweihundert Mitgliedern bestanden,
im folgenden Jahre deren schon über viertausend zählte. Darunter befanden
sich freilich nur etwa sechzig Schleswiger, und während die Gesellschaft im
Königreich Massen ihrer Flugschriften absetzte, ging damals fast nicht eine ein-
^ zige davon nach Schleswig, ja das Herzogthum hatte nicht einmal eine dänische
Zeitung. Aber das "junge Dänemark", welches sich in der Preßfreiheits-
gesellschaft herausgebildet, wußte dem abzuhelfen. Man schickte dänische Bücher
in Menge an die schleswigschen Genossen zur Vertheilung. Man organisirte
Missionsreisen nach Nordschleswig, die namentlich der dänische Lector Flor in
Kiel mit Geschick und Eiser betrieb. Man redete den Leuten dort von deut¬
schem Beamtendruck vor, man brachte die Sprache mit liberalen Ideen in
Verbindung, und es ist begreiflich, wenn sich der "kleine Mann" gern in
Opposition mit dem Gerichlshaltcr. dem Polizcimeister, dem Gutsherrn fühlte,
ebenfalls begreiflich, daß mancher Schulmeister und Dorfpastor die Langeweile
des Landlebens bereitwillig mit einer Thätigkeit vertauschte, die ihn in Reihe
und Glied mit vornehmen Herrschaften in Kopenhagen stellte.

Die mäßigen Erfolge, die man mit den obigen Ausklärungsversuchen er¬
zielte, wuchsen, nachdem Anfang 1838 in Hadersleben unter Mitwirkung von
Flor und Paulsen ein Wochenblatt in dänischer Sprache, die "Danevirke"
gegründet worden. Doch war die Weckung eines dänischen Bewußtseins, die
Einflößung von Sympathien, mit dem Bestreben der t'opcnhagner Herren, als
im Mai des letztgedachten Jahres die fchleswigfche Ständeversammlung wieder
eröffnet wurde, noch keineswegs auffällig fortgeschritten. Die ungeheure Mehr¬
zahl des Landvolks blieb gleichgiltig. Andere verdroß dieses Treiben schon


Da warfen die dreißiger Jahre Unfrieden in diese Idylle. .In derselben Session
der schleswigschen Stände, in welcher Petersens Antrag eingebracht worden, stellte
ein anderer nordschleswigscher Bauer, Riß Lorenzen von Lilholt (zwischen Haders-
leben und Nipen), von dem dänische» Professor Paulsen in Kiel dazu angeregt, das
Verlangen nach Einführung der dänischen Gerichtssprache. Diese Propvfition
wurde durch einige ebenfalls von dänischer Seite veranlaßte Petitionen unter¬
stützt, blieb aber, ebenso wie die von Petersen, in dieser Sitzungsperiode un¬
erledigt. Und jetzt regten sich die Dänen stärker. In Kopenhagen hatte sich
eine Gesellschaft „zum rechten Gebrauch der Preßfreiheit" gebildet, welche außer
den Professoren Oersted, David, Clausen, Schouw und andern Leuten von Na¬
men auch eine Anzahl strebsamer jüngerer Männer umfaßte, und in dieser
wurde von einem der letzteren, Orla Lehmann, am 4. November 1836 der
Antrag gestellt, in Erwägung zu ziehen, durch welche Mittel die Gesellschaft
ihre Wirksamkeit auf die dänisch redenden Theile der Bevölkerung von Schleswig
ausdehnen könne. Dieser Antrag wurde mit Jubel aufgenommen, und der
daraus hervorgehende Beschluß machte die Gesellschaft in Kurzem so populär,
daß dieselbe, die bis dahin nur aus circa zweihundert Mitgliedern bestanden,
im folgenden Jahre deren schon über viertausend zählte. Darunter befanden
sich freilich nur etwa sechzig Schleswiger, und während die Gesellschaft im
Königreich Massen ihrer Flugschriften absetzte, ging damals fast nicht eine ein-
^ zige davon nach Schleswig, ja das Herzogthum hatte nicht einmal eine dänische
Zeitung. Aber das „junge Dänemark", welches sich in der Preßfreiheits-
gesellschaft herausgebildet, wußte dem abzuhelfen. Man schickte dänische Bücher
in Menge an die schleswigschen Genossen zur Vertheilung. Man organisirte
Missionsreisen nach Nordschleswig, die namentlich der dänische Lector Flor in
Kiel mit Geschick und Eiser betrieb. Man redete den Leuten dort von deut¬
schem Beamtendruck vor, man brachte die Sprache mit liberalen Ideen in
Verbindung, und es ist begreiflich, wenn sich der „kleine Mann" gern in
Opposition mit dem Gerichlshaltcr. dem Polizcimeister, dem Gutsherrn fühlte,
ebenfalls begreiflich, daß mancher Schulmeister und Dorfpastor die Langeweile
des Landlebens bereitwillig mit einer Thätigkeit vertauschte, die ihn in Reihe
und Glied mit vornehmen Herrschaften in Kopenhagen stellte.

