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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Partei sich bemerklich machte. Am 9. und 10. Mai veröffentlichte der "nord¬
deutsche Correspondent", das vfsiciöse Organ des schwerincr Staatsministeriums,
zwei fulminante Artikel gegen die Fvrtschrittsmänncr, welche wie auf ein ge¬
gebenes Zeichen über das vortreffliche Gesetz hergefallen wären und mit Hilfe
der ihnen geläufigen Kunst der Entstellung und Verdrehung der Wahrheit
dasselbe "der Indignation der civilisirten Welt denuncirt" hätten. Mit Korre¬
spondenzen aus Mecklenburg gleichen Inhalts und Zweckes wurden um die¬
selbe Zeit die "Neue Preußische Zeitung" und die ministerielle "Darmstädter Zei¬
tung" versehen. Alle diese Elaborate verdanken anscheinend einer und derselben
Feder ihre Entstehung, einem subalternen Ministerialbeamten, welcher in der¬
gleichen Dingen als Helfer in der Noth benutz! zu werden pflegt, nachdem er
zur Zeit der Herrschaft des constitutionellen Staatsgrundgesctzes sich in der
Vertheidigung der entgegengesetzten politischen Grundsätze geübt und seine Feder¬
fertigkeit erworben hat. Nur in der Chiffre differiren diese Productionen, sonst
tragen sie alle, die gleiche Physiognomie und zeichnen sich durch einen großen
Reichthum gemeiner Lästerungen aus.

Man scheint aber auf die Wirkung dieser Art der Bekämpfung der öffent¬
lichen Meinung doch nur geringes Vertrauen gesetzt zu haben. Deim gleich¬
zeitig ließ sich der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herr v. Oertzen,
den Schutz des Strafgesetzes noch in anderer Weise angelegen sein, indem er
dasselbe zum Gegenstand einer diplomatischen Action machte, welche zu den un¬
gewöhnlichsten Erscheinungen in diesem Fache gehört.

Diese diplomatische Action bestand in der Absendung eines Circulars an
die großherzoglichen Gesandten an den deutschen Höfen und einer begleitenden
Denkschrift. Beide Actenstücke haben die Verordnung vom 2. April d. I.,
betreffend die Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaft-
lichen Gütern, und deren Vertheidigung gegen die Angriffe in der Presse zum
Gegenstände. Der "norddeutsche Correspondent" veröffentlicht dieselben in
seiner Nummer vom 19. Mai, das Circular trägt aber schon das Datum des
9. Mai. Er hat bisher auch nur die Denkschrift vollständig zum Abdruck ge¬
bracht, dagegen bei dem Circular sich beschränkt, den Anfang und Schluß nach
dem Wortlaut mitzutheilen, während man sich in Ansehung des mittleren Theiles,
der daher stellenweise nicht für die Oeffentlichkeit geeignet sein mag, mit einer
Inhaltsangabe begnügen muß. Das Circular erschein im "Norddeutschen
Correspondent" mit der Überschrift: "Cirkular an die großherzoglich mccklen-
burg-schwerinschen Gesandtschaften im Auslande." Der Inhalt desselben ergiebt
jedoch, daß von den fünf Gesandtschaften, welche der Großherzog unterhält,
wahrscheinlich die Gesandtschaft am kaiserlichen Hofe zu Paris und jedenfalls die
Bundestagsgesandtschaft als ausgeschlossen zu denken sind, und daß das Schrift¬
stück in der vorliegenden Gestalt daher wohl nur an die Gesandten an den -


Partei sich bemerklich machte. Am 9. und 10. Mai veröffentlichte der „nord¬
deutsche Correspondent", das vfsiciöse Organ des schwerincr Staatsministeriums,
zwei fulminante Artikel gegen die Fvrtschrittsmänncr, welche wie auf ein ge¬
gebenes Zeichen über das vortreffliche Gesetz hergefallen wären und mit Hilfe
der ihnen geläufigen Kunst der Entstellung und Verdrehung der Wahrheit
dasselbe „der Indignation der civilisirten Welt denuncirt" hätten. Mit Korre¬
spondenzen aus Mecklenburg gleichen Inhalts und Zweckes wurden um die¬
selbe Zeit die „Neue Preußische Zeitung" und die ministerielle „Darmstädter Zei¬
tung" versehen. Alle diese Elaborate verdanken anscheinend einer und derselben
Feder ihre Entstehung, einem subalternen Ministerialbeamten, welcher in der¬
gleichen Dingen als Helfer in der Noth benutz! zu werden pflegt, nachdem er
zur Zeit der Herrschaft des constitutionellen Staatsgrundgesctzes sich in der
Vertheidigung der entgegengesetzten politischen Grundsätze geübt und seine Feder¬
fertigkeit erworben hat. Nur in der Chiffre differiren diese Productionen, sonst
tragen sie alle, die gleiche Physiognomie und zeichnen sich durch einen großen
Reichthum gemeiner Lästerungen aus.

Man scheint aber auf die Wirkung dieser Art der Bekämpfung der öffent¬
lichen Meinung doch nur geringes Vertrauen gesetzt zu haben. Deim gleich¬
zeitig ließ sich der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herr v. Oertzen,
den Schutz des Strafgesetzes noch in anderer Weise angelegen sein, indem er
dasselbe zum Gegenstand einer diplomatischen Action machte, welche zu den un¬
gewöhnlichsten Erscheinungen in diesem Fache gehört.

