Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.hängt, gab dem entscheidenden Umschwunge im Reich den Anstoß, aber sein Das waren die Zustände, die über dem Grabe Sigismunds emporwuchsen. Was hatte der Markgraf nicht daran gesetzt, den alten Neichsbegriff auf¬ hängt, gab dem entscheidenden Umschwunge im Reich den Anstoß, aber sein Das waren die Zustände, die über dem Grabe Sigismunds emporwuchsen. Was hatte der Markgraf nicht daran gesetzt, den alten Neichsbegriff auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188593"/> <p xml:id="ID_63" prev="#ID_62"> hängt, gab dem entscheidenden Umschwunge im Reich den Anstoß, aber sein<lb/> Resultat ist blos negativer Natur. Die acute Verwundung wird zur Todes-<lb/> krankheit: wir sehen den Reichskörper den chemisch-physikalischen Processen der<lb/> Auflösung anheimfallen, zufolge deren die materielle Substanz sich selbst zurück¬<lb/> gegeben wird; und mehr noch: diesen Zustand fördert und pflegt die Fürsten¬<lb/> politik als ihr eigentliches Lebenselement. Die entschwindende Seele ist der<lb/> Gedanke der mittelalterlichen Monarchie.</p><lb/> <p xml:id="ID_64"> Das waren die Zustände, die über dem Grabe Sigismunds emporwuchsen.<lb/> Nicht, daß es seines Hingangs erst bedurft hätte. Wir sahen vielmehr, wie<lb/> recht eigentlich die Erfahrung, welche die Nation an ihm gemacht hatte,<lb/> den schlecht verhehlten Tendenzen der fürstlichen Aristokratie die abschließende<lb/> Bekräftigung und die praktischen Handhaben bot. Darum, weil es diesen Sinn<lb/> hat, ist sein Zeitalter ausführlich betrachtet worden. Die Vorgänge, die in ihm<lb/> begegnen, verleihen der nachfolgenden Entwickelung jene verzweifelte reale Noth¬<lb/> wendigkeit, welche endlich auch die edelsten Vorkämpfer des factisch überwundenen<lb/> Staatsideals in den Bann ihrer Logik hineinzwingt. Zugleich aber läßt diese<lb/> Spanne Zeit die ganze Fülle der politischen Hilfsmittel offenbar und thätig<lb/> werden, welche der großartigste Repräsentant des „neuen Deutschlands". Friedrich<lb/> der Erste von Brandenburg, kraft seiner Einsicht von den Pflichten und Auf¬<lb/> gaben seiner Stellung in sich vereinigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> Was hatte der Markgraf nicht daran gesetzt, den alten Neichsbegriff auf¬<lb/> recht zu erhalten! Nicht blos Kopf und Hand widmete er diesem Streben.<lb/> Jeden Zwiespalt von Pflichten entschied er im patriotischen Sinn; Undank,<lb/> Mühsal, Gefahr war sein Lohn — gleichviel, er ließ nicht davon. Die wieder¬<lb/> holte anhaltende Entfernung drohte ihm sein heimisches Gut zu entfremden.<lb/> Die fränkischen Lande waren mittlerweile zu öfteren Malen furchtbar heimgesucht<lb/> worden, theils durch die bestialischer Fehden der Baycrnherzögc. theils durch<lb/> die Raubzüge der Hussiten. Noch mehr wollte die Anfechtung sagen, welche<lb/> die Marken auszustehen hatten. Die Gewähr ihrer Neugestaltung lag über¬<lb/> wiegend in seiner Gegenwart, die niemand ersetzen konnte. Kein Wunder, daß<lb/> hier und da die alten Schäden aufbrachen und die Nachbarn sich die Abwesen¬<lb/> heit des Landesfürsten zu Nutze machten. Stets gab es saure Arbeit, wenn er<lb/> kam und mehr als ein Mal mußte er wieder gehn mit dem Wurm schlechter Erfolge<lb/> im Herzen. Aber der kategorische Imperativ seiner Handlungen blieb unwan¬<lb/> delbar die Pflicht zum Reiche. Und es hat ihm Segen eingetragen im eigenen<lb/> Hause, daß er seines Namens Ehre vor allem in dieses Streben gesetzt. Was<lb/> allen andern gleichzeitigen Fürstcnmächten zum schwersten Schaden ausschlug, ist<lb/> in den Ländern der Hohenzollern mindestens damals zum Guten gediehn: sein<lb/> Erbtheilungsstatut wurde von den Söhnen mit Eintracht und Pietät inne ge¬<lb/> halten. Im Hinblick auf Zustände, wie sie in Sachsen der Bruderkrieg, in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
hängt, gab dem entscheidenden Umschwunge im Reich den Anstoß, aber sein
Resultat ist blos negativer Natur. Die acute Verwundung wird zur Todes-
krankheit: wir sehen den Reichskörper den chemisch-physikalischen Processen der
Auflösung anheimfallen, zufolge deren die materielle Substanz sich selbst zurück¬
gegeben wird; und mehr noch: diesen Zustand fördert und pflegt die Fürsten¬
politik als ihr eigentliches Lebenselement. Die entschwindende Seele ist der
Gedanke der mittelalterlichen Monarchie.
