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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Die deutsche Bevölkerung hat andere Gerichte. Eins der gewöhnlichsten
sind Klöße und Specksuppe. Bei großen Staatsactionen giebts meist vier Gänge,
unter denen Fleischsuppe und dickgekochter Reis nicht fehlen. Dann folgen
Fleischgerichte, die je nach der Gegend verschieden sind. An einigen Orten ist
eine gebratne Gans mit Aepfeln und Pflaumen unerläßlich.

Eine besondere Tracht zeichnet weder den Nordschleswiger noch den Be¬
wohner Südjütlands vor den Deutschen der cimbrischen Halbinsel aus; doch
gilt in Betreff der Fußbekleidung von ersteren beiden, was von den Anglern
gesagt wurde. Sudjüten wie Nordschlcswiger tragen Holzschuhe.

Schließlich ist die Art, wie die ländlichen Arbeiten in Nordschleswig aus¬
geführt werden, in einigen Beziehungen verschieben von der im Süden üblichen,
und man braucht z. B. nur in eine Tenne zu trete", um sofort zu entdecken,
wer Jude und wer Deutscher ist. Der jüdische Drescher schwingt deu Flegel
zur Rechten, der Deutsche zur linken Seite*)-

Wir haben bisher die Landbevölkerung Schleswigs im Auge gehabt und
die Städte nur beiläufig erwähnt. Im Folgenden tragen wir über diese einige
Bemerkungen nach.

Bekannt ist und deshalb nur der Vollständigkeit halber hier zu betonen^
daß die Städte und Flecken des südlichsten Theils von Schleswig, also Eckern-
förde, Schleswig und Koppeln, Tönningcn, Garding, Friedrich¬
stadt, Husum und Bredfledt so durchaus deutsch find, wie ihre unmittelbare
Nachbarschaft. Schon weniger allgemein angenommen, von Uebereifrigen ge-
läugnet, ist der Umstand, daß Flensburg und Tondern unter ihrer Be¬
völkerung ein starkes dänisches Element huben, welches dort, zum Theil hoch-
dänisch, zum Theil das Patois der Landbewohner in Nordschleswig, meist auch
deutsch sprechend, etwa ein Drittel der Einwohnerschaft bildet, während in
Tondern für die große Mehrzahl der Familien die Alltagssprache in Haus und
Verkehr jenes südjütische Patois ist, wiewohl in den meisten dieser Familien
zugleich von den Erwachsenen, in vielen auch von den größern Kindern deutsch
verstanden wird.

Noch weniger, so schließen wir nach den Aeußerungen gewisser deutscher
Blätter, scheint man zu wissen, daß, wenn wir von der Gesinnung vor¬
läufig absehen und uns nur an die Sprache halten, die Bevölkerung der
beiden nördlichsten Städte Haders leben und Apenrade und ebenso die
von Sonderburg und Gravenstcin vor fünf bis sechs Jahrzehnten "och
fast ausnahmslos das Rabcndäniscb des'benachbarten Landvolks zur Haus- und
Verkehrssprache hatte, daß hier noch jetzt die Majorität dieses Idiom für ge¬
wöhnlich braucht, um sich mit den Mitbürgern zu verständigen, und daß es



") Schleswig-Holstcunsche Blätter für Pvlizet und Cultur 17W, S. 192.

Die deutsche Bevölkerung hat andere Gerichte. Eins der gewöhnlichsten
sind Klöße und Specksuppe. Bei großen Staatsactionen giebts meist vier Gänge,
unter denen Fleischsuppe und dickgekochter Reis nicht fehlen. Dann folgen
Fleischgerichte, die je nach der Gegend verschieden sind. An einigen Orten ist
eine gebratne Gans mit Aepfeln und Pflaumen unerläßlich.

Eine besondere Tracht zeichnet weder den Nordschleswiger noch den Be¬
wohner Südjütlands vor den Deutschen der cimbrischen Halbinsel aus; doch
gilt in Betreff der Fußbekleidung von ersteren beiden, was von den Anglern
gesagt wurde. Sudjüten wie Nordschlcswiger tragen Holzschuhe.

Schließlich ist die Art, wie die ländlichen Arbeiten in Nordschleswig aus¬
geführt werden, in einigen Beziehungen verschieben von der im Süden üblichen,
und man braucht z. B. nur in eine Tenne zu trete», um sofort zu entdecken,
wer Jude und wer Deutscher ist. Der jüdische Drescher schwingt deu Flegel
zur Rechten, der Deutsche zur linken Seite*)-

Wir haben bisher die Landbevölkerung Schleswigs im Auge gehabt und
die Städte nur beiläufig erwähnt. Im Folgenden tragen wir über diese einige
Bemerkungen nach.

