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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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seine Erlasse von dieser Seite nicht zu Theil geworden ist, muß zur Vervoll¬
ständigung erwähnt werden.

Der Kurfürst von Hessen hat in gleicher Weise wie Hannover rücksicht¬
lich des Tractates das summarische Verfahren der schlichten Unterschreibung des
dänischen Zettels beobachtet. Sie erfolgte unterm .16. Decb. ebenfalls "im Jahr
der Gnade" 1852. Der jetzige Stand der dynastischen Frage ist zur Zeit von
Sr. königlichen Hoheit noch ignorirt worden. Vereinzelte mündliche Aeußerun¬
gen der stets mehr leidenden als leitenden Staatsmänner in Kassel werden
günstig gedeutet; aber hieraus einen Schluß auf das schließliche Verhalten des
Kurfürsten ziehen zu wollen, wäre äußerst verwegen, da von einer eigentlich
konstitutionellen Stellung des Ministeriums zu demselben nicht die Rede ist.
Der Kurfürst erscheint vielmehr absolut unberechenbar. Der einzige Antrieb
seines politischen Denkens ist die Selbsterhaltung. Primitives Mistrauen bildet
ihm den ersten und einzigen Gesichtspunkt. Infolge dessen steigert sich seine Vor¬
sicht in der Regel zu einer Weitsichtigkeit,, in welcher ihm kluge und geschulte
Kopfe nicht zu folgen vermögen. Oestreichs oft verheißenen Schutze traut er
nicht, und Preußen ist ihm vom "Feldjäger" her im übelsten Gedächtniß. Aber
auch die kleinen Könige sieht er scheel an. Das Einzige, woran man sich bei
ihm in einem Calcül betreffs der Schleswig-holsteinischen Erbfolge etwa würde
halten können, ist der Umstand, daß er in der Fiction lebt, er befinde sich in
gleicher politischer Lage mit Havnover. Es wird versichert, daß er gern auf
dem Wege nachfolgen würde, welchen Hannover einschlägt. Sonach läßt sich
bei ihm in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs des Achten auf nicht
mehr als auf eine Wahrscheinlichkeit der UnWahrscheinlichkeit schließen.

Mit Luxemburg-Li in b urg, für welches die Beitrittserklärung des Königs
der Niederlande et. et. 20. Decb. 1832 als mit bindend zu betrachten ist, schließt
die Reihe derjenigen Bundesstaaten, welche im ersten Stadium der Frage in
directes Vernehmen mit Dänemark getreten waren.

In eingeschränkten Sinne gilt dies jedoch ferner von den drei nachfolgen¬
den. Als der londoner Vertrag den übrigen Souveränen Europas sowie den
Vereinigten Staaten von Amerika notificirt wurde, gaben die meisten derselben
hierauf ihre Genugthuung zu erkennen. Anhalt-Dessau. Sachsen-Altenburg
und Sa es her-Me i n in gen ergriffen jedoch die Gelegenheit, um gegen Däne¬
mark direct die Verwahrung ihrer eventuellen Ansprüche auf Lauenburg auszu¬
drücken, welche sie mehrfach bereits am Bunde zur Geltung gebracht hatten.
Sie erhielten darauf von Dänemark eine Antwort derjenige" identisch, welche
auf die Erklärungen der königlich sächsischen und großherzoglich weimarischen
Regierung erfolgt war.

Wir vervollständigen zunächst die XII. Curie: Altenburg hat direct in der
Anerkennungsfrage keine officielle Erklärung gegeben, jedoch geht aus ander-


seine Erlasse von dieser Seite nicht zu Theil geworden ist, muß zur Vervoll¬
ständigung erwähnt werden.

Der Kurfürst von Hessen hat in gleicher Weise wie Hannover rücksicht¬
lich des Tractates das summarische Verfahren der schlichten Unterschreibung des
dänischen Zettels beobachtet. Sie erfolgte unterm .16. Decb. ebenfalls „im Jahr
der Gnade" 1852. Der jetzige Stand der dynastischen Frage ist zur Zeit von
Sr. königlichen Hoheit noch ignorirt worden. Vereinzelte mündliche Aeußerun¬
gen der stets mehr leidenden als leitenden Staatsmänner in Kassel werden
günstig gedeutet; aber hieraus einen Schluß auf das schließliche Verhalten des
Kurfürsten ziehen zu wollen, wäre äußerst verwegen, da von einer eigentlich
konstitutionellen Stellung des Ministeriums zu demselben nicht die Rede ist.
Der Kurfürst erscheint vielmehr absolut unberechenbar. Der einzige Antrieb
seines politischen Denkens ist die Selbsterhaltung. Primitives Mistrauen bildet
ihm den ersten und einzigen Gesichtspunkt. Infolge dessen steigert sich seine Vor¬
sicht in der Regel zu einer Weitsichtigkeit,, in welcher ihm kluge und geschulte
Kopfe nicht zu folgen vermögen. Oestreichs oft verheißenen Schutze traut er
nicht, und Preußen ist ihm vom „Feldjäger" her im übelsten Gedächtniß. Aber
auch die kleinen Könige sieht er scheel an. Das Einzige, woran man sich bei
ihm in einem Calcül betreffs der Schleswig-holsteinischen Erbfolge etwa würde
halten können, ist der Umstand, daß er in der Fiction lebt, er befinde sich in
gleicher politischer Lage mit Havnover. Es wird versichert, daß er gern auf
dem Wege nachfolgen würde, welchen Hannover einschlägt. Sonach läßt sich
bei ihm in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs des Achten auf nicht
mehr als auf eine Wahrscheinlichkeit der UnWahrscheinlichkeit schließen.

