Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

merkwürdige Tag beschlossen, ohne daß nur einem Menschen bey dem außer¬
ordentlichen Zusammenfluß von. Leuten, ein Unglück begegnet wäre.

Soweit der Wortlaut des Berichts. Die Festfeier aber dauerte über den
12. November hinaus. Noch am Abend des Tages wurde angezeigt, daß Herr
Blanchard, gerührt vom Beifall des Publikums, zur Bezcigung seiner Dank¬
barkeit und mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß morgen ein neues aörostati-
schcs Experiment machen werde. Preis des Platzes 36 Kreuzer. An diesem
Tüge ließ Herr Blanchard einen kleineren Ballon wieder unter Böller- und
Trompetenschall steigen, im Korbe befand sich ein kleiner "Seidcnpudel" mit
zwei Briefen. Im ersten stand: "Dieser Ballon gehört Herrn Blanchard, man
bittet den Finder, denselben nach Nürnberg ins rothe Roß wieder zu bringen."
Im zweiten Briefe: ..Dieser Hund gehört der Frau Obristin. Freifrau von
Redwitz, abzugeben gegen guten Necvmpens zu Nürnberg im rothen Roß."
Der Ballon machte in fünfundvierzig Minuten eine Reise von vierzehn Stun¬
den und sank, wie ein erstaunter Bericht aus Crcusscn meldete, in der Nähe
des Ortes als Etwas, das nicht Wolke, nicbt Drache, nicht Vogel, erst Nein
und schwarz, dann groß und röthlich war. schnell aus den Wolken herab. Auch
der gute Bologneser wurde nach einigen Tagen wohlbehalten seiner Herrin zu¬
rückgebracht. Herr Blanchard aber ward wieder in seinem Wagen unter Jubel
und Vivatrufen vom Volte durch die Stadt zu einem Feuerwerk gezogen, dann
i" das Schauspielhaus, wo diesmal ein zur Feier der Luftreise verfertigtes,
großes allegorisch-musikalisches Concert aufgeführt wurde. Einige Tage daraus
überreichte Blanchard dem hohen Magistrat die Fahnen zum Andenken, der
Magistrat gab ihm dagegen ein solennes Souper im Schießgraben und be¬
schenkte ihn mit sechs Medaillen, jede von acht Ducaten Werth.

Die Flugschrift enthält außerdem noch einen interessanten "Auszug über
Herrn Blanchards Leben, vornehmste Luftreisen und Charakter", nicht ohne
tadelnde Bemerkungen über die Verkleinerer des Mannes. Denn es war leider
auch in diesem Falle dem fremden Luftschiffer nicht vergönnt ohne Neider und
Mißgönner seinen Triumph zu feiern. Schon vor der Auffahrt war in Nürn¬
berg eine andere Flugschrift erschienen, welche unter dem Titel: "Blanchard,
Bürger von Calais". Leben und Thätigkeit des Mannes in einer kritischen
Weise besprach, durch welche der eitle Franzose so getränkt ward, daß er beim
Aufsteigen eine andere Flugschrift: "^.dreM <1<z nos ^v-z-nturizs wri-vstres"
auf die Zuschauer herabwarf, worin er stolz und erbittert gegen die frühere
Broschüre loszog.

Und zuletzt ist Bürgerpflicht zu erwähnen, daß auch der hochlöbliche Rath
von Nürnberg seinerseits alles Erdenkliche gethan hatte, den Verlauf dieses
außerordentlichen Festes sicher zu stellen. Durch sehr ausführliche eigens ver-


44'

merkwürdige Tag beschlossen, ohne daß nur einem Menschen bey dem außer¬
ordentlichen Zusammenfluß von. Leuten, ein Unglück begegnet wäre.

Soweit der Wortlaut des Berichts. Die Festfeier aber dauerte über den
12. November hinaus. Noch am Abend des Tages wurde angezeigt, daß Herr
Blanchard, gerührt vom Beifall des Publikums, zur Bezcigung seiner Dank¬
barkeit und mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß morgen ein neues aörostati-
schcs Experiment machen werde. Preis des Platzes 36 Kreuzer. An diesem
Tüge ließ Herr Blanchard einen kleineren Ballon wieder unter Böller- und
Trompetenschall steigen, im Korbe befand sich ein kleiner „Seidcnpudel" mit
zwei Briefen. Im ersten stand: „Dieser Ballon gehört Herrn Blanchard, man
bittet den Finder, denselben nach Nürnberg ins rothe Roß wieder zu bringen."
Im zweiten Briefe: ..Dieser Hund gehört der Frau Obristin. Freifrau von
Redwitz, abzugeben gegen guten Necvmpens zu Nürnberg im rothen Roß."
Der Ballon machte in fünfundvierzig Minuten eine Reise von vierzehn Stun¬
den und sank, wie ein erstaunter Bericht aus Crcusscn meldete, in der Nähe
des Ortes als Etwas, das nicht Wolke, nicbt Drache, nicht Vogel, erst Nein
und schwarz, dann groß und röthlich war. schnell aus den Wolken herab. Auch
der gute Bologneser wurde nach einigen Tagen wohlbehalten seiner Herrin zu¬
rückgebracht. Herr Blanchard aber ward wieder in seinem Wagen unter Jubel
und Vivatrufen vom Volte durch die Stadt zu einem Feuerwerk gezogen, dann
i» das Schauspielhaus, wo diesmal ein zur Feier der Luftreise verfertigtes,
großes allegorisch-musikalisches Concert aufgeführt wurde. Einige Tage daraus
überreichte Blanchard dem hohen Magistrat die Fahnen zum Andenken, der
Magistrat gab ihm dagegen ein solennes Souper im Schießgraben und be¬
schenkte ihn mit sechs Medaillen, jede von acht Ducaten Werth.

