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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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der Landwehr sind in beiden Perioden sowohl, als auch außerdem bei einzelnen
Gelegenheiten Excesse vorgekommen, die den, Beweis eines Mangels an Zucht
in dieser Truppe geliefert haben. Die Zahl der Lanbwehrexcesse ist in den
Jahren 1830--60 immer mehr gewachsen. -- Den Grund zu diesen*verschiedenen
Ereignissen haben wir zu suchen einmal in der veränderten Dienstzeit und dann
in der Verschiedenheit der Güte des Nahmens d. h. der Vorgesetzten.

Bis zum Jahre 1831 diente die Mannschaft der Infanterie drei Jahre im
stehenden Heere. Die bei der geringen Starke der Linie nicht zur Einstellung
kommenden zahlreichen Mannschaften, welche zur Completirung der Landwehr
durchaus nothwendig waren, wurden als Landwehrrekruten in sechswöchent¬
licher Dienstzeit ausgebildet. -- Bei der mobilen Armee.1831 wurde kein Man¬
gel an Disciplin, wohl aber an Technik empfunden, rend um wirklich unterrich¬
tete Soldaten zu haben, führte man in der Linieninfanterie mit Ausnahme
der Garde unter Bcibehalt der bisherigen Gcsammtkvpfstärke die zweijährige
Dienstzeit ein. Der Technik wurde hiermit ein größerer Werth beigelegt als
der Disciplin, und dieser Umstand trug dazu bei, daß im Jahre 1848 sich die
Linie theilweise, die Landwehr häufig zuchtlos zeigte. Diese Erfahrung führte
wieder zu einer längeren Dienstzeit und zu einer Entfernung der Landwehr aus
dem Theil der Truppen, welche bestimmt sind in das Feld zu rücken und den
Forderungen des Krieges am meisten zu entsprechen. Von einer zweiundeinhalb-
jährigen Dienstzeit ging man zur dreijährigen über und verdoppelte die Zahl
der Liuienbataillvne.

Daß sich gegen die Kriegstüchtigkeit der Landwehr mit jedem Jahre mehr
das Urtheil des Soldaten vom Fach richtete, war natürlich, und ist nicht aus
Parteibefangenheit zu erklären. Denn der Befehl in dieser Truppe wurde all-
mälig schlechter, je mehr die Charaktere in den Reihen der Landwehrcommandeure
abnahmen. Der lange Friede und der Mangel an Reibung, welchen die heu¬
tige Ausbildung der Disciplin in den obern Chargen herbeiführt, haben schon
dem Linienofsizier die Straffheit verringert. Die nivellirende Thätigkeit der
heutigen Cultur hat den Laudwehroffizier noch ungeeigneter zur Handhabung
der Disciplin gemacht wie er an sich war. -- Charaktere, Befehl und Zucht
wurden im Allgemeinen schlaffer und war deshalb die Landwehr als Feldtruppe
weniger brauchbar. Die Reorganisation der preußischen Armee ist an sich
betrachtet nicht eine Maßregel der Willkür, sondern eine Frucht der natürlichen
Entwickelung.

Die Ereignisse haben also allmälig dahin geführt, daß bei der jetzigen


Grenzboten II. 18V4. 36

der Landwehr sind in beiden Perioden sowohl, als auch außerdem bei einzelnen
Gelegenheiten Excesse vorgekommen, die den, Beweis eines Mangels an Zucht
in dieser Truppe geliefert haben. Die Zahl der Lanbwehrexcesse ist in den
Jahren 1830—60 immer mehr gewachsen. — Den Grund zu diesen*verschiedenen
Ereignissen haben wir zu suchen einmal in der veränderten Dienstzeit und dann
in der Verschiedenheit der Güte des Nahmens d. h. der Vorgesetzten.

Bis zum Jahre 1831 diente die Mannschaft der Infanterie drei Jahre im
stehenden Heere. Die bei der geringen Starke der Linie nicht zur Einstellung
kommenden zahlreichen Mannschaften, welche zur Completirung der Landwehr
durchaus nothwendig waren, wurden als Landwehrrekruten in sechswöchent¬
licher Dienstzeit ausgebildet. — Bei der mobilen Armee.1831 wurde kein Man¬
gel an Disciplin, wohl aber an Technik empfunden, rend um wirklich unterrich¬
tete Soldaten zu haben, führte man in der Linieninfanterie mit Ausnahme
der Garde unter Bcibehalt der bisherigen Gcsammtkvpfstärke die zweijährige
Dienstzeit ein. Der Technik wurde hiermit ein größerer Werth beigelegt als
der Disciplin, und dieser Umstand trug dazu bei, daß im Jahre 1848 sich die
Linie theilweise, die Landwehr häufig zuchtlos zeigte. Diese Erfahrung führte
wieder zu einer längeren Dienstzeit und zu einer Entfernung der Landwehr aus
dem Theil der Truppen, welche bestimmt sind in das Feld zu rücken und den
Forderungen des Krieges am meisten zu entsprechen. Von einer zweiundeinhalb-
jährigen Dienstzeit ging man zur dreijährigen über und verdoppelte die Zahl
der Liuienbataillvne.

