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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Mögen die preußischen Führer von den Franzosen die Kraft der indivi¬
duellen Freiheit ehren lernen, und mögen sie diese Kraft vergrößern, indem sie
dieselbe innerhalb gesunder und fester Formen zur Geltung bringen. Sollen
die Preußen den Franzosen im Kampfe gegenübertreten, so dürfen sie gegen
die wildanstürmende Kraft getrost die bewußte Ordnung einsetzen, der letzter"
muß schließlich der Sieg bleiben; denn gefährlich ist der preußischen Armee
durchaus .nicht die französische Kampfweise, sondern die französische musterhafte
Armeeleitung.




Vermischte Literatur.
Magister JohannesHuß und der Abzug der deutschen Professoren
und Studenten aus Prag 1409. Von K. A, Konstantin Höflcr. Prag,
Fr. Tcmpsky. 1863.

Wie die Mehrzahl der vom Verfasser über Personen und Vorgänge des deut¬
schen Mittelalters gelieferten Arbeiten, wie namentlich seine Charakteristik Kaiser Frie¬
drichs des Zweiten, ist auch dieses Buch nicht das Ergebniß unbefangener Forschung,
sondern in der 'Hauptsache eine Partcischrift zu Gunsten einer specifisch östreichischen
und katholischen Auffassung der Geschichte, die in diesem Fall nur insofern eine ge¬
wisse Berechtigung hat, als sie ein Protest gegen die Anmaßung der Czechen ist, die
das deutsche Element gegenwärtig in so überaus abgeschmackter Weise höhnt und
befehdet. Daß die hussitische Bewegung nicht das war, als was sie uns noch vor
dreißig Jahren dargestellt wurde, und als was gewisse Quart'öpfe in Böhmen sie
der Welt noch heute anpreisen möchten, ist nachgerade bekannt, und wenn der Verfasser
zu dieser Erkenntniß der einen und andern werthvollen neuen Beitrag liefert, die Unreife
und Unklarheit des Urhebers der Bewegung an neuen Beispielen darthut, so verdient er
unsern Dank. Wenn er aber weiter geht und von seiner Darstellung hofft, sie
werde uns Huß künftig nicht mehr als einen die Wahrheit suchenden und für die
Wahrheit gestorbenen Mann ehren, vielmehr das costnitzcr Urtheil gerecht erscheinen
lassen, da Huß eigentlich nur als czechischcr Agitator, "dem der Zweck das Mittel
heiligte," verbrannt worden, so mag er das seinen katholischen Gesinnungsgenossen
vortragen, wir weisen ihn damit einfach zurück. Dadurch, daß die Präger Refor¬
mation sich mit slavischem Parteitreibcn verunreinigte, verliert sie für uns noch keines¬
wegs ihren echtdeutschcn Grundzug, und war Huß mit den Seinen ungerecht gegen
die- Deutschen, so werden uns Höfler und die Seinen mit allen ihren Argumenten
doch niemals beweisen, daß er deshalb kein Reformator war.


Mögen die preußischen Führer von den Franzosen die Kraft der indivi¬
duellen Freiheit ehren lernen, und mögen sie diese Kraft vergrößern, indem sie
dieselbe innerhalb gesunder und fester Formen zur Geltung bringen. Sollen
die Preußen den Franzosen im Kampfe gegenübertreten, so dürfen sie gegen
die wildanstürmende Kraft getrost die bewußte Ordnung einsetzen, der letzter»
muß schließlich der Sieg bleiben; denn gefährlich ist der preußischen Armee
durchaus .nicht die französische Kampfweise, sondern die französische musterhafte
Armeeleitung.




Vermischte Literatur.
Magister JohannesHuß und der Abzug der deutschen Professoren
und Studenten aus Prag 1409. Von K. A, Konstantin Höflcr. Prag,
Fr. Tcmpsky. 1863.

Wie die Mehrzahl der vom Verfasser über Personen und Vorgänge des deut¬
schen Mittelalters gelieferten Arbeiten, wie namentlich seine Charakteristik Kaiser Frie¬
drichs des Zweiten, ist auch dieses Buch nicht das Ergebniß unbefangener Forschung,
sondern in der 'Hauptsache eine Partcischrift zu Gunsten einer specifisch östreichischen
und katholischen Auffassung der Geschichte, die in diesem Fall nur insofern eine ge¬
wisse Berechtigung hat, als sie ein Protest gegen die Anmaßung der Czechen ist, die
das deutsche Element gegenwärtig in so überaus abgeschmackter Weise höhnt und
befehdet. Daß die hussitische Bewegung nicht das war, als was sie uns noch vor
dreißig Jahren dargestellt wurde, und als was gewisse Quart'öpfe in Böhmen sie
der Welt noch heute anpreisen möchten, ist nachgerade bekannt, und wenn der Verfasser
zu dieser Erkenntniß der einen und andern werthvollen neuen Beitrag liefert, die Unreife
und Unklarheit des Urhebers der Bewegung an neuen Beispielen darthut, so verdient er
unsern Dank. Wenn er aber weiter geht und von seiner Darstellung hofft, sie
werde uns Huß künftig nicht mehr als einen die Wahrheit suchenden und für die
Wahrheit gestorbenen Mann ehren, vielmehr das costnitzcr Urtheil gerecht erscheinen
lassen, da Huß eigentlich nur als czechischcr Agitator, „dem der Zweck das Mittel
heiligte," verbrannt worden, so mag er das seinen katholischen Gesinnungsgenossen
vortragen, wir weisen ihn damit einfach zurück. Dadurch, daß die Präger Refor¬
mation sich mit slavischem Parteitreibcn verunreinigte, verliert sie für uns noch keines¬
wegs ihren echtdeutschcn Grundzug, und war Huß mit den Seinen ungerecht gegen
die- Deutschen, so werden uns Höfler und die Seinen mit allen ihren Argumenten
doch niemals beweisen, daß er deshalb kein Reformator war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/326>, abgerufen am 03.07.2024.