Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ausschlag giebt. Eine Meinungsverschiedenheit ist bei den beiden Höfen am
Bunde noch nicht begegnet. Die mecklenburgischen Kundgebungen im Ausschüsse
sind allerdings bisher nicbt sehr vcriraucncrwcckend gewesen.

Beim Großherzogthum Hessen, welches zunächst in Frage kommt, ist das
Verhältniß umgekehrt: der Behandlung der Accessionsfrage fehlt trotz ihrer Nich¬
tigkeit der Werth der Entschiedenheit, welchen die Haltung in der Anerkennungs¬
frage besitzt. Baron v. Dalwigk schrieb ä. d. Darmstadt 24. Januar 1853 "er
müsse sich für jetzt auf die Erklärung beschränken, daß Se. königl. Hoheit auf Grund
des IV. Artikels der wiener Mnister-Conferenzen vom 13. Mai 1820 die An¬
gelegenheit als einen Gegenstand der Berathung des gesammten Bundes be¬
trachte; 'eine Anschauung, welche die großh. Regierung wünschen, lasse den
möglichen Entschließungen des Bundestags nicht vorzugreifen." -- Dänemark
erklärte darauf unterm 4. März wieder sein naives Unverständnis;. -- In Be¬
treff der Ancrkennungsfrage ist der Ausgangspunkt Hessen-Darmstadts in dem
Schreiben des Großherzogs an Herzog Friedrich ä. et. 9. Den. 1863 bezeichnet,
worin es heißt: "er werde es als die glücklichste Lösung dieser mit Recht ganz
Deutschland bewegenden Frage ansehen, wenn die Herzogtümer unter ihrem
eigenen legitimen Souverän ganz von der Krone Dänemark getrennt würden.
Der Entscheidung des deutschen Bundes wolle er jedoch nicht vorgreifen."
Dieser Erklärung hat sich die großherzogliche Regierung bisher durchweg con-
form gehalten.

Die Haltung der königlich Sächsischen ilicgierung dem londoner Trac-
tat gegenüber war eine eigenthümlich zweiseitige. Bei allen einzelnen Staaten
war die Alternative offenbar diese: entweder man mußte die Stellung zum
Bunde in erster Linie betonen und dann die Anerkennung einfach aus man¬
gelnder Competenz ablehnen, oder man mußte rein europäisch handeln, den
Bund außer Acht lassen und zustimmen auf die Gefahr hin. wie viel oder wie
wenig dies auf sich haben würde. Sachsen nahm eine halb europäische, halb
bundesstaatliche Stellung mit entschieden dynastischem Accent, indem es sich
folgendermaßen durch Schreiben des Freiherr" v. Beust ä. ä. 9. Decbr. 1852,
erklärte: "In Kenntniß gesetzt von den Vereinbarungen der Mächte, sowie'
Von den Bestimmungen, welche denselben die Dauer gewährleisten solle", er¬
kennt der König die Weisheit der Gesichtspunkte und die Sorge für die großen
Politischen Interessen Europas mit Wohlgefallen an, welche die hohen Kontra¬
henten bei dieser Gelegenheit aufs neue bezeugt haben. Beseelt von diese" Empfin¬
dungen giebt sich Se. Maj. gern dem von seinen hohen Alliirten bekundeten
Wunsche hin und vertraut, daß die wohlbegründeten Interessen seines könig¬
lichen Hauses denselben kein Hinderniß bereiten. Da diese Interessen vornehm¬
lich in den eventuellen Succcssionsrechten des albertinischcn Hauses Sachsen
auf das Herzogthum Lauenburg für den Fall beruhen, daß Braunschweig-Lune-


Ausschlag giebt. Eine Meinungsverschiedenheit ist bei den beiden Höfen am
Bunde noch nicht begegnet. Die mecklenburgischen Kundgebungen im Ausschüsse
sind allerdings bisher nicbt sehr vcriraucncrwcckend gewesen.

Beim Großherzogthum Hessen, welches zunächst in Frage kommt, ist das
Verhältniß umgekehrt: der Behandlung der Accessionsfrage fehlt trotz ihrer Nich¬
tigkeit der Werth der Entschiedenheit, welchen die Haltung in der Anerkennungs¬
frage besitzt. Baron v. Dalwigk schrieb ä. d. Darmstadt 24. Januar 1853 „er
müsse sich für jetzt auf die Erklärung beschränken, daß Se. königl. Hoheit auf Grund
des IV. Artikels der wiener Mnister-Conferenzen vom 13. Mai 1820 die An¬
gelegenheit als einen Gegenstand der Berathung des gesammten Bundes be¬
trachte; 'eine Anschauung, welche die großh. Regierung wünschen, lasse den
möglichen Entschließungen des Bundestags nicht vorzugreifen." — Dänemark
erklärte darauf unterm 4. März wieder sein naives Unverständnis;. — In Be¬
treff der Ancrkennungsfrage ist der Ausgangspunkt Hessen-Darmstadts in dem
Schreiben des Großherzogs an Herzog Friedrich ä. et. 9. Den. 1863 bezeichnet,
worin es heißt: „er werde es als die glücklichste Lösung dieser mit Recht ganz
Deutschland bewegenden Frage ansehen, wenn die Herzogtümer unter ihrem
eigenen legitimen Souverän ganz von der Krone Dänemark getrennt würden.
Der Entscheidung des deutschen Bundes wolle er jedoch nicht vorgreifen."
Dieser Erklärung hat sich die großherzogliche Regierung bisher durchweg con-
form gehalten.