Die Flugschrift enthält außerdem noch einen interessanten „Auszug über
Herrn Blanchards Leben, vornehmste Luftreisen und Charakter", nicht ohne
tadelnde Bemerkungen über die Verkleinerer des Mannes. Denn es war leider
auch in diesem Falle dem fremden Luftschiffer nicht vergönnt ohne Neider und
Mißgönner seinen Triumph zu feiern. Schon vor der Auffahrt war in Nürn¬
berg eine andere Flugschrift erschienen, welche unter dem Titel: „Blanchard,
Bürger von Calais". Leben und Thätigkeit des Mannes in einer kritischen
Weise besprach, durch welche der eitle Franzose so getränkt ward, daß er beim
Aufsteigen eine andere Flugschrift: „^.dreM <1<z nos ^v-z-nturizs wri-vstres"
auf die Zuschauer herabwarf, worin er stolz und erbittert gegen die frühere
Broschüre loszog.

Und zuletzt ist Bürgerpflicht zu erwähnen, daß auch der hochlöbliche Rath
von Nürnberg seinerseits alles Erdenkliche gethan hatte, den Verlauf dieses
außerordentlichen Festes sicher zu stellen. Durch sehr ausführliche eigens ver-


44'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188916"/>
          <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> merkwürdige Tag beschlossen, ohne daß nur einem Menschen bey dem außer¬<lb/>
ordentlichen Zusammenfluß von. Leuten, ein Unglück begegnet wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1185"> Soweit der Wortlaut des Berichts. Die Festfeier aber dauerte über den<lb/>
12. November hinaus. Noch am Abend des Tages wurde angezeigt, daß Herr<lb/>
Blanchard, gerührt vom Beifall des Publikums, zur Bezcigung seiner Dank¬<lb/>
barkeit und mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß morgen ein neues aörostati-<lb/>
schcs Experiment machen werde. Preis des Platzes 36 Kreuzer. An diesem<lb/>
Tüge ließ Herr Blanchard einen kleineren Ballon wieder unter Böller- und<lb/>
Trompetenschall steigen, im Korbe befand sich ein kleiner &#x201E;Seidcnpudel" mit<lb/>
zwei Briefen. Im ersten stand: &#x201E;Dieser Ballon gehört Herrn Blanchard, man<lb/>
bittet den Finder, denselben nach Nürnberg ins rothe Roß wieder zu bringen."<lb/>
Im zweiten Briefe: ..Dieser Hund gehört der Frau Obristin. Freifrau von<lb/>
Redwitz, abzugeben gegen guten Necvmpens zu Nürnberg im rothen Roß."<lb/>
Der Ballon machte in fünfundvierzig Minuten eine Reise von vierzehn Stun¬<lb/>
den und sank, wie ein erstaunter Bericht aus Crcusscn meldete, in der Nähe<lb/>
des Ortes als Etwas, das nicht Wolke, nicbt Drache, nicht Vogel, erst Nein<lb/>
und schwarz, dann groß und röthlich war. schnell aus den Wolken herab. Auch<lb/>
der gute Bologneser wurde nach einigen Tagen wohlbehalten seiner Herrin zu¬<lb/>
rückgebracht. Herr Blanchard aber ward wieder in seinem Wagen unter Jubel<lb/>
und Vivatrufen vom Volte durch die Stadt zu einem Feuerwerk gezogen, dann<lb/>
i» das Schauspielhaus, wo diesmal ein zur Feier der Luftreise verfertigtes,<lb/>
großes allegorisch-musikalisches Concert aufgeführt wurde. Einige Tage daraus<lb/>
überreichte Blanchard dem hohen Magistrat die Fahnen zum Andenken, der<lb/>
Magistrat gab ihm dagegen ein solennes Souper im Schießgraben und be¬<lb/>
schenkte ihn mit sechs Medaillen, jede von acht Ducaten Werth.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1186"> Die Flugschrift enthält außerdem noch einen interessanten &#x201E;Auszug über<lb/>
Herrn Blanchards Leben, vornehmste Luftreisen und Charakter", nicht ohne<lb/>
tadelnde Bemerkungen über die Verkleinerer des Mannes. Denn es war leider<lb/>
auch in diesem Falle dem fremden Luftschiffer nicht vergönnt ohne Neider und<lb/>
Mißgönner seinen Triumph zu feiern. Schon vor der Auffahrt war in Nürn¬<lb/>
berg eine andere Flugschrift erschienen, welche unter dem Titel: &#x201E;Blanchard,<lb/>
