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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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gleich den Glauben ein sich und seinen Stern, der Leuten von starker, gewal¬
tiger Willenskraft eigen zu sein Pflegt. Er liebte es gerade auf sein Ziel lvs-
zugehn: via i'vetu, via eerts. war sein Wahlspruch; aber er wußte , wenn es noth
that, auch auf dem diplomatischen Umwege trefflich vorwärts zu kommen. Er
wollte nur, was er für recht erkannt hatte; was er aber einmal begonnen,
führte er durch bis zum Ende. In unserer schwächlichen Zeit, in der Genu߬
sucht, Bequemlichkeitsliebe, Gefühlsseligen, Wortheidenthum und feige Rück¬
sichtnahme jeder Art aller Energie und Ausdauer des Willens wie jedem ent-
schiednen Handeln überhaupt den Tod zu drohen scheinen, stand er mit seinen
unerschütterlichen, durch keine Widerwärtigkeit zu beugenden Entschlüssen, seiner
nie ermattenden, nie verzagenden Thätigkeit als eine vereinzelte, die Zeit¬
genossen "um eines Hauptes Länge" überragende Erscheinung. Und doch lag in
dieser Unbeugsamkeit nichts Finsteres, nichts Unduldsames. Nie ließ sich auf
ihn anwenden, was Frau von Stael von Napoleon sagt, daß man an ihm
kein menschliches Gefühl wahrnehme, wodurch man auf ihn einwirken könne.
Aber freilich, eine Eigenschaft fehlte ihm ganz, die den Dichter schafft und dem
Manne des praktischen Lebens tausend Streiche spielt, die liebliche, lose Tochter
Jovis, sein Schooßkind, die Phantasie. Er besaß von dieser lollv <1u log-is,
wie er sie zu nennen Pflegte, nicht genug, um für seine kleinen Neffen das
einfachste Mährchen zu ersinnen. Deshalb hatte er auch gar wenig Sinn für
die Poesie, ja für die belletristische Literatur im Allgemeinen, Die Kunst war
ihm, wie es scheint, ein Buch mit sieben Siegeln. Wie man seine Zeit damit
hinbringen könne, sich am Anschauen der Schönheit zu weiden, war diesem
thatendurstiger Geiste unbegreiflich. Deshalb blieb er auch den Naturschön¬
heiten gegenüber kalt und zog es vor, in den öden und kahlen Sumpfgegen¬
den von Leri in Ostpiemvnt seinen Reis zu baue" und großartige industrielle
Unternehmungen ins Werk zu setzen, statt in dem prächtigen Parke des schönen
Santena (seiner Villa bei Turin) zu träume".

Selbst seine mangelhafte allgemeine Bildung zu vecvollkommncn, fehlte
ihm später Zeit und Lust. Aber wenn es darauf ankam , wenn es ihm zur
Erreichung seiner Zwecke nothwendig erschien, überwand er auch in dieser Hin¬
sicht, von einem ausgezeichneten Gedächtnisse unterstützt, in unglaublich kurzer
Zeit die größten Schwierigkeiten. Als er durch seine unabhängige Gesinnung
und mißliebige Urtheile über Personen und Ereignisse des Tages in Ungnade
gefallen, noch als Jüngling die militärische Laufbahn verließ und sich der Be¬
wirthschaftung der Familiengüter anzunehmen beschloß, waren ihm Vermögens¬
verwaltung, Ackerbau und Gewerbetrieb und alles, was damit zusammen¬
hängt, böhmische Dörfer. Nach wenigen Jahren fand er nicht nnr nicht viele
seines Gleichen in Lezng auf seine durchweg durch Selbststudium erworbenen
theoretischen Kenntnisse, sondern er war anch einer der tüchtigsten Landwirthe


gleich den Glauben ein sich und seinen Stern, der Leuten von starker, gewal¬
tiger Willenskraft eigen zu sein Pflegt. Er liebte es gerade auf sein Ziel lvs-
zugehn: via i'vetu, via eerts. war sein Wahlspruch; aber er wußte , wenn es noth
that, auch auf dem diplomatischen Umwege trefflich vorwärts zu kommen. Er
wollte nur, was er für recht erkannt hatte; was er aber einmal begonnen,
führte er durch bis zum Ende. In unserer schwächlichen Zeit, in der Genu߬
sucht, Bequemlichkeitsliebe, Gefühlsseligen, Wortheidenthum und feige Rück¬
sichtnahme jeder Art aller Energie und Ausdauer des Willens wie jedem ent-
schiednen Handeln überhaupt den Tod zu drohen scheinen, stand er mit seinen
unerschütterlichen, durch keine Widerwärtigkeit zu beugenden Entschlüssen, seiner
nie ermattenden, nie verzagenden Thätigkeit als eine vereinzelte, die Zeit¬
genossen „um eines Hauptes Länge" überragende Erscheinung. Und doch lag in
dieser Unbeugsamkeit nichts Finsteres, nichts Unduldsames. Nie ließ sich auf
ihn anwenden, was Frau von Stael von Napoleon sagt, daß man an ihm
kein menschliches Gefühl wahrnehme, wodurch man auf ihn einwirken könne.
Aber freilich, eine Eigenschaft fehlte ihm ganz, die den Dichter schafft und dem
Manne des praktischen Lebens tausend Streiche spielt, die liebliche, lose Tochter
Jovis, sein Schooßkind, die Phantasie. Er besaß von dieser lollv <1u log-is,
wie er sie zu nennen Pflegte, nicht genug, um für seine kleinen Neffen das
einfachste Mährchen zu ersinnen. Deshalb hatte er auch gar wenig Sinn für
die Poesie, ja für die belletristische Literatur im Allgemeinen, Die Kunst war
ihm, wie es scheint, ein Buch mit sieben Siegeln. Wie man seine Zeit damit
hinbringen könne, sich am Anschauen der Schönheit zu weiden, war diesem
thatendurstiger Geiste unbegreiflich. Deshalb blieb er auch den Naturschön¬
heiten gegenüber kalt und zog es vor, in den öden und kahlen Sumpfgegen¬
den von Leri in Ostpiemvnt seinen Reis zu baue» und großartige industrielle
Unternehmungen ins Werk zu setzen, statt in dem prächtigen Parke des schönen
Santena (seiner Villa bei Turin) zu träume».

Selbst seine mangelhafte allgemeine Bildung zu vecvollkommncn, fehlte
ihm später Zeit und Lust. Aber wenn es darauf ankam , wenn es ihm zur
Erreichung seiner Zwecke nothwendig erschien, überwand er auch in dieser Hin¬
sicht, von einem ausgezeichneten Gedächtnisse unterstützt, in unglaublich kurzer
Zeit die größten Schwierigkeiten. Als er durch seine unabhängige Gesinnung
und mißliebige Urtheile über Personen und Ereignisse des Tages in Ungnade
gefallen, noch als Jüngling die militärische Laufbahn verließ und sich der Be¬
wirthschaftung der Familiengüter anzunehmen beschloß, waren ihm Vermögens¬
verwaltung, Ackerbau und Gewerbetrieb und alles, was damit zusammen¬
hängt, böhmische Dörfer. Nach wenigen Jahren fand er nicht nnr nicht viele
seines Gleichen in Lezng auf seine durchweg durch Selbststudium erworbenen
theoretischen Kenntnisse, sondern er war anch einer der tüchtigsten Landwirthe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/300>, abgerufen am 23.07.2024.