Die Haltung der königlich Sächsischen ilicgierung dem londoner Trac-
tat gegenüber war eine eigenthümlich zweiseitige. Bei allen einzelnen Staaten
war die Alternative offenbar diese: entweder man mußte die Stellung zum
Bunde in erster Linie betonen und dann die Anerkennung einfach aus man¬
gelnder Competenz ablehnen, oder man mußte rein europäisch handeln, den
Bund außer Acht lassen und zustimmen auf die Gefahr hin. wie viel oder wie
wenig dies auf sich haben würde. Sachsen nahm eine halb europäische, halb
bundesstaatliche Stellung mit entschieden dynastischem Accent, indem es sich
folgendermaßen durch Schreiben des Freiherr» v. Beust ä. ä. 9. Decbr. 1852,
erklärte: „In Kenntniß gesetzt von den Vereinbarungen der Mächte, sowie'
Von den Bestimmungen, welche denselben die Dauer gewährleisten solle», er¬
kennt der König die Weisheit der Gesichtspunkte und die Sorge für die großen
Politischen Interessen Europas mit Wohlgefallen an, welche die hohen Kontra¬
henten bei dieser Gelegenheit aufs neue bezeugt haben. Beseelt von diese» Empfin¬
dungen giebt sich Se. Maj. gern dem von seinen hohen Alliirten bekundeten
Wunsche hin und vertraut, daß die wohlbegründeten Interessen seines könig¬
lichen Hauses denselben kein Hinderniß bereiten. Da diese Interessen vornehm¬
lich in den eventuellen Succcssionsrechten des albertinischcn Hauses Sachsen
auf das Herzogthum Lauenburg für den Fall beruhen, daß Braunschweig-Lune-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188896"/>
          <p xml:id="ID_1103" prev="#ID_1102"> Ausschlag giebt. Eine Meinungsverschiedenheit ist bei den beiden Höfen am<lb/>
Bunde noch nicht begegnet. Die mecklenburgischen Kundgebungen im Ausschüsse<lb/>
sind allerdings bisher nicbt sehr vcriraucncrwcckend gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1104"> Beim Großherzogthum Hessen, welches zunächst in Frage kommt, ist das<lb/>
Verhältniß umgekehrt: der Behandlung der Accessionsfrage fehlt trotz ihrer Nich¬<lb/>
tigkeit der Werth der Entschiedenheit, welchen die Haltung in der Anerkennungs¬<lb/>
frage besitzt. Baron v. Dalwigk schrieb ä. d. Darmstadt 24. Januar 1853 &#x201E;er<lb/>
müsse sich für jetzt auf die Erklärung beschränken, daß Se. königl. Hoheit auf Grund<lb/>
des IV. Artikels der wiener Mnister-Conferenzen vom 13. Mai 1820 die An¬<lb/>
gelegenheit als einen Gegenstand der Berathung des gesammten Bundes be¬<lb/>
trachte; 'eine Anschauung, welche die großh. Regierung wünschen, lasse den<lb/>
möglichen Entschließungen des Bundestags nicht vorzugreifen." &#x2014; Dänemark<lb/>
erklärte darauf unterm 4. März wieder sein naives Unverständnis;. &#x2014; In Be¬<lb/>
treff der Ancrkennungsfrage ist der Ausgangspunkt Hessen-Darmstadts in dem<lb/>
Schreiben des Großherzogs an Herzog Friedrich ä. et. 9. Den. 1863 bezeichnet,<lb/>
worin es heißt: &#x201E;er werde es als die glücklichste Lösung dieser mit Recht ganz<lb/>
Deutschland bewegenden Frage ansehen, wenn die Herzogtümer unter ihrem<lb/>
eigenen legitimen Souverän ganz von der Krone Dänemark getrennt würden.<lb/>
Der Entscheidung des deutschen Bundes wolle er jedoch nicht vorgreifen."<lb/>
Dieser Erklärung hat sich die großherzogliche Regierung bisher durchweg con-<lb/>
form gehalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1105" next="#ID_1106"> Die Haltung der königlich Sächsischen ilicgierung dem londoner Trac-<lb/>
tat gegenüber war eine eigenthümlich zweiseitige. Bei allen einzelnen Staaten<lb/>
war die Alternative offenbar diese: entweder man mußte die Stellung zum<lb/>
Bunde in erster Linie betonen und dann die Anerkennung einfach aus man¬<lb/>
gelnder Competenz ablehnen, oder man mußte rein europäisch handeln, den<lb/>
Bund außer Acht lassen und zustimmen auf die Gefahr hin. wie viel oder wie<lb/>
wenig dies auf sich haben würde. Sachsen nahm eine halb europäische, halb<lb/>
bundesstaatliche Stellung mit entschieden dynastischem Accent, indem es sich<lb/>
