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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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nicht befreunden und lehnte vermittelst einer Standeserklärung denselben ab,
theils weil ein Bedürfniß dazu nicht vorliege, besonders aber deshalb, weil
darin der Grundsatz ausgesprochen sei. daß der Gutsherr auch in Fällen, wo
sein eigenes Interesse in Betracht komme, die Sache selbst untersuchen und ent¬
scheiden könne.

Mit dieser von der Landschaft (den Deputirten der Stadtmagistrate) aus¬
gesprochenen Ablehnung durfte man das projectirte Gesetz so lange für beseitigt
halten, bis es etwa der Regierung gelingen würde, auf einem künftigen Land¬
tage die Mehrheit dieses Standes nachträglich für ihr Project zu gewinnen.
Wenn das Gesetz zunächst auch nur die Ritterschaft und deren Hintersassen an¬
geht, so galt es doch bisher als landesverfassungsmäßiger Grundsatz, daß Ge¬
setze, welche die Zustimmung des Landtags erfordern, nicht schon durch die
Zustimmung eines der beiden Stände giltig zu Stande kommen. Zudem haben
die Städte ein sehr starkes mittelbares Interesse an dem Gesetz. Es kann
ihnen schon wegen der voraussichtlichen Wirkung auf die Bevölkerung in den
ritterschaftlichen Gütern nicht gleichgiltig sein. Gesetze, durch welche diese be¬
drückt, gequält, geknechtet, erbittert, zur Verzweiflung getrieben wird, haben
auch auf das Wohl und Gedeihen der Städte und des ganzen Landes einen
verderbenbringenden Einfluß. Es fehlt auch nicht an directen Beziehungen der
städtischen Bevölkerungen zu den Bestimmungen des Gesetzes, da dasselbe nicht
blos die auf den Gütern wohnhaften Leute, sondern auch solche Personen er¬
greift, welche als Dienstboten. Tagelöhner oder sonstige Arbeiter daselbst nur
einen vorübergehenden Aufenthalt haben.

Indessen hat das mecklenburg-schwerinische Staatsministerium in der ab¬
lehnenden Erklärung der Landschaft kein Hinderniß der Publication des Gesetzes
erblickt. In der am 16. April d. I. herausgegebenen Nummer des Gesetz¬
blattes erschien, gewiß zur Verwunderung der verfassüngskundigen Mitglieder
der Ritterschaft selbst, die vom 2. April datirte "Verordnung, betreffend die
Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaftlichen Gütern".
Der Text dieser Verordnung stimmt mit der früheren, von der Landschaft ver¬
worfenen Vorlage genau überein und ist nur mit den von der Ritterschaft
dcsiderirten Ergänzungen ausgestattet, namentlich mit den von ihr bedungenen
Bestimmungen in Betreff der Befugniß der Gutsobrigkeit, auf Strafen bis zur
Höhe von fünf Thalern und einer Woche Gefängniß und auf körperliche Züch¬
tigung bis zu fünfundzwanzig Streichen zu erkennen.

Dagegen muß die mecklenburg-strelitzische Landesregierung gegen die Publi¬
cation des Gesetzes Bedenken gefunden haben. Wenigstens ist sie bis zu dieser
Stunde dem mecklenburg-schwerinschcn Beispiel nicht gefolgt, und die Annahme
scheint einigen Grund zu haben, daß die Publication dort jetzt überhaupt nicht
mehr beabsichtigt wird.


nicht befreunden und lehnte vermittelst einer Standeserklärung denselben ab,
theils weil ein Bedürfniß dazu nicht vorliege, besonders aber deshalb, weil
darin der Grundsatz ausgesprochen sei. daß der Gutsherr auch in Fällen, wo
sein eigenes Interesse in Betracht komme, die Sache selbst untersuchen und ent¬
scheiden könne.

Mit dieser von der Landschaft (den Deputirten der Stadtmagistrate) aus¬
gesprochenen Ablehnung durfte man das projectirte Gesetz so lange für beseitigt
halten, bis es etwa der Regierung gelingen würde, auf einem künftigen Land¬
tage die Mehrheit dieses Standes nachträglich für ihr Project zu gewinnen.
Wenn das Gesetz zunächst auch nur die Ritterschaft und deren Hintersassen an¬
geht, so galt es doch bisher als landesverfassungsmäßiger Grundsatz, daß Ge¬
setze, welche die Zustimmung des Landtags erfordern, nicht schon durch die
Zustimmung eines der beiden Stände giltig zu Stande kommen. Zudem haben
die Städte ein sehr starkes mittelbares Interesse an dem Gesetz. Es kann
ihnen schon wegen der voraussichtlichen Wirkung auf die Bevölkerung in den
ritterschaftlichen Gütern nicht gleichgiltig sein. Gesetze, durch welche diese be¬
drückt, gequält, geknechtet, erbittert, zur Verzweiflung getrieben wird, haben
auch auf das Wohl und Gedeihen der Städte und des ganzen Landes einen
verderbenbringenden Einfluß. Es fehlt auch nicht an directen Beziehungen der
städtischen Bevölkerungen zu den Bestimmungen des Gesetzes, da dasselbe nicht
blos die auf den Gütern wohnhaften Leute, sondern auch solche Personen er¬
greift, welche als Dienstboten. Tagelöhner oder sonstige Arbeiter daselbst nur
einen vorübergehenden Aufenthalt haben.

Indessen hat das mecklenburg-schwerinische Staatsministerium in der ab¬
lehnenden Erklärung der Landschaft kein Hinderniß der Publication des Gesetzes
erblickt. In der am 16. April d. I. herausgegebenen Nummer des Gesetz¬
blattes erschien, gewiß zur Verwunderung der verfassüngskundigen Mitglieder
der Ritterschaft selbst, die vom 2. April datirte „Verordnung, betreffend die
Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaftlichen Gütern".
Der Text dieser Verordnung stimmt mit der früheren, von der Landschaft ver¬
worfenen Vorlage genau überein und ist nur mit den von der Ritterschaft
dcsiderirten Ergänzungen ausgestattet, namentlich mit den von ihr bedungenen
Bestimmungen in Betreff der Befugniß der Gutsobrigkeit, auf Strafen bis zur
Höhe von fünf Thalern und einer Woche Gefängniß und auf körperliche Züch¬
tigung bis zu fünfundzwanzig Streichen zu erkennen.

Dagegen muß die mecklenburg-strelitzische Landesregierung gegen die Publi¬
cation des Gesetzes Bedenken gefunden haben. Wenigstens ist sie bis zu dieser
Stunde dem mecklenburg-schwerinschcn Beispiel nicht gefolgt, und die Annahme
scheint einigen Grund zu haben, daß die Publication dort jetzt überhaupt nicht
mehr beabsichtigt wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/450>, abgerufen am 23.07.2024.