Die mäßigen Erfolge, die man mit den obigen Ausklärungsversuchen er¬
zielte, wuchsen, nachdem Anfang 1838 in Hadersleben unter Mitwirkung von
Flor und Paulsen ein Wochenblatt in dänischer Sprache, die „Danevirke"
gegründet worden. Doch war die Weckung eines dänischen Bewußtseins, die
Einflößung von Sympathien, mit dem Bestreben der t'opcnhagner Herren, als
im Mai des letztgedachten Jahres die fchleswigfche Ständeversammlung wieder
eröffnet wurde, noch keineswegs auffällig fortgeschritten. Die ungeheure Mehr¬
zahl des Landvolks blieb gleichgiltig. Andere verdroß dieses Treiben schon


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[0466] Da warfen die dreißiger Jahre Unfrieden in diese Idylle. .In derselben Session der schleswigschen Stände, in welcher Petersens Antrag eingebracht worden, stellte ein anderer nordschleswigscher Bauer, Riß Lorenzen von Lilholt (zwischen Haders- leben und Nipen), von dem dänische» Professor Paulsen in Kiel dazu angeregt, das Verlangen nach Einführung der dänischen Gerichtssprache. Diese Propvfition wurde durch einige ebenfalls von dänischer Seite veranlaßte Petitionen unter¬ stützt, blieb aber, ebenso wie die von Petersen, in dieser Sitzungsperiode un¬ erledigt. Und jetzt regten sich die Dänen stärker. In Kopenhagen hatte sich eine Gesellschaft „zum rechten Gebrauch der Preßfreiheit" gebildet, welche außer den Professoren Oersted, David, Clausen, Schouw und andern Leuten von Na¬ men auch eine Anzahl strebsamer jüngerer Männer umfaßte, und in dieser wurde von einem der letzteren, Orla Lehmann, am 4. November 1836 der Antrag gestellt, in Erwägung zu ziehen, durch welche Mittel die Gesellschaft ihre Wirksamkeit auf die dänisch redenden Theile der Bevölkerung von Schleswig ausdehnen könne. Dieser Antrag wurde mit Jubel aufgenommen, und der daraus hervorgehende Beschluß machte die Gesellschaft in Kurzem so populär, daß dieselbe, die bis dahin nur aus circa zweihundert Mitgliedern bestanden, im folgenden Jahre deren schon über viertausend zählte. Darunter befanden sich freilich nur etwa sechzig Schleswiger, und während die Gesellschaft im Königreich Massen ihrer Flugschriften absetzte, ging damals fast nicht eine ein- ^ zige davon nach Schleswig, ja das Herzogthum hatte nicht einmal eine dänische Zeitung. Aber das „junge Dänemark", welches sich in der Preßfreiheits- gesellschaft herausgebildet, wußte dem abzuhelfen. Man schickte dänische Bücher in Menge an die schleswigschen Genossen zur Vertheilung. Man organisirte Missionsreisen nach Nordschleswig, die namentlich der dänische Lector Flor in Kiel mit Geschick und Eiser betrieb. Man redete den Leuten dort von deut¬ schem Beamtendruck vor, man brachte die Sprache mit liberalen Ideen in Verbindung, und es ist begreiflich, wenn sich der „kleine Mann" gern in Opposition mit dem Gerichlshaltcr. dem Polizcimeister, dem Gutsherrn fühlte, ebenfalls begreiflich, daß mancher Schulmeister und Dorfpastor die Langeweile des Landlebens bereitwillig mit einer Thätigkeit vertauschte, die ihn in Reihe und Glied mit vornehmen Herrschaften in Kopenhagen stellte. Die mäßigen Erfolge, die man mit den obigen Ausklärungsversuchen er¬ zielte, wuchsen, nachdem Anfang 1838 in Hadersleben unter Mitwirkung von Flor und Paulsen ein Wochenblatt in dänischer Sprache, die „Danevirke" gegründet worden. Doch war die Weckung eines dänischen Bewußtseins, die Einflößung von Sympathien, mit dem Bestreben der t'opcnhagner Herren, als im Mai des letztgedachten Jahres die fchleswigfche Ständeversammlung wieder eröffnet wurde, noch keineswegs auffällig fortgeschritten. Die ungeheure Mehr¬ zahl des Landvolks blieb gleichgiltig. Andere verdroß dieses Treiben schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/466>, abgerufen am 23.07.2024.