folgendermaßen durch Schreiben des Freiherr» v. Beust ä. ä. 9. Decbr. 1852,<lb/>
erklärte: &#x201E;In Kenntniß gesetzt von den Vereinbarungen der Mächte, sowie'<lb/>
Von den Bestimmungen, welche denselben die Dauer gewährleisten solle», er¬<lb/>
kennt der König die Weisheit der Gesichtspunkte und die Sorge für die großen<lb/>
Politischen Interessen Europas mit Wohlgefallen an, welche die hohen Kontra¬<lb/>
henten bei dieser Gelegenheit aufs neue bezeugt haben. Beseelt von diese» Empfin¬<lb/>
dungen giebt sich Se. Maj. gern dem von seinen hohen Alliirten bekundeten<lb/>
Wunsche hin und vertraut, daß die wohlbegründeten Interessen seines könig¬<lb/>
lichen Hauses denselben kein Hinderniß bereiten. Da diese Interessen vornehm¬<lb/>
lich in den eventuellen Succcssionsrechten des albertinischcn Hauses Sachsen<lb/>
auf das Herzogthum Lauenburg für den Fall beruhen, daß Braunschweig-Lune-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Ausschlag giebt. Eine Meinungsverschiedenheit ist bei den beiden Höfen am Bunde noch nicht begegnet. Die mecklenburgischen Kundgebungen im Ausschüsse sind allerdings bisher nicbt sehr vcriraucncrwcckend gewesen. Beim Großherzogthum Hessen, welches zunächst in Frage kommt, ist das Verhältniß umgekehrt: der Behandlung der Accessionsfrage fehlt trotz ihrer Nich¬ tigkeit der Werth der Entschiedenheit, welchen die Haltung in der Anerkennungs¬ frage besitzt. Baron v. Dalwigk schrieb ä. d. Darmstadt 24. Januar 1853 „er müsse sich für jetzt auf die Erklärung beschränken, daß Se. königl. Hoheit auf Grund des IV. Artikels der wiener Mnister-Conferenzen vom 13. Mai 1820 die An¬ gelegenheit als einen Gegenstand der Berathung des gesammten Bundes be¬ trachte; 'eine Anschauung, welche die großh. Regierung wünschen, lasse den möglichen Entschließungen des Bundestags nicht vorzugreifen." — Dänemark erklärte darauf unterm 4. März wieder sein naives Unverständnis;. — In Be¬ treff der Ancrkennungsfrage ist der Ausgangspunkt Hessen-Darmstadts in dem Schreiben des Großherzogs an Herzog Friedrich ä. et. 9. Den. 1863 bezeichnet, worin es heißt: „er werde es als die glücklichste Lösung dieser mit Recht ganz Deutschland bewegenden Frage ansehen, wenn die Herzogtümer unter ihrem eigenen legitimen Souverän ganz von der Krone Dänemark getrennt würden. Der Entscheidung des deutschen Bundes wolle er jedoch nicht vorgreifen." Dieser Erklärung hat sich die großherzogliche Regierung bisher durchweg con- form gehalten. Die Haltung der königlich Sächsischen ilicgierung dem londoner Trac- tat gegenüber war eine eigenthümlich zweiseitige. Bei allen einzelnen Staaten war die Alternative offenbar diese: entweder man mußte die Stellung zum Bunde in erster Linie betonen und dann die Anerkennung einfach aus man¬ gelnder Competenz ablehnen, oder man mußte rein europäisch handeln, den Bund außer Acht lassen und zustimmen auf die Gefahr hin. wie viel oder wie wenig dies auf sich haben würde. Sachsen nahm eine halb europäische, halb bundesstaatliche Stellung mit entschieden dynastischem Accent, indem es sich folgendermaßen durch Schreiben des Freiherr» v. Beust ä. ä. 9. Decbr. 1852, erklärte: „In Kenntniß gesetzt von den Vereinbarungen der Mächte, sowie' Von den Bestimmungen, welche denselben die Dauer gewährleisten solle», er¬ kennt der König die Weisheit der Gesichtspunkte und die Sorge für die großen Politischen Interessen Europas mit Wohlgefallen an, welche die hohen Kontra¬ henten bei dieser Gelegenheit aufs neue bezeugt haben. Beseelt von diese» Empfin¬ dungen giebt sich Se. Maj. gern dem von seinen hohen Alliirten bekundeten Wunsche hin und vertraut, daß die wohlbegründeten Interessen seines könig¬ lichen Hauses denselben kein Hinderniß bereiten. Da diese Interessen vornehm¬ lich in den eventuellen Succcssionsrechten des albertinischcn Hauses Sachsen auf das Herzogthum Lauenburg für den Fall beruhen, daß Braunschweig-Lune-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/335>, abgerufen am 23.07.2024.