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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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wirklich nicht blos als Vermuthung, sondern mit solcher Bestimmtheit, wie dies
in ihrem Schriftstück geschieht, glaubt aufstellen zu dürfen, so begreift man auch
nicht, was sie hindern mag, aus dieser Kenntniß vollen Nutzen und die bezeich¬
neten Wortführer zur gerichtlichen Bestrafung zu ziehen. Sie würde damit
selbst für den Schutz sorgen, welchen sie jetzt vom "Auslande" erbittet.

Die specielle Vertheidigung für das angegriffene Gesetz zu führen, ist die
der beigefügten Denkschrift zugewiesene Aufgabe. Das Circular versucht aber
schon im Voraus, für eine günstige Meinung den Weg zu bahnen, indem es
die Behauptung aufstellt, daß das in Rede stehende Strafgesetz "in Wirklichkeit
von Allen, die der Verhältnisse kundig sind, als eine wahre Verbesserung und
Sicherstellung der Dienstleute gegen einen etwaigen Mißbrauch der gutsherr-,
liehen Polizeigewalt erkannt und gebilligt 'worden ist." Die Kühnheit dieser
Behauptung grenzt an das Unglaubliche, wenn man dieselbe mit der Thatsache
confrontirt, daß von den beiden Ständen, welche die mecklenburgische Land-
tagsvcrsammlung bilden, wie oben berichtet, nur die Ritterschaft dem Gesetze
zugestimmt, die aus den Deputirten der Stadtmagistrate bestehende Landschaft
dagegen dasselbe ausdrücklich verworfen hat, und zwar "weil ein Bedürfniß
dazu nicht vorliege, besonders aber deshalb, weil darin der Grundsatz ausge¬
sprochen sei, daß der Gutsherr auch in Fällen, wo sein eigenes Interesse in
Betracht komme, die Sache selbst untersuchen und entscheiden könne." Der
Minister selbst wird schwerlich gemeint sein, von den Bürgermeistern der Städte
zu behaupten, daß sie der Verhältnisse, welche hierbei in Frage kommen, nicht
kundig sind. Wie kann er dann aber wagen, Angesichts der ihm bekannten
Thatsache der Verwerfung des Gesetzes durch die Landschaft in einem amtlichen
Schriftstück die Erklärung abzugeben und zu unterzeichnen, daß das Gesetz von
>allen der Verhältnisse Kundigen gebilligt worden ist? Der voraussichtlich auf
nächstem Landtage zu erwartende förmliche Protest der Landschaft gegen die
Publication eines ausdrücklich von ihr abgelehnten Gesetzes wird ihn belehren,
daß ihm von dieser Seite her sogar das Recht zu solcher Publication be¬
stritten wird. . '

Die Denkschrift, so umfänglich sie ist, findet doch keine passende Stelle,
um der in dem Circular verläugneten Thatsache zu gedenken, daß das publi-
cirte Gesetz von der Landschaft ausdrücklich verworfen und gemißbilligt worden
ist, und die ofsiciöse Vertheidigung im "Nordd. Corr." geht in der Verdun¬
kelung der Wahrheit um dieselbe Zeit so weit, daß sie erzählt, der bezügliche
Gesetzentwurf "sei von den Ständen, unter gleicher Betheiligung der Ritterschaft
und der Landschaft, abgelehnt," aber "die Wiedcrvorlegung auf dem letzten
Landtage habe den entgegengesetzten günstigen Erfolg gehabt." Die Denkschrift
sucht aber auch noch durch anderweitige Auslassungen und dem wahren Sach-
verhalt widersprechende Deductionen über das Gesetz ein Licht zu verbreiten,


wirklich nicht blos als Vermuthung, sondern mit solcher Bestimmtheit, wie dies
in ihrem Schriftstück geschieht, glaubt aufstellen zu dürfen, so begreift man auch
nicht, was sie hindern mag, aus dieser Kenntniß vollen Nutzen und die bezeich¬
neten Wortführer zur gerichtlichen Bestrafung zu ziehen. Sie würde damit
selbst für den Schutz sorgen, welchen sie jetzt vom „Auslande" erbittet.

Die specielle Vertheidigung für das angegriffene Gesetz zu führen, ist die
der beigefügten Denkschrift zugewiesene Aufgabe. Das Circular versucht aber
schon im Voraus, für eine günstige Meinung den Weg zu bahnen, indem es
die Behauptung aufstellt, daß das in Rede stehende Strafgesetz „in Wirklichkeit
von Allen, die der Verhältnisse kundig sind, als eine wahre Verbesserung und
Sicherstellung der Dienstleute gegen einen etwaigen Mißbrauch der gutsherr-,
liehen Polizeigewalt erkannt und gebilligt 'worden ist." Die Kühnheit dieser
Behauptung grenzt an das Unglaubliche, wenn man dieselbe mit der Thatsache
confrontirt, daß von den beiden Ständen, welche die mecklenburgische Land-
tagsvcrsammlung bilden, wie oben berichtet, nur die Ritterschaft dem Gesetze
zugestimmt, die aus den Deputirten der Stadtmagistrate bestehende Landschaft
dagegen dasselbe ausdrücklich verworfen hat, und zwar „weil ein Bedürfniß
dazu nicht vorliege, besonders aber deshalb, weil darin der Grundsatz ausge¬
sprochen sei, daß der Gutsherr auch in Fällen, wo sein eigenes Interesse in
Betracht komme, die Sache selbst untersuchen und entscheiden könne." Der
Minister selbst wird schwerlich gemeint sein, von den Bürgermeistern der Städte
zu behaupten, daß sie der Verhältnisse, welche hierbei in Frage kommen, nicht
kundig sind. Wie kann er dann aber wagen, Angesichts der ihm bekannten
Thatsache der Verwerfung des Gesetzes durch die Landschaft in einem amtlichen
Schriftstück die Erklärung abzugeben und zu unterzeichnen, daß das Gesetz von
>allen der Verhältnisse Kundigen gebilligt worden ist? Der voraussichtlich auf
nächstem Landtage zu erwartende förmliche Protest der Landschaft gegen die
Publication eines ausdrücklich von ihr abgelehnten Gesetzes wird ihn belehren,
daß ihm von dieser Seite her sogar das Recht zu solcher Publication be¬
stritten wird. . '

Die Denkschrift, so umfänglich sie ist, findet doch keine passende Stelle,
um der in dem Circular verläugneten Thatsache zu gedenken, daß das publi-
cirte Gesetz von der Landschaft ausdrücklich verworfen und gemißbilligt worden
ist, und die ofsiciöse Vertheidigung im „Nordd. Corr." geht in der Verdun¬
kelung der Wahrheit um dieselbe Zeit so weit, daß sie erzählt, der bezügliche
Gesetzentwurf „sei von den Ständen, unter gleicher Betheiligung der Ritterschaft
und der Landschaft, abgelehnt," aber „die Wiedcrvorlegung auf dem letzten
Landtage habe den entgegengesetzten günstigen Erfolg gehabt." Die Denkschrift
sucht aber auch noch durch anderweitige Auslassungen und dem wahren Sach-
verhalt widersprechende Deductionen über das Gesetz ein Licht zu verbreiten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/456>, abgerufen am 23.07.2024.