Bekannt ist und deshalb nur der Vollständigkeit halber hier zu betonen^
daß die Städte und Flecken des südlichsten Theils von Schleswig, also Eckern-
förde, Schleswig und Koppeln, Tönningcn, Garding, Friedrich¬
stadt, Husum und Bredfledt so durchaus deutsch find, wie ihre unmittelbare
Nachbarschaft. Schon weniger allgemein angenommen, von Uebereifrigen ge-
läugnet, ist der Umstand, daß Flensburg und Tondern unter ihrer Be¬
völkerung ein starkes dänisches Element huben, welches dort, zum Theil hoch-
dänisch, zum Theil das Patois der Landbewohner in Nordschleswig, meist auch
deutsch sprechend, etwa ein Drittel der Einwohnerschaft bildet, während in
Tondern für die große Mehrzahl der Familien die Alltagssprache in Haus und
Verkehr jenes südjütische Patois ist, wiewohl in den meisten dieser Familien
zugleich von den Erwachsenen, in vielen auch von den größern Kindern deutsch
verstanden wird.

Noch weniger, so schließen wir nach den Aeußerungen gewisser deutscher
Blätter, scheint man zu wissen, daß, wenn wir von der Gesinnung vor¬
läufig absehen und uns nur an die Sprache halten, die Bevölkerung der
beiden nördlichsten Städte Haders leben und Apenrade und ebenso die
von Sonderburg und Gravenstcin vor fünf bis sechs Jahrzehnten »och
fast ausnahmslos das Rabcndäniscb des'benachbarten Landvolks zur Haus- und
Verkehrssprache hatte, daß hier noch jetzt die Majorität dieses Idiom für ge¬
wöhnlich braucht, um sich mit den Mitbürgern zu verständigen, und daß es



") Schleswig-Holstcunsche Blätter für Pvlizet und Cultur 17W, S. 192.
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[0423] Die deutsche Bevölkerung hat andere Gerichte. Eins der gewöhnlichsten sind Klöße und Specksuppe. Bei großen Staatsactionen giebts meist vier Gänge, unter denen Fleischsuppe und dickgekochter Reis nicht fehlen. Dann folgen Fleischgerichte, die je nach der Gegend verschieden sind. An einigen Orten ist eine gebratne Gans mit Aepfeln und Pflaumen unerläßlich. Eine besondere Tracht zeichnet weder den Nordschleswiger noch den Be¬ wohner Südjütlands vor den Deutschen der cimbrischen Halbinsel aus; doch gilt in Betreff der Fußbekleidung von ersteren beiden, was von den Anglern gesagt wurde. Sudjüten wie Nordschlcswiger tragen Holzschuhe. Schließlich ist die Art, wie die ländlichen Arbeiten in Nordschleswig aus¬ geführt werden, in einigen Beziehungen verschieben von der im Süden üblichen, und man braucht z. B. nur in eine Tenne zu trete», um sofort zu entdecken, wer Jude und wer Deutscher ist. Der jüdische Drescher schwingt deu Flegel zur Rechten, der Deutsche zur linken Seite*)- Wir haben bisher die Landbevölkerung Schleswigs im Auge gehabt und die Städte nur beiläufig erwähnt. Im Folgenden tragen wir über diese einige Bemerkungen nach. Bekannt ist und deshalb nur der Vollständigkeit halber hier zu betonen^ daß die Städte und Flecken des südlichsten Theils von Schleswig, also Eckern- förde, Schleswig und Koppeln, Tönningcn, Garding, Friedrich¬ stadt, Husum und Bredfledt so durchaus deutsch find, wie ihre unmittelbare Nachbarschaft. Schon weniger allgemein angenommen, von Uebereifrigen ge- läugnet, ist der Umstand, daß Flensburg und Tondern unter ihrer Be¬ völkerung ein starkes dänisches Element huben, welches dort, zum Theil hoch- dänisch, zum Theil das Patois der Landbewohner in Nordschleswig, meist auch deutsch sprechend, etwa ein Drittel der Einwohnerschaft bildet, während in Tondern für die große Mehrzahl der Familien die Alltagssprache in Haus und Verkehr jenes südjütische Patois ist, wiewohl in den meisten dieser Familien zugleich von den Erwachsenen, in vielen auch von den größern Kindern deutsch verstanden wird. Noch weniger, so schließen wir nach den Aeußerungen gewisser deutscher Blätter, scheint man zu wissen, daß, wenn wir von der Gesinnung vor¬ läufig absehen und uns nur an die Sprache halten, die Bevölkerung der beiden nördlichsten Städte Haders leben und Apenrade und ebenso die von Sonderburg und Gravenstcin vor fünf bis sechs Jahrzehnten »och fast ausnahmslos das Rabcndäniscb des'benachbarten Landvolks zur Haus- und Verkehrssprache hatte, daß hier noch jetzt die Majorität dieses Idiom für ge¬ wöhnlich braucht, um sich mit den Mitbürgern zu verständigen, und daß es ") Schleswig-Holstcunsche Blätter für Pvlizet und Cultur 17W, S. 192.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/423>, abgerufen am 23.07.2024.