Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu messen, geschieht es nicht blos, um alte Sünden oder Schwächen neu zu be¬
leuchten, sondern vielmehr, um darzulegen, wie das durch jene Aeußerungen
geschaffene Präjudiz dem neuen Stande der Frage gegenüber Stich gehalten
hat, oder nicht. Wir betrachten daher die Gesinnungsdocumcnte der einzelnen
Bunocsfürsten rücksichtlich der Regierungsansprüche Herzog Friedrichs des Achten
von Schleswig-Holstein in Verbindung mit den Erklärungen auf die dänische
Einladung zur Anerkennung des Tractats. Die späteren Kundgebungen sind theils
die praktische Ratification theils die Aufhebung, jedenfalls aber die authentische
Interpretation und Kritik der früheren. Hinsichtlich der leitenden Motive muß
wenigstens so viel vorausgeschickt werden: kein Bundesfürst, der Zeuge der
Manipulationen Dänemarks in den Herzogthümern vor 1849 gewesen war,
konnte borg, naiv annehmen, daß nach den Arrangements von 1832 und 1853
ein vertragsmäßiges System beobachtet werden würde. Niemand konnte glau¬
ben, durch seine Anerkennung der neuen dänischen Successionsvrdnung ein
solches System zu stärken und zu fördern. Man stärkte und forderte damit je
nach dem Belang der eigenen politischen Bedeutung nur die königlich dänischen
Prätensionen als solche.

Wir registriren nun in der folgenden Statistik die deutschen Bundesregie¬
rungen zunächst insoweit sie zum londoner Tractat durch die Einladung zum
Beitritt in directe Beziehung getreten sind und zwar nach dem Grade der
Correctheit ihres Verhaltens, wie wir dasselbe oben angedeutet haben, und fügen
daran, was nach den besten Quellen über directe und indirecte Erklä¬
rungen in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs. vorliegt und verlautet.

Rücksichtlich des Verhaltens zum Tractat unterscheiden sich drei Kategorien:
1) diejenigen, welche eine bindende Erklärung ihrerseits mit Hinweis auf die
ausschließliche Competenz des Bundes mit oder ohne Umschweif von der Hand
weisen. 2) Diejenigen, welche unter bundespflichtmäßigem oder anderweiten
Vorbehalt anerkannten. 3) Diejenigen, welche schlechthin in aller Form ihren
Beitritt erklärten.

Die erste Steile gebührt Baden. Auf die Einladung zur Anerkennung des
Tractates erklärte Baron Rüdt im Namen des Regenten ä. c1. Karlsruhe,
26. Januar 1833: "er erkenne zwar die generösen Motive der contrahirenden
Mächte an, vermöge jedoch als Glied des deutschen Bundes dem Tractat nicht
einseitig beizutreten, da dies gegen das Princip der Solidarität verstoßen würde,
welches die Grundlage desselben sei. und da die Successionsfrage laut Artikel VI.
der wiener Schlußacte der Competenz desselben zugehöre." Die dänische Ent¬
gegnung darauf 6. et. 4. März 1853 lautete: "Der König bedaure die Ent-
schließung. auf welche der Regent sich beschränken zu müssen geglaubt habe,
um so lebhafter, weil er die Anschauungen der badischen Negierung hinsichtlich
der Heranziehung der wiener Schlußacte bei der vorliegenden Frage nicht theilen


zu messen, geschieht es nicht blos, um alte Sünden oder Schwächen neu zu be¬
leuchten, sondern vielmehr, um darzulegen, wie das durch jene Aeußerungen
geschaffene Präjudiz dem neuen Stande der Frage gegenüber Stich gehalten
hat, oder nicht. Wir betrachten daher die Gesinnungsdocumcnte der einzelnen
Bunocsfürsten rücksichtlich der Regierungsansprüche Herzog Friedrichs des Achten
von Schleswig-Holstein in Verbindung mit den Erklärungen auf die dänische
Einladung zur Anerkennung des Tractats. Die späteren Kundgebungen sind theils
die praktische Ratification theils die Aufhebung, jedenfalls aber die authentische
Interpretation und Kritik der früheren. Hinsichtlich der leitenden Motive muß
wenigstens so viel vorausgeschickt werden: kein Bundesfürst, der Zeuge der
Manipulationen Dänemarks in den Herzogthümern vor 1849 gewesen war,
konnte borg, naiv annehmen, daß nach den Arrangements von 1832 und 1853
ein vertragsmäßiges System beobachtet werden würde. Niemand konnte glau¬
ben, durch seine Anerkennung der neuen dänischen Successionsvrdnung ein
solches System zu stärken und zu fördern. Man stärkte und forderte damit je
nach dem Belang der eigenen politischen Bedeutung nur die königlich dänischen
Prätensionen als solche.