Das waren die Zustände, die über dem Grabe Sigismunds emporwuchsen.
Nicht, daß es seines Hingangs erst bedurft hätte. Wir sahen vielmehr, wie
recht eigentlich die Erfahrung, welche die Nation an ihm gemacht hatte,
den schlecht verhehlten Tendenzen der fürstlichen Aristokratie die abschließende
Bekräftigung und die praktischen Handhaben bot. Darum, weil es diesen Sinn
hat, ist sein Zeitalter ausführlich betrachtet worden. Die Vorgänge, die in ihm
begegnen, verleihen der nachfolgenden Entwickelung jene verzweifelte reale Noth¬
wendigkeit, welche endlich auch die edelsten Vorkämpfer des factisch überwundenen
Staatsideals in den Bann ihrer Logik hineinzwingt. Zugleich aber läßt diese
Spanne Zeit die ganze Fülle der politischen Hilfsmittel offenbar und thätig
werden, welche der großartigste Repräsentant des „neuen Deutschlands". Friedrich
der Erste von Brandenburg, kraft seiner Einsicht von den Pflichten und Auf¬
gaben seiner Stellung in sich vereinigt.
Was hatte der Markgraf nicht daran gesetzt, den alten Neichsbegriff auf¬
recht zu erhalten! Nicht blos Kopf und Hand widmete er diesem Streben.
Jeden Zwiespalt von Pflichten entschied er im patriotischen Sinn; Undank,
Mühsal, Gefahr war sein Lohn — gleichviel, er ließ nicht davon. Die wieder¬
holte anhaltende Entfernung drohte ihm sein heimisches Gut zu entfremden.
Die fränkischen Lande waren mittlerweile zu öfteren Malen furchtbar heimgesucht
worden, theils durch die bestialischer Fehden der Baycrnherzögc. theils durch
die Raubzüge der Hussiten. Noch mehr wollte die Anfechtung sagen, welche
die Marken auszustehen hatten. Die Gewähr ihrer Neugestaltung lag über¬
wiegend in seiner Gegenwart, die niemand ersetzen konnte. Kein Wunder, daß
hier und da die alten Schäden aufbrachen und die Nachbarn sich die Abwesen¬
heit des Landesfürsten zu Nutze machten. Stets gab es saure Arbeit, wenn er
kam und mehr als ein Mal mußte er wieder gehn mit dem Wurm schlechter Erfolge
im Herzen. Aber der kategorische Imperativ seiner Handlungen blieb unwan¬
delbar die Pflicht zum Reiche. Und es hat ihm Segen eingetragen im eigenen
Hause, daß er seines Namens Ehre vor allem in dieses Streben gesetzt. Was
allen andern gleichzeitigen Fürstcnmächten zum schwersten Schaden ausschlug, ist
in den Ländern der Hohenzollern mindestens damals zum Guten gediehn: sein
Erbtheilungsstatut wurde von den Söhnen mit Eintracht und Pietät inne ge¬
halten. Im Hinblick auf Zustände, wie sie in Sachsen der Bruderkrieg, in
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