Bürger von Calais". Leben und Thätigkeit des Mannes in einer kritischen<lb/>
Weise besprach, durch welche der eitle Franzose so getränkt ward, daß er beim<lb/>
Aufsteigen eine andere Flugschrift: &#x201E;^.dreM &lt;1&lt;z nos ^v-z-nturizs wri-vstres"<lb/>
auf die Zuschauer herabwarf, worin er stolz und erbittert gegen die frühere<lb/>
Broschüre loszog.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1187" next="#ID_1188"> Und zuletzt ist Bürgerpflicht zu erwähnen, daß auch der hochlöbliche Rath<lb/>
von Nürnberg seinerseits alles Erdenkliche gethan hatte, den Verlauf dieses<lb/>
außerordentlichen Festes sicher zu stellen.  Durch sehr ausführliche eigens ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 44'</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] merkwürdige Tag beschlossen, ohne daß nur einem Menschen bey dem außer¬ ordentlichen Zusammenfluß von. Leuten, ein Unglück begegnet wäre. Soweit der Wortlaut des Berichts. Die Festfeier aber dauerte über den 12. November hinaus. Noch am Abend des Tages wurde angezeigt, daß Herr Blanchard, gerührt vom Beifall des Publikums, zur Bezcigung seiner Dank¬ barkeit und mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß morgen ein neues aörostati- schcs Experiment machen werde. Preis des Platzes 36 Kreuzer. An diesem Tüge ließ Herr Blanchard einen kleineren Ballon wieder unter Böller- und Trompetenschall steigen, im Korbe befand sich ein kleiner „Seidcnpudel" mit zwei Briefen. Im ersten stand: „Dieser Ballon gehört Herrn Blanchard, man bittet den Finder, denselben nach Nürnberg ins rothe Roß wieder zu bringen." Im zweiten Briefe: ..Dieser Hund gehört der Frau Obristin. Freifrau von Redwitz, abzugeben gegen guten Necvmpens zu Nürnberg im rothen Roß." Der Ballon machte in fünfundvierzig Minuten eine Reise von vierzehn Stun¬ den und sank, wie ein erstaunter Bericht aus Crcusscn meldete, in der Nähe des Ortes als Etwas, das nicht Wolke, nicbt Drache, nicht Vogel, erst Nein und schwarz, dann groß und röthlich war. schnell aus den Wolken herab. Auch der gute Bologneser wurde nach einigen Tagen wohlbehalten seiner Herrin zu¬ rückgebracht. Herr Blanchard aber ward wieder in seinem Wagen unter Jubel und Vivatrufen vom Volte durch die Stadt zu einem Feuerwerk gezogen, dann i» das Schauspielhaus, wo diesmal ein zur Feier der Luftreise verfertigtes, großes allegorisch-musikalisches Concert aufgeführt wurde. Einige Tage daraus überreichte Blanchard dem hohen Magistrat die Fahnen zum Andenken, der Magistrat gab ihm dagegen ein solennes Souper im Schießgraben und be¬ schenkte ihn mit sechs Medaillen, jede von acht Ducaten Werth. Die Flugschrift enthält außerdem noch einen interessanten „Auszug über Herrn Blanchards Leben, vornehmste Luftreisen und Charakter", nicht ohne tadelnde Bemerkungen über die Verkleinerer des Mannes. Denn es war leider auch in diesem Falle dem fremden Luftschiffer nicht vergönnt ohne Neider und Mißgönner seinen Triumph zu feiern. Schon vor der Auffahrt war in Nürn¬ berg eine andere Flugschrift erschienen, welche unter dem Titel: „Blanchard, Bürger von Calais". Leben und Thätigkeit des Mannes in einer kritischen Weise besprach, durch welche der eitle Franzose so getränkt ward, daß er beim Aufsteigen eine andere Flugschrift: „^.dreM <1<z nos ^v-z-nturizs wri-vstres" auf die Zuschauer herabwarf, worin er stolz und erbittert gegen die frühere Broschüre loszog. Und zuletzt ist Bürgerpflicht zu erwähnen, daß auch der hochlöbliche Rath von Nürnberg seinerseits alles Erdenkliche gethan hatte, den Verlauf dieses außerordentlichen Festes sicher zu stellen. Durch sehr ausführliche eigens ver- 44'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/355>, abgerufen am 23.07.2024.