Wir registriren nun in der folgenden Statistik die deutschen Bundesregie¬
rungen zunächst insoweit sie zum londoner Tractat durch die Einladung zum
Beitritt in directe Beziehung getreten sind und zwar nach dem Grade der
Correctheit ihres Verhaltens, wie wir dasselbe oben angedeutet haben, und fügen
daran, was nach den besten Quellen über directe und indirecte Erklä¬
rungen in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs. vorliegt und verlautet.

Rücksichtlich des Verhaltens zum Tractat unterscheiden sich drei Kategorien:
1) diejenigen, welche eine bindende Erklärung ihrerseits mit Hinweis auf die
ausschließliche Competenz des Bundes mit oder ohne Umschweif von der Hand
weisen. 2) Diejenigen, welche unter bundespflichtmäßigem oder anderweiten
Vorbehalt anerkannten. 3) Diejenigen, welche schlechthin in aller Form ihren
Beitritt erklärten.

Die erste Steile gebührt Baden. Auf die Einladung zur Anerkennung des
Tractates erklärte Baron Rüdt im Namen des Regenten ä. c1. Karlsruhe,
26. Januar 1833: „er erkenne zwar die generösen Motive der contrahirenden
Mächte an, vermöge jedoch als Glied des deutschen Bundes dem Tractat nicht
einseitig beizutreten, da dies gegen das Princip der Solidarität verstoßen würde,
welches die Grundlage desselben sei. und da die Successionsfrage laut Artikel VI.
der wiener Schlußacte der Competenz desselben zugehöre." Die dänische Ent¬
gegnung darauf 6. et. 4. März 1853 lautete: „Der König bedaure die Ent-
schließung. auf welche der Regent sich beschränken zu müssen geglaubt habe,
um so lebhafter, weil er die Anschauungen der badischen Negierung hinsichtlich
der Heranziehung der wiener Schlußacte bei der vorliegenden Frage nicht theilen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188893"/>
          <p xml:id="ID_1094" prev="#ID_1093"> zu messen, geschieht es nicht blos, um alte Sünden oder Schwächen neu zu be¬<lb/>
leuchten, sondern vielmehr, um darzulegen, wie das durch jene Aeußerungen<lb/>
geschaffene Präjudiz dem neuen Stande der Frage gegenüber Stich gehalten<lb/>
hat, oder nicht. Wir betrachten daher die Gesinnungsdocumcnte der einzelnen<lb/>
Bunocsfürsten rücksichtlich der Regierungsansprüche Herzog Friedrichs des Achten<lb/>
von Schleswig-Holstein in Verbindung mit den Erklärungen auf die dänische<lb/>
Einladung zur Anerkennung des Tractats. Die späteren Kundgebungen sind theils<lb/>
die praktische Ratification theils die Aufhebung, jedenfalls aber die authentische<lb/>
Interpretation und Kritik der früheren. Hinsichtlich der leitenden Motive muß<lb/>
wenigstens so viel vorausgeschickt werden: kein Bundesfürst, der Zeuge der<lb/>
Manipulationen Dänemarks in den Herzogthümern vor 1849 gewesen war,<lb/>
konnte borg, naiv annehmen, daß nach den Arrangements von 1832 und 1853<lb/>
ein vertragsmäßiges System beobachtet werden würde. Niemand konnte glau¬<lb/>
ben, durch seine Anerkennung der neuen dänischen Successionsvrdnung ein<lb/>
solches System zu stärken und zu fördern. Man stärkte und forderte damit je<lb/>
nach dem Belang der eigenen politischen Bedeutung nur die königlich dänischen<lb/>
Prätensionen als solche.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1095"> Wir registriren nun in der folgenden Statistik die deutschen Bundesregie¬<lb/>
rungen zunächst insoweit sie zum londoner Tractat durch die Einladung zum<lb/>
Beitritt in directe Beziehung getreten sind und zwar nach dem Grade der<lb/>
Correctheit ihres Verhaltens, wie wir dasselbe oben angedeutet haben, und fügen<lb/>
daran, was nach den besten Quellen über directe und indirecte Erklä¬<lb/>
rungen in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs. vorliegt und verlautet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1096"> Rücksichtlich des Verhaltens zum Tractat unterscheiden sich drei Kategorien:<lb/>
1) diejenigen, welche eine bindende Erklärung ihrerseits mit Hinweis auf die<lb/>
ausschließliche Competenz des Bundes mit oder ohne Umschweif von der Hand<lb/>
weisen. 2) Diejenigen, welche unter bundespflichtmäßigem oder anderweiten<lb/>
Vorbehalt anerkannten. 3) Diejenigen, welche schlechthin in aller Form ihren<lb/>