Mit Luxemburg-Li in b urg, für welches die Beitrittserklärung des Königs
der Niederlande et. et. 20. Decb. 1832 als mit bindend zu betrachten ist, schließt
die Reihe derjenigen Bundesstaaten, welche im ersten Stadium der Frage in
directes Vernehmen mit Dänemark getreten waren.

In eingeschränkten Sinne gilt dies jedoch ferner von den drei nachfolgen¬
den. Als der londoner Vertrag den übrigen Souveränen Europas sowie den
Vereinigten Staaten von Amerika notificirt wurde, gaben die meisten derselben
hierauf ihre Genugthuung zu erkennen. Anhalt-Dessau. Sachsen-Altenburg
und Sa es her-Me i n in gen ergriffen jedoch die Gelegenheit, um gegen Däne¬
mark direct die Verwahrung ihrer eventuellen Ansprüche auf Lauenburg auszu¬
drücken, welche sie mehrfach bereits am Bunde zur Geltung gebracht hatten.
Sie erhielten darauf von Dänemark eine Antwort derjenige» identisch, welche
auf die Erklärungen der königlich sächsischen und großherzoglich weimarischen
Regierung erfolgt war.

Wir vervollständigen zunächst die XII. Curie: Altenburg hat direct in der
Anerkennungsfrage keine officielle Erklärung gegeben, jedoch geht aus ander-


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[0340] seine Erlasse von dieser Seite nicht zu Theil geworden ist, muß zur Vervoll¬ ständigung erwähnt werden. Der Kurfürst von Hessen hat in gleicher Weise wie Hannover rücksicht¬ lich des Tractates das summarische Verfahren der schlichten Unterschreibung des dänischen Zettels beobachtet. Sie erfolgte unterm .16. Decb. ebenfalls „im Jahr der Gnade" 1852. Der jetzige Stand der dynastischen Frage ist zur Zeit von Sr. königlichen Hoheit noch ignorirt worden. Vereinzelte mündliche Aeußerun¬ gen der stets mehr leidenden als leitenden Staatsmänner in Kassel werden günstig gedeutet; aber hieraus einen Schluß auf das schließliche Verhalten des Kurfürsten ziehen zu wollen, wäre äußerst verwegen, da von einer eigentlich konstitutionellen Stellung des Ministeriums zu demselben nicht die Rede ist. Der Kurfürst erscheint vielmehr absolut unberechenbar. Der einzige Antrieb seines politischen Denkens ist die Selbsterhaltung. Primitives Mistrauen bildet ihm den ersten und einzigen Gesichtspunkt. Infolge dessen steigert sich seine Vor¬ sicht in der Regel zu einer Weitsichtigkeit,, in welcher ihm kluge und geschulte Kopfe nicht zu folgen vermögen. Oestreichs oft verheißenen Schutze traut er nicht, und Preußen ist ihm vom „Feldjäger" her im übelsten Gedächtniß. Aber auch die kleinen Könige sieht er scheel an. Das Einzige, woran man sich bei ihm in einem Calcül betreffs der Schleswig-holsteinischen Erbfolge etwa würde halten können, ist der Umstand, daß er in der Fiction lebt, er befinde sich in gleicher politischer Lage mit Havnover. Es wird versichert, daß er gern auf dem Wege nachfolgen würde, welchen Hannover einschlägt. Sonach läßt sich bei ihm in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs des Achten auf nicht mehr als auf eine Wahrscheinlichkeit der UnWahrscheinlichkeit schließen. Mit Luxemburg-Li in b urg, für welches die Beitrittserklärung des Königs der Niederlande et. et. 20. Decb. 1832 als mit bindend zu betrachten ist, schließt die Reihe derjenigen Bundesstaaten, welche im ersten Stadium der Frage in directes Vernehmen mit Dänemark getreten waren. In eingeschränkten Sinne gilt dies jedoch ferner von den drei nachfolgen¬ den. Als der londoner Vertrag den übrigen Souveränen Europas sowie den Vereinigten Staaten von Amerika notificirt wurde, gaben die meisten derselben hierauf ihre Genugthuung zu erkennen. Anhalt-Dessau. Sachsen-Altenburg und Sa es her-Me i n in gen ergriffen jedoch die Gelegenheit, um gegen Däne¬ mark direct die Verwahrung ihrer eventuellen Ansprüche auf Lauenburg auszu¬ drücken, welche sie mehrfach bereits am Bunde zur Geltung gebracht hatten. Sie erhielten darauf von Dänemark eine Antwort derjenige» identisch, welche auf die Erklärungen der königlich sächsischen und großherzoglich weimarischen Regierung erfolgt war. Wir vervollständigen zunächst die XII. Curie: Altenburg hat direct in der Anerkennungsfrage keine officielle Erklärung gegeben, jedoch geht aus ander-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/340>, abgerufen am 23.07.2024.