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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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2- Rabe "dänisch: See, soi den litte Mickcl, der har ä Raum kann den
Wohl, son wi so lang har hay Lust te; sunt wi it dei en fra ham, wonär
(Plattdeutsch: wennehr) wi'oll Samuel git lois o ham? -- Dealer it. soi den
gannet Mickcl, seer do it, bau er olleree stoven op v de holst Trae?

Schriftdänisch: See, sagte den UlleMilkel, der har Navncn taget den
Ost. son wie so laenge har have Lyst til; kunde öl ille tage den fra ham.
naar öl alle sammelt gif los paa ham? -- Det gaaer ille an. sagte den gamle
Mittel, seer du ille han er alternde flöien op paa det höieste Trae?

Hochdeutsch: Sieh, sagte der kleine Michel, da hat der Rabe den Käse
genommen, zu dem wir so lange Lust gehabt haben; könnten wir ihm ihn nicht
wegnehmen, wenn wir alle zusammen auf ihn los gingen? -- Das geht nicht
an, sagte der alle Michel, siehst du nicht, er ist bereits auf den höchsten Baum
geflogen?

Ein anderer Beweis für die Thatsache, daß das nordschleswigsche Land¬
volk den Juden sehr nahe steht und auch den Jnseldcincn in manchen Beziehungen
verwandter ist als den Deutschen, liegt in der Färbung seiner Sagen, die frei¬
lich von Jahr zu Jahr mehr absterben, und in den Erinnerungen an die alten
Götter Skandinaviens, die allerdings ebenfalls nur noch in schwachen Resten
fortleben. Vieles, was hier von den Dänen für ihre Ansprüche angeführt
wird, ist als allen Germanen gemeinsam abzuweisen. Anderes dagegen ist zu be¬
achten. Zunächst erinnern Ortsnamen wie Wonsild (lib, ein altes Wort, wel¬
ches Hügel bedeutet) und Wonsbck an Odin, andere, wie Frörup an Frei.
Tyrstrup und Tiislund an Tyr, Bollerslcv und Biölderup an Balder, mit wel¬
chem Gott auch das Spiel Balder Rune zusammenhängt, mit dem sich nach
Müllenhvff die Kinder in der Gegend von Flensburg und Hadersleben ebenso
wie die in Dänemark vergnügen.

Ferner ist der Sagenheld Starkvdder im Amte Hadersleben noch nicht völlig
vergessen. Auf Alsen lebt noch die Sage von Hagbart und signe. wenn sie
auch in die Ritterzeit verlegt ist. Die Erzählung vom Bau der doppelthürmigen
Kirche zu Broacker im Sundewitt ist nur eine Version der sceländischcn Sage
von Äther Ryg und seinen Söhnen Absalon und Esbern Snare. Der Schau¬
platz des altdänischen Heldenliedes von Tute Vogensen und Svend Graa ist die
Kirche von Tiislund, der des Liedes von Herrn Tonne die Insel Alsen, End¬
lich sind die Zwergen- und Koboldsagen, besonders aber die Ueberlieferungen
von ethischen Spukgestalten Nordschlcswigs, wie sich mit zahlreichen Beispielen dar¬
thun ließe, meist überwiegend dänisch gefärbt. Auf den Haiden wohnen in Hügeln
von auffallender Gestalt ^.Unterirdische". "Bergvolk". Wesen von finstrer, tückischer
und menschenfeindlicher Art, im Stall des Gehöfts treibt sich der Hausgeist Nis
oder Nissepuk herum , denen, die ihn mit dem, was ihm gebührt, versorgen, ein
schätzbarer Gehilfe und Segen denen, die ihn mißachten, ein lästiger, oft verbarg-


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2- Rabe «dänisch: See, soi den litte Mickcl, der har ä Raum kann den
Wohl, son wi so lang har hay Lust te; sunt wi it dei en fra ham, wonär
(Plattdeutsch: wennehr) wi'oll Samuel git lois o ham? — Dealer it. soi den
gannet Mickcl, seer do it, bau er olleree stoven op v de holst Trae?

Schriftdänisch: See, sagte den UlleMilkel, der har Navncn taget den
Ost. son wie so laenge har have Lyst til; kunde öl ille tage den fra ham.
naar öl alle sammelt gif los paa ham? — Det gaaer ille an. sagte den gamle
Mittel, seer du ille han er alternde flöien op paa det höieste Trae?

Hochdeutsch: Sieh, sagte der kleine Michel, da hat der Rabe den Käse
genommen, zu dem wir so lange Lust gehabt haben; könnten wir ihm ihn nicht
wegnehmen, wenn wir alle zusammen auf ihn los gingen? — Das geht nicht
an, sagte der alle Michel, siehst du nicht, er ist bereits auf den höchsten Baum
geflogen?

Ein anderer Beweis für die Thatsache, daß das nordschleswigsche Land¬
volk den Juden sehr nahe steht und auch den Jnseldcincn in manchen Beziehungen
verwandter ist als den Deutschen, liegt in der Färbung seiner Sagen, die frei¬
lich von Jahr zu Jahr mehr absterben, und in den Erinnerungen an die alten
Götter Skandinaviens, die allerdings ebenfalls nur noch in schwachen Resten
fortleben. Vieles, was hier von den Dänen für ihre Ansprüche angeführt
wird, ist als allen Germanen gemeinsam abzuweisen. Anderes dagegen ist zu be¬
achten. Zunächst erinnern Ortsnamen wie Wonsild (lib, ein altes Wort, wel¬
ches Hügel bedeutet) und Wonsbck an Odin, andere, wie Frörup an Frei.
Tyrstrup und Tiislund an Tyr, Bollerslcv und Biölderup an Balder, mit wel¬
chem Gott auch das Spiel Balder Rune zusammenhängt, mit dem sich nach
Müllenhvff die Kinder in der Gegend von Flensburg und Hadersleben ebenso
wie die in Dänemark vergnügen.

Ferner ist der Sagenheld Starkvdder im Amte Hadersleben noch nicht völlig
vergessen. Auf Alsen lebt noch die Sage von Hagbart und signe. wenn sie
auch in die Ritterzeit verlegt ist. Die Erzählung vom Bau der doppelthürmigen
Kirche zu Broacker im Sundewitt ist nur eine Version der sceländischcn Sage
von Äther Ryg und seinen Söhnen Absalon und Esbern Snare. Der Schau¬
platz des altdänischen Heldenliedes von Tute Vogensen und Svend Graa ist die
Kirche von Tiislund, der des Liedes von Herrn Tonne die Insel Alsen, End¬
lich sind die Zwergen- und Koboldsagen, besonders aber die Ueberlieferungen
von ethischen Spukgestalten Nordschlcswigs, wie sich mit zahlreichen Beispielen dar¬
thun ließe, meist überwiegend dänisch gefärbt. Auf den Haiden wohnen in Hügeln
von auffallender Gestalt ^.Unterirdische". „Bergvolk". Wesen von finstrer, tückischer
und menschenfeindlicher Art, im Stall des Gehöfts treibt sich der Hausgeist Nis
oder Nissepuk herum , denen, die ihn mit dem, was ihm gebührt, versorgen, ein
schätzbarer Gehilfe und Segen denen, die ihn mißachten, ein lästiger, oft verbarg-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/419>, abgerufen am 23.07.2024.