Beitritt erklärten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097" next="#ID_1098"> Die erste Steile gebührt Baden. Auf die Einladung zur Anerkennung des<lb/>
Tractates erklärte Baron Rüdt im Namen des Regenten ä. c1. Karlsruhe,<lb/>
26. Januar 1833: &#x201E;er erkenne zwar die generösen Motive der contrahirenden<lb/>
Mächte an, vermöge jedoch als Glied des deutschen Bundes dem Tractat nicht<lb/>
einseitig beizutreten, da dies gegen das Princip der Solidarität verstoßen würde,<lb/>
welches die Grundlage desselben sei. und da die Successionsfrage laut Artikel VI.<lb/>
der wiener Schlußacte der Competenz desselben zugehöre." Die dänische Ent¬<lb/>
gegnung darauf 6. et. 4. März 1853 lautete: &#x201E;Der König bedaure die Ent-<lb/>
schließung. auf welche der Regent sich beschränken zu müssen geglaubt habe,<lb/>
um so lebhafter, weil er die Anschauungen der badischen Negierung hinsichtlich<lb/>
der Heranziehung der wiener Schlußacte bei der vorliegenden Frage nicht theilen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] zu messen, geschieht es nicht blos, um alte Sünden oder Schwächen neu zu be¬ leuchten, sondern vielmehr, um darzulegen, wie das durch jene Aeußerungen geschaffene Präjudiz dem neuen Stande der Frage gegenüber Stich gehalten hat, oder nicht. Wir betrachten daher die Gesinnungsdocumcnte der einzelnen Bunocsfürsten rücksichtlich der Regierungsansprüche Herzog Friedrichs des Achten von Schleswig-Holstein in Verbindung mit den Erklärungen auf die dänische Einladung zur Anerkennung des Tractats. Die späteren Kundgebungen sind theils die praktische Ratification theils die Aufhebung, jedenfalls aber die authentische Interpretation und Kritik der früheren. Hinsichtlich der leitenden Motive muß wenigstens so viel vorausgeschickt werden: kein Bundesfürst, der Zeuge der Manipulationen Dänemarks in den Herzogthümern vor 1849 gewesen war, konnte borg, naiv annehmen, daß nach den Arrangements von 1832 und 1853 ein vertragsmäßiges System beobachtet werden würde. Niemand konnte glau¬ ben, durch seine Anerkennung der neuen dänischen Successionsvrdnung ein solches System zu stärken und zu fördern. Man stärkte und forderte damit je nach dem Belang der eigenen politischen Bedeutung nur die königlich dänischen Prätensionen als solche. Wir registriren nun in der folgenden Statistik die deutschen Bundesregie¬ rungen zunächst insoweit sie zum londoner Tractat durch die Einladung zum Beitritt in directe Beziehung getreten sind und zwar nach dem Grade der Correctheit ihres Verhaltens, wie wir dasselbe oben angedeutet haben, und fügen daran, was nach den besten Quellen über directe und indirecte Erklä¬ rungen in Betreff der Anerkennung Herzog Friedrichs. vorliegt und verlautet. Rücksichtlich des Verhaltens zum Tractat unterscheiden sich drei Kategorien: 1) diejenigen, welche eine bindende Erklärung ihrerseits mit Hinweis auf die ausschließliche Competenz des Bundes mit oder ohne Umschweif von der Hand weisen. 2) Diejenigen, welche unter bundespflichtmäßigem oder anderweiten Vorbehalt anerkannten. 3) Diejenigen, welche schlechthin in aller Form ihren Beitritt erklärten. Die erste Steile gebührt Baden. Auf die Einladung zur Anerkennung des Tractates erklärte Baron Rüdt im Namen des Regenten ä. c1. Karlsruhe, 26. Januar 1833: „er erkenne zwar die generösen Motive der contrahirenden Mächte an, vermöge jedoch als Glied des deutschen Bundes dem Tractat nicht einseitig beizutreten, da dies gegen das Princip der Solidarität verstoßen würde, welches die Grundlage desselben sei. und da die Successionsfrage laut Artikel VI. der wiener Schlußacte der Competenz desselben zugehöre." Die dänische Ent¬ gegnung darauf 6. et. 4. März 1853 lautete: „Der König bedaure die Ent- schließung. auf welche der Regent sich beschränken zu müssen geglaubt habe, um so lebhafter, weil er die Anschauungen der badischen Negierung hinsichtlich der Heranziehung der wiener Schlußacte bei der vorliegenden Frage nicht theilen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/332>, abgerufen am 23.07.2024.