Diese diplomatische Action bestand in der Absendung eines Circulars an
die großherzoglichen Gesandten an den deutschen Höfen und einer begleitenden
Denkschrift. Beide Actenstücke haben die Verordnung vom 2. April d. I.,
betreffend die Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaft-
lichen Gütern, und deren Vertheidigung gegen die Angriffe in der Presse zum
Gegenstände. Der „norddeutsche Correspondent" veröffentlicht dieselben in
seiner Nummer vom 19. Mai, das Circular trägt aber schon das Datum des
9. Mai. Er hat bisher auch nur die Denkschrift vollständig zum Abdruck ge¬
bracht, dagegen bei dem Circular sich beschränkt, den Anfang und Schluß nach
dem Wortlaut mitzutheilen, während man sich in Ansehung des mittleren Theiles,
der daher stellenweise nicht für die Oeffentlichkeit geeignet sein mag, mit einer
Inhaltsangabe begnügen muß. Das Circular erschein im „Norddeutschen
Correspondent" mit der Überschrift: „Cirkular an die großherzoglich mccklen-
burg-schwerinschen Gesandtschaften im Auslande." Der Inhalt desselben ergiebt
jedoch, daß von den fünf Gesandtschaften, welche der Großherzog unterhält,
wahrscheinlich die Gesandtschaft am kaiserlichen Hofe zu Paris und jedenfalls die
Bundestagsgesandtschaft als ausgeschlossen zu denken sind, und daß das Schrift¬
stück in der vorliegenden Gestalt daher wohl nur an die Gesandten an den -


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[0452] Partei sich bemerklich machte. Am 9. und 10. Mai veröffentlichte der „nord¬ deutsche Correspondent", das vfsiciöse Organ des schwerincr Staatsministeriums, zwei fulminante Artikel gegen die Fvrtschrittsmänncr, welche wie auf ein ge¬ gebenes Zeichen über das vortreffliche Gesetz hergefallen wären und mit Hilfe der ihnen geläufigen Kunst der Entstellung und Verdrehung der Wahrheit dasselbe „der Indignation der civilisirten Welt denuncirt" hätten. Mit Korre¬ spondenzen aus Mecklenburg gleichen Inhalts und Zweckes wurden um die¬ selbe Zeit die „Neue Preußische Zeitung" und die ministerielle „Darmstädter Zei¬ tung" versehen. Alle diese Elaborate verdanken anscheinend einer und derselben Feder ihre Entstehung, einem subalternen Ministerialbeamten, welcher in der¬ gleichen Dingen als Helfer in der Noth benutz! zu werden pflegt, nachdem er zur Zeit der Herrschaft des constitutionellen Staatsgrundgesctzes sich in der Vertheidigung der entgegengesetzten politischen Grundsätze geübt und seine Feder¬ fertigkeit erworben hat. Nur in der Chiffre differiren diese Productionen, sonst tragen sie alle, die gleiche Physiognomie und zeichnen sich durch einen großen Reichthum gemeiner Lästerungen aus. Man scheint aber auf die Wirkung dieser Art der Bekämpfung der öffent¬ lichen Meinung doch nur geringes Vertrauen gesetzt zu haben. Deim gleich¬ zeitig ließ sich der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herr v. Oertzen, den Schutz des Strafgesetzes noch in anderer Weise angelegen sein, indem er dasselbe zum Gegenstand einer diplomatischen Action machte, welche zu den un¬ gewöhnlichsten Erscheinungen in diesem Fache gehört. Diese diplomatische Action bestand in der Absendung eines Circulars an die großherzoglichen Gesandten an den deutschen Höfen und einer begleitenden Denkschrift. Beide Actenstücke haben die Verordnung vom 2. April d. I., betreffend die Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaft- lichen Gütern, und deren Vertheidigung gegen die Angriffe in der Presse zum Gegenstände. Der „norddeutsche Correspondent" veröffentlicht dieselben in seiner Nummer vom 19. Mai, das Circular trägt aber schon das Datum des 9. Mai. Er hat bisher auch nur die Denkschrift vollständig zum Abdruck ge¬ bracht, dagegen bei dem Circular sich beschränkt, den Anfang und Schluß nach dem Wortlaut mitzutheilen, während man sich in Ansehung des mittleren Theiles, der daher stellenweise nicht für die Oeffentlichkeit geeignet sein mag, mit einer Inhaltsangabe begnügen muß. Das Circular erschein im „Norddeutschen Correspondent" mit der Überschrift: „Cirkular an die großherzoglich mccklen- burg-schwerinschen Gesandtschaften im Auslande." Der Inhalt desselben ergiebt jedoch, daß von den fünf Gesandtschaften, welche der Großherzog unterhält, wahrscheinlich die Gesandtschaft am kaiserlichen Hofe zu Paris und jedenfalls die Bundestagsgesandtschaft als ausgeschlossen zu denken sind, und daß das Schrift¬ stück in der vorliegenden Gestalt daher wohl nur an die Gesandten an den -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/452>, abgerufen am 23.07.2024.