Daß sich gegen die Kriegstüchtigkeit der Landwehr mit jedem Jahre mehr
das Urtheil des Soldaten vom Fach richtete, war natürlich, und ist nicht aus
Parteibefangenheit zu erklären. Denn der Befehl in dieser Truppe wurde all-
mälig schlechter, je mehr die Charaktere in den Reihen der Landwehrcommandeure
abnahmen. Der lange Friede und der Mangel an Reibung, welchen die heu¬
tige Ausbildung der Disciplin in den obern Chargen herbeiführt, haben schon
dem Linienofsizier die Straffheit verringert. Die nivellirende Thätigkeit der
heutigen Cultur hat den Laudwehroffizier noch ungeeigneter zur Handhabung
der Disciplin gemacht wie er an sich war. — Charaktere, Befehl und Zucht
wurden im Allgemeinen schlaffer und war deshalb die Landwehr als Feldtruppe
weniger brauchbar. Die Reorganisation der preußischen Armee ist an sich
betrachtet nicht eine Maßregel der Willkür, sondern eine Frucht der natürlichen
Entwickelung.

Die Ereignisse haben also allmälig dahin geführt, daß bei der jetzigen


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[0281] der Landwehr sind in beiden Perioden sowohl, als auch außerdem bei einzelnen Gelegenheiten Excesse vorgekommen, die den, Beweis eines Mangels an Zucht in dieser Truppe geliefert haben. Die Zahl der Lanbwehrexcesse ist in den Jahren 1830—60 immer mehr gewachsen. — Den Grund zu diesen*verschiedenen Ereignissen haben wir zu suchen einmal in der veränderten Dienstzeit und dann in der Verschiedenheit der Güte des Nahmens d. h. der Vorgesetzten. Bis zum Jahre 1831 diente die Mannschaft der Infanterie drei Jahre im stehenden Heere. Die bei der geringen Starke der Linie nicht zur Einstellung kommenden zahlreichen Mannschaften, welche zur Completirung der Landwehr durchaus nothwendig waren, wurden als Landwehrrekruten in sechswöchent¬ licher Dienstzeit ausgebildet. — Bei der mobilen Armee.1831 wurde kein Man¬ gel an Disciplin, wohl aber an Technik empfunden, rend um wirklich unterrich¬ tete Soldaten zu haben, führte man in der Linieninfanterie mit Ausnahme der Garde unter Bcibehalt der bisherigen Gcsammtkvpfstärke die zweijährige Dienstzeit ein. Der Technik wurde hiermit ein größerer Werth beigelegt als der Disciplin, und dieser Umstand trug dazu bei, daß im Jahre 1848 sich die Linie theilweise, die Landwehr häufig zuchtlos zeigte. Diese Erfahrung führte wieder zu einer längeren Dienstzeit und zu einer Entfernung der Landwehr aus dem Theil der Truppen, welche bestimmt sind in das Feld zu rücken und den Forderungen des Krieges am meisten zu entsprechen. Von einer zweiundeinhalb- jährigen Dienstzeit ging man zur dreijährigen über und verdoppelte die Zahl der Liuienbataillvne. Daß sich gegen die Kriegstüchtigkeit der Landwehr mit jedem Jahre mehr das Urtheil des Soldaten vom Fach richtete, war natürlich, und ist nicht aus Parteibefangenheit zu erklären. Denn der Befehl in dieser Truppe wurde all- mälig schlechter, je mehr die Charaktere in den Reihen der Landwehrcommandeure abnahmen. Der lange Friede und der Mangel an Reibung, welchen die heu¬ tige Ausbildung der Disciplin in den obern Chargen herbeiführt, haben schon dem Linienofsizier die Straffheit verringert. Die nivellirende Thätigkeit der heutigen Cultur hat den Laudwehroffizier noch ungeeigneter zur Handhabung der Disciplin gemacht wie er an sich war. — Charaktere, Befehl und Zucht wurden im Allgemeinen schlaffer und war deshalb die Landwehr als Feldtruppe weniger brauchbar. Die Reorganisation der preußischen Armee ist an sich betrachtet nicht eine Maßregel der Willkür, sondern eine Frucht der natürlichen Entwickelung. Die Ereignisse haben also allmälig dahin geführt, daß bei der jetzigen Grenzboten II. 18V4. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/281>, abgerufen am 23.07.2024.